Auramy und Chiara haben sich bei der Plattform E-Pal angemeld
Links: Auramy | Rechts: Chiara || Fotos mit freundlicher Genehmigung bereitgestellt
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So viel verdienen diese Frauen dafür, dass sie mit dir zocken

Auramy, Sara, Alice und Chiara lassen sich von einsamen Männern für eine Runde 'League of Legends' bezahlen.
Matteo Lupetti
Asciano, IT

Pünktlich zum Corona-Lockdown ging im März 2020 das Portal EPal.gg online, anfangs noch unter dem Namen Egirl.gg. Über die Seite kann man Menschen buchen, damit sie mit einem Computerspiele zocken oder Animes gucken. Die Preise beginnen bei einem Euro pro Session, können aber auch mal bis zu 25 Euro betragen. Die große Mehrheit der Profile zeigt die Gesichter von Frauen.

Der Erfinder der Seite, Brian Xiong, ein 25 Jahre alter Student an der University of California in Berkeley, sagt, dass alle Profile einer eingängigen Prüfung unterzogen würden, damit keine explizit sexuellen Inhalte kursieren. Die jungen Frauen, die Profile bei E-Pal haben, sagen allerdings, dass sie das nicht vor unangenehmen Interaktionen schütze. VICE hat mit ein paar von ihnen darüber gesprochen, wie viel sie verdienen und wie sie mit ekligen Kunden umgehen.

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Auramy*, 20

Auramy mit Headset beim Computerspielen

Auramy | Foto mit freundlicher Genehmigung der Interviewten

VICE: Wie bist du zum Gaming gekommen?
Auramy: Als ich klein war, habe ich meinem Vater beim Computerspielen zugeschaut – vor allem World of Warcraft. Also habe ich irgendwann auch damit angefangen. Dank dieses Jobs habe ich viele andere Gamer kennengelernt, die ich mag. Momentan spiele ich vor allem League of Legends, World of Warcraft, Hearthstone und Grand Theft Auto 5.

Hast du anderen von deiner Tätigkeit bei E-Pal erzählt?
Meine Familie und Freunde wissen es, ich verheimliche das nicht. Meinen Kunden gebe ich keine privaten Daten – nur meinen Namen, mein Alter und meine Nationalität. Manchmal erzähle ich ihnen von meinem Tag, aber ich habe mir sogar einen separaten Instagram-Account für diesen Job gemacht.

Wie viel verdienst du?
Nicht viel – es beginnt bei einem Euro pro Spiel, aber die beliebtesten Mädchen können 20 bis 25 Euro nehmen. Ich studiere Informatik, ein kleiner Nebenverdienst ist also gar nicht so schlecht. Aber ich mache das auch, um neue Leute kennenzulernen, Spaß zu haben und mit anderen zu spielen.

Wer sind deine Kunden?
Bislang waren alle Männer. Ich habe noch nie mit einem Mädchen gespielt. Sie sind unter 30 und berufstätig. Es sind ein paar Italiener dabei, aber die meisten stammen aus dem Ausland, aus den USA oder den Emiraten, auch ein paar Japaner.

Warum bezahlen Menschen dich, damit du mit ihnen spielst?
Sie haben mir gesagt, dass sie lieber mit Mädchen spielen, weil die einen motivieren und nicht so sehr auf Fehlern rumreiten. Sie mögen vor allem Mädchen aus anderen Ländern, weil sie eine Sprache lernen oder jemanden vom anderen Ende der Welt kennenlernen wollen. Die meisten Menschen, die mich kontaktieren, sind sehr höflich, aber man muss schon darauf achten, welche Anfragen man akzeptiert. Ich versuche immer, ein bisschen mit ihnen zu chatten, bevor ich zusage. Manchmal werden sie trotzdem unhöflich und sagen, dass sie auf der Suche nach etwas anderem sind. Ich habe oft mit Menschen zu tun, die einfach nur Luft ablassen oder eine Serie oder Anime mit jemandem gucken wollen.

