Wenn dir berühmte Personen weismachen wollen, dass sie von nun an kein Blatt mehr vor den Mund nehmen und Ratschläge ihrer Berater in den Wind schlagen werden, darf einen das durchaus skeptisch machen. Denn bei Personen, deren Auftritte in der ?–ffentlichkeit viele Jahre lang von einer aufmerksamen Marketingmaschinerie gelenkt wurden, sind Äußerungen dieser Art mit Vorsicht zu genießen. Wer kann schon wissen, ob dahinter nicht eine ausgeklügelte Imagekampagne steckt. Ganz nach dem Motto: Traue niemandem, der mit seinem Ruf Millionen macht.
Es gibt aber auch Ausnahmen—zum Beispiel Kevin Durant. Dessen jüngsten Geständnisse haben auf mich alles andere als unglaubwürdig gewirkt. Natürlich kannst du dich fragen, ob da nicht irgendeine gewiefte Werbeagentur ihre Finger im Spiel hatte. Glaube ich aber nicht. Denn dafür waren seine Äußerungen einfach zu offenherzig und potentiell rufschädigend.
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Ich will in diesem Zusammenhang mal meine Von-Mensch-zu-Mensch-Expertise anwenden. Menschen teilen von Zeit zu Zeit gerne mal aus, bevor es ihnen dann leid tut und sie glauben, erklären zu müssen, warum sie überhaupt erst ausgetickt sind. Menschen hassen manchmal Sachen aus sehr kleinlichen und nicht immer nachvollziehbaren Beweggründen. Menschen sind oft sehr genervt, weil ihnen andere Leute vorschreiben wollen, was geht und was nicht geht. Sie wollen dann ein anderes Leben führen, nur dass sie dann merken, dass das gar nicht so einfach ist. Wir Menschen machen viele Sachen, von denen nicht alle Aktionen besonders löblich, aber dennoch durchaus—und gerade—menschlich sind. Genau solche Aktionen konnten wir in letzter Zeit immer wieder mal bei Kevin Durant erleben. Äußerungen in Interviews, die man gelinde gesagt als kleine PR-Katastrophe bezeichnen könnte, wenn, ja wenn man sich nicht einfach mal vor Augen führt, dass auch KD nur ein Mensch ist.
Durant ist nämlich wütend. Er ist wütend auf die Medien, weil die ihm in einer Tour Löcher in den Bauch fragen: Warum spielen deine Mitspieler so schlecht? Was ist mit deinem Trainer los? Er ist auch wütend auf einige Fans, die damit rechnen, dass Durant in ein paar Jahren Oklahoma City verlassen wird. Er ist wütend auf die vielen spöttelnden Memes, die Durants Liebeserklärung an seine Mutter ordentlich aufs Korn nehmen (Beispiel gefällig? Bitteschön). All das sind durchaus triftige Gründe, wütend zu werden. Eigenartig ist nur, dass Durant seine Wut so öffentlich macht.
Unser Kulturkreis hat sich vor langer Zeit darauf geeinigt, dass wütend sein etwas Blamables ist. Wenn ich mal meine Freundin anschnauze, entschuldige ich mich prompt dafür, dass ich wohl gereizt war oder einen schlechten Tag hatte. Das kommt zwar eigentlich aufs Selbe raus, umgeht aber wenigstens die Wortwahl wütend. Und wenn ich doch mal offen zu meiner Wut stehe, fühle ich mich fast wie ein Aussätziger. Dieses Problem kennen Spitzensportler hingegen nicht. Grund dafür sind emsige Marketing-Profis, die sie als bessere Versionen von uns Otto-Normalverbrauchern inszenieren, die partout nicht wütend werden. Stattdessen sind sie dann extrem ehrgeizige und leidenschaftliche Sportler. Michael Jordan hat seine Mitspieler nicht etwa deswegen geschlagen, weil er wütend war, sondern weil sein unbändiger Siegeswillen mit ihm durchgegangen ist.
Durants ehrliche Äußerungen räumen mit all diesem Bullshit endlich mal auf. Er steht einfach zu all seinen Emotionen und macht dabei auch vor Wut keinen Halt. „Sobald ich auf dem Feld stehe, werde ich zu einem riesengroßen Arschloch”, gab er jüngst in einem GQ-Interview zu. Und auch neben dem Platz ist er wohl nicht unbedingt für die Prince-Charming-Rolle geeignet: „Ich mag einfach keine anderen Teams oder Spieler. Ich kann mir auch keine NBA-Spiele anschauen. Das fühlt sich dann so an, als würde ich die Teams oder ihre Spieler unterstützen. Ganz nach dem Motto: Ich hoffe, du hast ein schlechtes Spiel gezeigt, weil ich einfach ein Hater bin!” Auch wenn das nicht gerade eine rühmliche Aussage ist, kann man sie zumindest durchaus nachvollziehen. Denn das, was wir empfinden, taugt eben nicht immer dazu, Sympathiepunkte zu sammeln.
Es ist keineswegs besonders überraschend, dass auch ein Kevin Durant nicht ohne Fehler ist. Überraschend ist nur, wie offen er zu seinen Fehlern steht. Ja, er ist ein sehr ehrgeiziger und leidenschaftlicher Spieler. Doch damit nicht genug: Er hat auch unangenehme Charaktereigenschaften. Zwar können—und werden—die von seinen Verehrern nur allzu gern in harmlose Schwächen umgedeutet, doch dem will Durant jetzt zunehmend ein Ende machen. Er will, dass wir es endlich glauben: Er ist nur ein Mensch, der auch seine schlechten Seiten hat.