Dürfen wir vorstellen: Der Teenager, der hinter den besten Coversongs des Internets steckt

Du solltest niemals den Fehler machen, einen Teenager zu unterschätzen. Ja, sie sind jung und zu Zeiten unkontrollierte Gefühlsknäuel, denen du aus rationalen Gründen nicht zu nahe kommen solltest. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass die nächsten maßgeblichen Impulse in der Musik aus dem kollektiven Schaffen dieser jungen, kreativen Köpfe entstehen werden. Immerhin wissen sie am besten, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen.

„Es ist alles das Internet“, sagt Lontalius mehr als nur einmal in unserem Gespräch und versucht, mit dieser simplen, aber sehr einleuchtenden Aussage den Unterschied seiner Generation zu anderen zu erklären. Lontalius, dessen echter Name Eddie Johnston ist, ist ein 19-jähriger Teenager aus Neuseeland, der letztes Jahr seine Schule beendete und gerade sein Debüt auf Partisan veröffentlichte. Sein Album I’ll Forget 17 und seine Singles „All I Wanna Say“ und „Kick In The Head“ sind allerdings nicht seine ersten musikalischen Lebenszeichen. Die Jahre zuvor machte sich Eddie bereits mit anderen Mitteln einen Namen im Internet.

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Mit 14 begann Eddie Coversongs aufzunehmen und ins Internet zu stellen, nachdem er nach einer von britischen Bands geprägten Kindheit plötzlich seine Liebe zum Pop entdeckte. Seine Versionen von Beyoncés, Ciaras, Drakes, Justin Biebers oder Pharrells größten Hits umhüllte er im Kontrast zu den Originalen in einen benommenen Downtempo-Schleier, der eine ganz neue Atmosphäre um die sonst eher hektischen Banger legte. Sein alter Soundcloud-Kanal, der voll von diesen Kreationen ist, schaukelt dich problemlos vom einen zum nächsten Moment in einen Traum-ähnlichen Zustand und birgt somit ein sehr hohes Suchtrisiko. Er kumuliert das Gefühl, nachts lang wachzubleiben und im Internet zu versinken—die Stimmung, wenn du nur noch einen Song hören und ins Bett gehen willst, es aber plötzlich fünf Uhr morgens ist.

Das Internet macht Eddie auch für den erneuten Popularitätsanstieg von Popmusik verantwortlich, der unter Anderem zur Folge hatte, dass Justin Bieber wieder cool gefunden werden darf. Seine Generation sei einfach offener für alle möglichen Musikrichtungen und konnte somit auch die nervtötende Ära beenden, in der Mainstreammusik als uncool galt—besonders bei pubertären Teenagern.

Lontalius eigene Kreationen ähneln dagegen keineswegs der sprudelnden Popmusik, die er so vergöttert. Seine Songs stammen aus der Feder eines um Atem ringenden Teenagers, dem zum ersten Mal das Herz gebrochen wurde und stecken voller roher Emotionen. Sein Album I’ll Forget 17 (benannt nach seinem Lieblingssong von Frank Ocean, „White“) hat den üblichen Singer-Songwriter-Anstrich mit einer Tendenz zu Akustik-Gitarren. Was seine Songs so besonders macht, ist ebendieser ungefilterte, intensive Strom an Emotionen, den vermutlich nur ein Teenager so roh und authentisch wiedergeben kann. Intensiviert wird all das vom Kontrast seiner scheinbar gelangweilten Stimme, die nur eine subtile bis gar keine Intonation für nötig hält.

Obwohl die Beschreibung „gelangweilt“ durchaus eine gerechtfertigte Wortwahl für seine Art zu Singen ist, hat Lontalius eine andere Perspektive für sein Stilmittel: „Ich mag es lieber, wenn es sich anfühlt, als würde ich für mich selber singen anstatt für andere zu performen. Viele machen das, aber für mich ist das nichts.“

Die Faszination fürs Performen und die große Bühne lässt Eddie dennoch nie los. Neben den offensichtlich Reizen an dieser Musik, findet sich der Neuseeländer immer wieder hinter den Kulissen der Pop-Welt wieder. „Wenn ein Beyoncé-Album erscheint und es gibt 15 Songwriter für einen Track, will ich wissen, wie das passiert ist und fange an, mich reinzulesen und zu verstehen, wer wie und was produziert hat. Das Ganze interessiert mich sehr“. Jeder, der schon mal seinen neuen Lieblingsproduzenten in Kanye-West-Credits gefunden hat, weiß genau, wovon er redet.

„Selbst die größten Musiker suchen immer nach neuen coolen Sounds und Underground-Artists“, ergänzt Eddie und schlägt die Brücke zwischen diesen zwei Welten. Zwar hat Drake sich noch nicht zu den Lontalius-Covern geäußert, obwohl diese ihn vermutlich zum Weinen bringen würden. Doch seine Aktivitäten haben dem jungen Musiker bereits Lob und Kollaborationsmöglichkeiten von Ryan Hemsworth, Jamie XX, Spooky Black und Om’Mas Keith eingebracht, sowie einen Platz in der Red Bull Music Academy in Paris.

Jetzt blickt der Wellingtoner mit einem gelungenen Debüt in der Tasche in seine Zukunft. Angst vor dem Älterwerden hat er nicht, es ist mehr eine Vorfreude. Nur eine kleine Sorge hat er, dass das Songschreiben mit dem Reifen schwieriger wird. „Mir ist jetzt schon aufgefallen, dass meine Emotionen viel stärker waren als ich 16 oder 17 war. Diese Gefühlswelt hat sich selbst mit meinen 19 Jahren schon etwas gelegt.“ Mit seinem geplanten Umzug aus dem abgelegenen Auenland in das glamouröse L.A. und seinem gesicherten Platz in der pubertären Musikindustrie könnte seine Welt jedoch ähnlich intensiv bleiben wie die eines Teenagers.

I’ll forget 17 von Lontalius ist via Partisan Records/Pias erschienen.

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