Ein Kinderbuch über Kuchen und Sklaverei löst einen Aufschrei aus

Geburtstagstorten sind auf den ersten Blick absolut harmlos—wohlgemerkt auf den ersten Blick. Doch das kann auch anders sein. Nein, es geht nicht um makabere oder versaute Kuchen, sondern um politisch nicht korrektes Gebäck.

In den USA wurde kürzlich ein Kinderbilderbuch veröffentlich, in dem es eigentlich „nur” um die Geburtstagstorte von George Washington geht. Seine Sklaven, die für die Torte in der Küche schuften, werden im Buch allerdings als fröhliche und glückliche Diener dargestellt. Der Kinderbuchverlag Scholastic hat A Birthday Cake for George Washington am Sonntag aus dem Programm genommen, nachdem das Buch heftige Online-Diskussionen ausgelöst hat.

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In dem Kinderbuch wird die Geschichte von Hercules erzählt, George Washington’s Sklave und ein begnadeter Koch, wie er für den ersten Präsidenten der USA einen Kuchen bäckt. George Washington hatte seit seinem 11. Lebensjahr, Sklaven besessen. Als er starb, waren 318 Sklaven im Besitz der Familie Washington, von denen George in seinem letzten Willen einigen die Freiheit schenkte.

Der Verlag beschreibt das Buch so:

Alle sind ganz aufgeregt, denn der Präsident hat Geburtstag! Besonders die Bediensteten wuseln durch die Küche und wollen ihrem Herren das schönste Fest bereiten. Kuchen mag er ganz besonders und nur Hercules, sein Chefkoch, kann ihn backen. Hercules ist ein Sklave und sehr stolz darauf, die Geburtstagstorte des Präsidenten backen zu dürfen. Doch dieses Jahr gibt es ein Problem—es gibt keinen Zucker in der Küche!

Die Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht, wird aus der Perspektive von Delia, Hercules’ Tochter, erzählt. Vater und Tochter sind beide fest entschlossen und zielstrebig, obwohl die Realität alles andere als rosig ist: Egal, wie lecker der Kuchen für den Präsidenten wird, Delia und ihr Papa werden nie den süßen Duft der Freiheit riechen können.

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Das Buchcover

Auf Amazon hat das Buch unglaublich viele negative Rezensionen erhalten. Kritiker meinen, dass die Illustrationen und der fröhliche Unterton das Thema Sklaverei verharmlost und Kindern falsche Vorstellungen vermittelt. Außerdem ist man sich nicht einig, wie George Washington seine Sklaven tatsächlich behandelt hat: Einige meinen, dass er ein strengerer Sklavenhalter als alle anderen waren; andere wiederum sagen, dass er eher milde war. Hercules wurde wohl aufgrund seines Könnens anders behandelt, durfte nach Philadelphia reisen und trug bessere Kleidung. Außerdem wurde er vom berühmten Maler Gilbert Stuart porträtiert, was für einen Sklaven sehr ungewöhnlich war.

Das Buch wird weiterhin über Amazon verkauft. Derzeit ist es das meistverkaufteKinderbuch in der Kategorie „Multikulturelle Geschichten/Afro-amerikanische Themen”, auch wenn man es nur noch von Drittanbietern kaufen kann. Ein Verkäufer wollte 2.000 US-Dollar für ein Exemplar haben.

„In dem Buch geht es darum, wie Hercules, Delia und die anderen Sklaven einen Ersatz für Zucker suchen, um dann die Geburtstagstorte zu backen”, schreibt Kiera Parrot in einer Rezension des School Library Journal. „Die seitenübergreifenden Comic-Illustrationen von Vanessa Brantley-Newton und der sanfte Ton vermitteln ein eher fröhliches Gefühl, dass stark mit dem tatsächlichen Leben der Sklaven kontrastiert.”

Sie fügt außerdem hinzu: „Als George Washington Hercules zu seiner herausragenden Arbeit gratuliert, antwortet dieser: ,Es war mir eine Ehre, Sir.’”

