Ich sitze allein an einem Tisch in einem kleinen Gasthaus in der nordirischen Grafschaft Down, in freudiger Erwartung auf ein Game of Thrones-Festessen. Obwohl es gerade Mittag und eigentlich ein sonniger Sommertag ist, brennen in der Ecke Kerzen. Riesige Wandteppiche kleiden den Raum aus.
Vor mir steht klobiges grünes Tongeschirr, in der Mitte des Tisches liegt ein Stück Butter in Form eines Wolfs auf einer Schieferplatte. Dieser kleine Pub entführt mich in eine mittelalterliche Fantasy-Welt.
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Den anderen Gästen ist das aber nicht aufgefallen. Eine paar ältere Damen aus dem Ort sitzen am Tisch hinter mir, während ich mir ein Winterfell-Festmahl allein gönne, und diskutieren über die Konsistenz der Sauce im Krabbencocktail. Sie gönnen sich ein Sonntagsessen—nix mit Game of Thrones, nur ein Krabbencocktail von der Karte.
„Da ist schon gut Ketchup drin? Die ist auch nicht zu dick oder?”, fragt eine von ihnen die Kellnerin. Sie sind froh zu hören, dass die Sauce weder zu dick, noch zu dünn ist.
„Ja, dann nehmen wir das”, meint sie.
Dieser Ort, der sowohl Fantasy-Fans als auch Rentner geschickt anlockt, ist das The Cuan, eine Pension im malerischen Dorf Strangford. Nur anderthalb Kilometer entfernt wurden Teile der HBO-Serie Game of Thrones gedreht: Hier entstand Winterfell, einer der Hauptschauplätze der ersten beiden Staffeln der Verfilmung George R.R. Martins berühmter Werke.
Während der Dreharbeiten haben viele der Schauspieler im The Cuan übernachtet, womit die Pension zu einer Art Wallfahrtsort für Hardcore-Fans wurde. Jetzt veranstalten sie in ihrem Restaurant ganze Banketts für Fans.
Und je beliebter Game of Thrones wurde, desto mehr stiegen die Umsätze.
„Wir sind seit 25 Jahren hier”, sagt Caroline McErlean. Ihr gehört zusammen mit ihrem Mann Peter die Pension und sie begrüßen mich in Umhängen, die einst Komparsen gehörten.„Vorher lief es ganz in Ordnung, jetzt läuft es fantastisch. Die Serie hat hier einiges verändert. Bei der ersten Staffel hatten wir noch keine Ahnung, was das ist, mittlerweile ist ein Riesending. Niemand hätte geahnt, dass es solche Ausmaße annehmen würde.”
Hätten die McErleans das doch nur vorher gewusst, als Kit Harrington, aka Jon Snow, und Sean Bean in ihren Zimmern genächtigt haben.
„Eine der Putzfrauen hat Seans Zimmer nach der ersten Staffel sauber gemacht und sein Skript voll mit Notizen, Anmerkungen und so weiter im Papierkorb gefunden. Wir haben uns nichts weiter bei gedacht. Es war ja nur zerknülltes Papier, ein Skript einer Fernsehserie, die niemand kennt. Wir haben es weggeschmissen”, bedauert Caroline.
In Carolines Augen sehe ich ihren Schmerz. Trotzdem geht es dem The Cuan nicht allzu schlecht.
Seit einiger Zeit veranstaltet das Paar mit „großem Erfolg” ihre Game of Thrones-Dinner. Dieses Jahr hat Caroline sogar zwei Krimi-Dinner organisiert, einige Schauspieler und Komparsen kamen auch. „Sansa Stark [Sophie Turner], Arya Stark [Maisie Williams] und andere waren hier”, erzählt sie mir.
Die Bankette sind jedoch ein intimeres Erlebnis. In George R.R. Martins Werken spielt Essen eine wichtige Rolle in der Handlung, viele der Schlüsselmomente passieren bei großen Festmahlen, die detailliert und lebendig beschrieben werden. Es gibt sogar ein sogar ein Game of Thrones-Kochbuch, von dem sich auch die McErleans inspirieren haben lassen.
Mein Essen heute ist angelehnt an das erste große Festmahl in Staffel eins, als Ned Stark Robert Baratheon auf Winterfell empfängt. Ein wildes Fest mit viel Bier und Met.
Caroline verschwindet kurz, um sich um die anderen Gäste zu kümmern. Mein Essen wird mir auf einem Holzbrett serviert, es gibt genau das Gleiche wie auch beim Bankett in Winterfell, dazu noch geschmorte Karotten, ein Stück Hähnchen mit Honigglasur und Rosinen und dazu eine dicke braune Sauce. Ich spüle alles mit einem Kelch Bier herunter. Mir schmeckt es, der Gastraum füllt sich langsam mit Stammgästen, die wie üblich hier ihren Sonntagsbraten essen, aber auch mit dem ein oder anderen Game of Thrones-Fan. Einem fällt auf, dass ich mein Winterfell-Bankett ganz allein veranstalte.
„Oh, du bist allein hier”, meint er. „Ich würde das gern mal als riesige Party machen.”
Noch bevor ich antworten kann, kommt Peter zurück. Ich frage ihn, wie die Themenabende bis jetzt ankamen. Als Amateurschauspieler spielt er gern der Gastgeber bei diesen Abenden.
„Das hier soll nicht wie die Rote Hochzeit werden”, meint er und spielt dabei auf das berühmte Massaker in der dritten Staffel an. „Wir wollen keine riesigen, trunkenen Orgien. Das wäre nur rufschädigend. Wir wollen, dass die Leute Spaß haben und das haben sie auch. Es ist auch erstaunlich, von wie weit her manche kommen, wir hatten schon Gäste aus allen Ecken der Welt. Die Leute sind süchtig nach dieser Serie. Ich glaube, das bleibt auch noch länger so.”
Mein Teller ist leer, Zeit zu gehen. Als ich in mein Taxi springe, sehe ich, wie zwei Reisebusse vorfahren und Horden von Hardcore-Fans absetzen,die endlich den für sie magischen Ort sehen wollen: einen kleinen Pub in Nordirland.