Für 2,80 Euro kriegst du entweder Paper und Filter, eine Bravo plus Kondom, um die Sextipps von Dr. Sommer umzusetzen, oder eine 90-minütige Fahrt mit der Rheinbahn von Düsseldorf-Unterrath zum Hauptbahnhof – aber nur in eine Richtung. Der Unterschied: Es ist kein Problem, wenn du einem Kommilitonen eine Selbstgerollte abgibst oder deine Freundin nach dir die Bravo durchblättert, aber ein großes Problem, wenn ein Fremder zwei Stationen mit deinem Ticket weiterfährt. Zumindest für das Nahverkehrsunternehmen Rheinbahn, wie ein Düsseldorfer jetzt herausfinden musste.
Kevin Kribben aus Düsseldorf kauft sich oft Einzeltickets für die Bahn, um zur Arbeit zu fahren. Offiziell darf er damit 90 Minuten in eine Richtung unterwegs sein und beliebig oft umsteigen. Seine Fahrt dauere aber meistens nur 25 Minuten, erzählt Kevin gegenüber VICE. Für die Kurzstrecke zu lang, für 90-minütigen Fahrspaß zu kurz. Um die restliche – und bereits bezahlte – Fahrzeit nicht verfallen zu lassen, steckt er sein Ticket kurz vor dem Aussteigen immer in den Fahrkartenautomaten. So kann ein anderer Fahrgast es weiterbenutzen und für lau fahren. Auf die Idee habe ihn eine ältere Dame gebracht, die ziemlich lange brauchte, um ihr Ticket zu ziehen. Kevin schenkte ihr spontan sein Ticket. In dem Moment, sagt er, sei ihm aufgefallen, dass er “das Geld sonst in die Mülltonne geschmissen hätte, jemand anderes mein Ticket aber noch gebrauchen kann”.
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Vor zwei Tagen ließ sich dann das Karma bei Kevin blicken. Als er einen Fahrschein kaufen wollte, steckte bereits ein noch gültiger in der Ticketausgabe. Der Düsseldorfer freute sich so sehr darüber, dass er es direkt in der Facebook-Gruppe “NETT-WERK Düsseldorf” postete. Dort kann man nicht nur die Community fragen, wer Düsseldorfs bester Zahnarzt ist, sondern auch Selfies und Fotos von zu verschenkenden Sofas posten. Die meisten der 150 Kommentatoren feiern ihn dort für seine Nächstenliebe und wollen es ihm in Zukunft gleich tun. Eine Facebook-Nutzerin schreibt: “Fuck-Off Rheinbahnticketpreise! Alleine für die ständigen Preiserhöhungen des Sozialtickets sollte die RB mit der Bildung von Fahrgemeinschaften abgewatscht werden.” Insgesamt wurde sein Beitrag über 2.000 mal gelikt und 42 mal geteilt.
Die Rheinbahn findet die Großherzigkeit ihrer Fahrgäste nicht so gut. “Einzeltickets sind personengebunden und nicht übertragbar”, erklärt Georg Schumacher, Unternehmenssprecher der Rheinbahn, gegenüber VICE. Man dürfe mit einem Einzelticket zwar theoretisch 90 Minuten in eine Richtung unterwegs sein, dieser Zeitrahmen soll jedoch lediglich gewährleisten, dass das Ziel erreicht werden kann.
Rheinbahn versuche nicht, “maximal Geld aus den Leuten zu pressen”, sondern den Fahrbetrieb aufrechtzuerhalten
Außerdem kaufen die Kunden weniger Tickets, wenn sie sie geschenkt bekommen. Und das schade laut Schumacher dem Bürger selbst: Die Rheinbahn sei ein städtisches Unternehmen und gehöre dadurch allen Bürgern. “Wir versuchen nicht, maximal Geld aus den Leuten zu pressen, sondern die Einnahmen zu sichern, um den Fahrbetrieb aufrechterhalten zu können”, erklärt er. Das Jahresgehalt von Vorstandschef Michael Clausecker erwähnt der Rheinbahn-Sprecher nicht. Laut Express beträgt es 300.000 Euro jährlich. Plus Prämien. Zum Vergleich: Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel soll vor drei Jahren inklusive Weihnachtsgeld und Nebeneinkünften “nur” auf rund 207.000 Euro gekommen sein.
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Doch für Ticketverschenker wie Kevin kann ihre Aktion auch unmittelbare finanzielle Folgen haben. In Düsseldorf befinden sich die Ticketautomaten in den U-Bahnen. Wer sein Ticket dort vor dem Aussteigen deponiert, wird für die wenigen Meter aus der Tür und von der Haltestelle weg selbst zum Schwarzfahrer. “Jeder Mensch kann in der Bahn und im Haltestellenbereich noch kontrolliert werden”, erklärt Schumacher. Wer dann kein Ticket vorzeigen kann, gelte offiziell als Schwarzfahrer und müsse 60 Euro Strafe zahlen.
Kevin nimmt dieses Risiko gerne in Kauf. Er sagt, er stifte ja niemanden an, eine Straftat zu begehen: “Wenn man es ganz genau nimmt, lass ich meinen Müll einfach da, wo ich ihn gekauft habe.”