Im Buch finden sich kleinere Hinweise, die eine Vorstellung des Leben als Sklave im 18. Jahrhundert vermitteln, und es wird auch erwähnt, dass Hercules später vor der Sklavenarbeit auf Washington’s Plantage in Virginia fliehen konnte. Aber diese Fakten bleiben eben nur Fußnoten und sind nicht Bestandteil des Handlungsverlaufs.

„Obwohl die Autorin und die Illustratorin sicherlich gute Absichten hatten, glauben wir nicht, dass dieses Buch in angemessener Art und Weise Informationen an Kinder vermittelt”, so der Verlag in einer offiziellen Erklärung.

Das Buch, veröffentlicht am 5. Januar, wurde von Ramin Ganeshram geschrieben und von Vanessa Brantley-Newton illustriert. Beide haben einen multikulturellen Hintergrund, so Associated Press. Ramin Ganeshram ist preisgekränte Journalistin und Köchin, hat bereits für die New York Times und Magazine wie Bon Appétit und Saveur geschrieben und ist in Fernseh-Kochshows aufgetreten. Vor allem schreibt sie über die Küche auf Trinidad und Tobago und die karibische und amerikanische Küche im Allgemeinen. Vanessa Brantley-Newton hat bereits vorher die Buchreihe Ruby and the Booker Boys illustriert, geschrieben von Andrea Davis Pinkley, der Gewinnern des Coretta Scott King Awards 2013 für afro-amerikanischeKinderliteratur.

In einem Post auf dem Children’s Book Council Diversity Blog wendet sich Ganeshram an ihre Kritiker und beruft sich auf ihre intensiven vierjährigen Recherchen:

„Er [Hercules] wurde für seine Fähigkeiten anerkannt; er wurde von Präsident George Washington respektiert und hat in Stolz und Würde gelebt”, schreibt Ganeshram. „Die Kontroverse um das Buch ist jedoch relativ oberflächlich. Alle fragen sich nur: Wie konnten sie jemals lächeln? Sie waren doch nur unglücklich! Wie könnten sie überhaupt stolz darauf sein, eine Torte für George Washington zu backen?”

„Es klingt komisch, und ja, auch ein bisschen verstörend, aber einige Sklaven hatten ein besseres Leben als andere. Sie hatten ,gute’ Beziehungen zu ihren Besitzern”, Ganeshram weiter. „Aber sie waren clever genug, sich diese ,Vorteile’ zunutze zu machen, um so ein besseres Leben führen zu können.”

Doch es überrascht nicht, das so etwas untergeht, wenn junge Leser nur Illustrationen sehen, die suggerieren, dass in George Washingtons Küche alles in bester Ordnung war. Auf change.org läuft derzeit eine Petition, damit Amazon das Buch aus dem Verkauf nimmt.

„Die Sklaverei sollte und kann nicht als etwas anderes dargestellt werden, als sie tatsächlich war: Jahrhundertelang wurden Menschen anderer Hautfarbe missbraucht, um die USA, wie wir sie heute kennen, aufzubauen”, heißt es in der Petition.

Einen ähnlichen Aufschrei gab es im letzten Jahr, als das Buch A Fine Dessert veröffentlicht wurde: Auch hier wurden in einem Kapitel glückliche Sklaven in der Küche gezeigt. „Dabei sieht man eine Sklavin und ihre Tochter, wie sie ein Dessert zubereiten und es ihren Besitzern servieren. Dann verstecken sie sich im Schrank und lecken die Reste aus der Schüssel. Auf einigen Bildern lächelt das kleine Mädchen fröhlich”, schrieb damals die New York Times.

Eines ist klar: Kinderbücher sollen die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegeln. Allerdings ist man sich nicht einig, wie man gerade auch die schwierige Geschichte der Vereinigten Staaten kindgerecht darstellen kann und soll.