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E-Pal sieht ein bisschen wie eine Dating-Seite aus. Bis vor Kurzem hieß sie sogar noch egirl.gg. Was hältst du davon?
Epal.gg hat schon tendenziell mehr Mädchen auf der Seite, aber es gibt auch Typen, die das machen. Es fühlt sich schon sexistisch an. Es vermittelt den Eindruck, dass die Leute nur nach Spielerinnen suchen, weil sie weiblich sind, nicht weil wir besonders gut oder unterhaltsam wären. Ich finde, dass mehr Typen den Job machen sollten.


VICE-Video: Chinas Webcam-Industrie – Der moderne Goldrausch


Sara*, 21

VICE: Wie bist du beim Gaming gelandet?
Sara: Mein Vater hat mir einen Nintendo DS gekauft, als ich sechs oder sieben war. Aber ich habe immer alleine zu Hause gespielt. Als ich 13 war, bekam ich Internet. Mit 15 fing ich dann an, bei Wettbewerben mitzumachen.

Warum hast du ein Profil bei E-Pal?
Weil du damit in meinem Land mehr verdienen kannst als eine Aushilfe im Einzelhandel – 30, 40 Euro pro Tag. Ich zocke gerne, also dachte ich mir, warum nicht? Ich mache das jetzt seit ein paar Monaten, aber ich mache auch noch andere Sachen. Ich studiere und möchte Karriere machen.

Wie sieht dein Durchschnittskunde aus?
Sie sind alle Männer, entweder jung oder über 50. Sie wollen mit einer Frau spielen, die gut aussieht. Insgeheim wollen sie nämlich etwas anderes. Am Anfang wollen sie nur zocken, aber dann fragen sie dich nach anderen Dingen, Nacktbilder zum Beispiel. Ein Typ hat mir gerade 50 Euro für ein Oben-ohne-Bild angeboten. Viele Mädchen tun das und verdienen einen Haufen Geld damit. Ich habe auch mit Typen gespielt, die wirklich nur spielen wollen, aber früher oder später kommt das Thema auf. Es ist ein stark sexuell aufgeladenes Umfeld.

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Wie sieht so eine Gaming-Session aus?
Nachdem der Auftrag eingegangen ist, fangen wir zu spielen an. Der Kunde entscheidet, ob er mich sehen will oder nicht. Ich sage nie Nein, wenn sie mich darum bitten, meine Webcam einzuschalten, auch wenn sie sich oft selbst nicht zeigen. Ich werden in den meisten Sessions komisches Zeug gefragt, obwohl mein Profil eindeutig sagt, dass ich nur spiele.

Was hältst du von dem Geschäft?
Wir wurden schon als neue Porno-Ikonen bezeichnet. Ich habe viele Gamerinnen gesehen, die auf Streamingseiten berühmt geworden sind und dann andere Sachen gemacht haben, wie sich auf Patreon nackt zu zeigen. Ich habe einen Kunden mal gefragt, warum er Nacktbilder will und er meinte, ihm gefalle die Aufmerksamkeit eines echten Mädchens – auch wenn es nur online ist. Im Gegensatz zu Pornos stehen wir im direkten Kontakt zu unseren Kunden, wir lassen sie zuschauen und bauen eine Beziehung auf. Das rechtfertigt in ihren Augen automatisch den Austausch von Nacktfotos, was ich allerdings noch nie getan habe.

Der Chatverlauf mit einem Kunden bei E-Pal. Er erklärt, was ihm bei einer Mitspielerin wichtig ist.

Screenshot eines Chats mit einem Kunden

Alice, 18

VICE: Wie bist du zum Gaming gekommen?
Alice: Mein Bruder und mein Cousin haben League of Legends gespielt und ich habe es dann auch mal ausprobiert.

Wie bist du bei E-Pal gelandet?
Eine Kollegin hat mir epal.gg aus Spaß gezeigt. Am Anfang fand ich die Idee bescheuert, irgendwann habe ich mir aber doch ein Profil gemacht.

Hast du anderen davon erzählt?
Nur einer Freundin. Ich habe Angst, dass die Leute mich für komisch halten.

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Wie sind deine Kunden so?
Ich chatte gerne mit ihnen, bevor wir Kontakte austauschen. Viele wollen Dinge, die ich nicht mache, wie Nacktbilder. Manche suchen eine Spielerin, die eine bestimmte Rolle in einem Match übernimmt, andere wollen einfach nur Gesellschaft. Ein Typ hat mich um ein virtuelles Date gebeten. Wir haben zusammen einen Film geschaut und uns unterhalten. Ich habe mit Leuten aus Deutschland, Österreich und Italien gespielt – nur Menschen aus Europa, alle um die 25 Jahre alt.

Hast du Stammkunden oder sind es immer andere?
Es gibt Leute, mit denen ich tagsüber rede und abends spiele. Manche wollen fast täglich ein, zwei oder drei Matches mit mir zocken.

Warum suchen sie nach einer Mitspielerin?
Mit irgendwelchen Leuten zu spielen, kann eine negative Erfahrung sein. Online geht es zum Teil sehr rau zu. Vielleicht suchen sie nach jemandem, der sich nicht so toxisch verhält. Es ist schade, dass so viele Menschen den Eindruck haben, jemanden bezahlen zu müssen, um eine positive Spielerfahrung zu haben.

Hast du Tipps für andere, die an diesem Job interessiert sind?
Du solltest deine Grenzen festlegen. Viele Kunden werden dich nach unangebrachten Dingen fragen. Vergiss nicht, dass du immer Nein sagen kannst.

Chiara (Cocobun), 22

Ein Foto von Chiara, sie hat rote lockige Haare und trägt einen schwarzen Pullover und eine Kette

Chiara | Foto mit freundlicher Genehmigung bereitgestellt

VICE: Wie bist du zu E-Pal gekommen?
Chiara: Ich arbeite als Grafikdesignerin für ein Fünf-Sterne-Hotel, Geld ist also nicht meine Motivation. Ich habe mich aus Neugier angemeldet, weil ich Gaming mag und während des Lockdowns gelangweilt war. Die Plattform gibt es seit Februar und ich glaube, sie ist so erfolgreich, weil sich die Leute zu Hause langweilen.

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Wer kontaktiert dich?
Es sind meistens Typen zwischen 19 und 40. Sie haben oft Probleme, Frauen kennenzulernen, oder sagen, dass sie unter Angststörungen leiden oder Probleme mit ihrem Körper haben. Ein Typ meinte mal zu mir, dass ihm Sex keinen Spaß macht und ihn nur Online-Beziehungen zufriedenstellen würden. Er habe eine Art Fetisch, Mädchen online zu bezahlen. Ich habe nur mit ihm gesprochen, weil ich nichts Pornografisches mache. Ich biete nur meine Gesellschaft und meine Stimme an.

Was meinst du mit Stimme?
Nun, du musst nicht wirklich gut spielen können. Viel wichtiger ist es, zu quatschen und sie zu unterhalten. Sie sollten sich für eine halbe Stunden entspannen können oder einfach etwas lachen. Die Leute kontaktieren mich, weil sie meine Stimme anziehend finden. Einige Typen haben mir schon gesagt, dass sie sich nach unseren Unterhaltungen besser gefühlt haben. Deine Stimme ist wichtig, genauso wie dein Aussehen.

Die Leute kontaktieren dich also, um einfach zu reden?
Ja, es gibt auf der Seite einen speziellen Bereich dafür. In der Regel kontaktieren sie dich aufgrund deines Aussehens. Dann redet man ein bisschen über alles mögliche, den Lockdown, deinen Alltag, den Ort, an dem du lebst. Viele Kunden sind aus Kanada und den USA. Ein Typ meinte mal zu mir, dass er Mädchen online bucht, um für eine halbe Stunde jemanden zum Reden zu haben, der seine Interessen teilt. Dann hat er mich gefragt, wie groß ich bin, wie viel ich wiege und ob ich einen Freund habe.

Hast du Stammkunden?
Es gibt da einen Typen aus Mailand, ich akzeptiere seine Aufträge immer, weil ich ihn von Anfang an mochte. Einer aus Deutschland bucht mich drei oder viermal die Woche und hat mir ein paar Rezepte geschickt. Er ist ein ganz normaler Typ. Er mag mich und macht mir oft Geschenke, zum Beispiel bei League of Legends, oder er schickt mir Geld bei PayPal, manchmal sogar 80 Euro.

*Name geändert.

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