Namen sollen ja prägen, wer wir sind. Aber ein Name kann auch ein Fluch sein. Ich bin im Kindergarten immer Benjamin Blümchen genannt worden, bis ich gesagt habe, dass ich alle auf den Mond schieße, wenn sie es noch einmal sagen. Lukas Wandl hat sich mutigerweise trotzdem dazu entschieden, Musik unter seinem Nachnamen zu veröffentlichen. Selber Schuld, jetzt sind Artikel über ihn eben mit “Im Wandl der Zeit” und anderen Schrecklichkeiten betitelt. Aber alles halb so wild, denn offensichtlich lässt er sich dadurch nicht beirren.
Veröffentlicht hat er aber schon lange bevor er nun endlich einen Langspieler (It’s All Good) sein Eigen nennen kann. Viele werden ihn von seiner Zusammenarbeit mit Crack Ignaz kennen, die sich mit Göd Life manifestiert hat – einem der spannendsten, österreichischen HipHop-Alben der letzten Jahre. Jetzt kehrt er mit It’s All Good Tho zurück zu seinen elektronischen Wurzeln, nachdem er in Hamburg Theatermusik geschrieben hat. Wandl ist einer der vielseitigsten Producer Österreichs und ist dabei erst 22 Jahre alt. Weil schon so viel in Interviews über ihn gesagt wurde, habe ich ihn zu seinen Interviews befragt. Auf einem Trampolin. Weil, warum nicht? (Keine Sorge, es geht auch um seine Einflüsse, wie seine Eltern auf seine sehr persönlichen Texte reagieren und einen Ulrich Seidl-Film.)
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Noisey: Gibst du eigentlich gerne Interviews?
Wandl: Joa. Kommt drauf an, ich hab echt schon weirde Interviews gehabt. Da war mal ein Dude, voll nervös. Er stellt mir eine Frage und ich fang an zu reden und er verzieht keine Miene und schaut ins Narrenkastl. Mich hat das so irritiert. Er hat auf nichts reagiert, nicht gelacht oder irgendwas.
Ich glaube, “Im Wandl der Zeit” hab ich jetzt schon zwei- oder dreimal gelesen, wie viele solcher Wortwitze sind dir schon untergekommen?
Einige. Es ist zu naheliegend einfach. Aber ich krieg auch immer wieder lustige Snapchats von Vorlesungen und so. Da gab’s mal eine Überschrift bei einer Power Point-Präsentation: “Die ganz Großen kämpfen mit dem Wandl.” Das freut mich dann schon.
Welche Standardfragen kommen jedes Mal, bei denen du schon deine Routineantwort hast?
Gibt’s auch einige. “Wie bist du dazu gekommen?”, “Kommst du aus einer musikalischen Familie?”. Solche Sachen. Nach den Einflüssen fragen sie gar nicht so oft zum Beispiel. Wenige Leute fragen nach konkreten Inspirationen.
Und gibt’s bei dir Einflüsse, die du konkret nennen kannst?
Ja schon, ich glaub, wenn man es weiß, dann hört man das auf jeden Fall raus. So Lil Ugly Mane, Jeremiah Jae vom Produzieren her. Bei der Drumästhetik am neuen Album – gerade bei “Window Color” – ist mir aufgefallen, dass ich zu der Zeit viel Hudson Mohawke gehört habe und mich das beeinflusst hat. Aber das ist oft gar nicht so bewusst.
In einem Interview hast du Tibor Foco als Einfluss erwähnt. Der heißt ja jetzt Kroko Jack. Ich fand’s interessant, dass du von seinen 1000 Namen genau den ausgewählt hast.
Ja fix. Marquee, Tibor Foco … Ich hab ihn auf der Bilderbuch-Aftershow in der Arena kennengelernt und mich so gefreut. Leider bin ich fürs Konzert zu spät gekommen, aber wir haben uns am Klo getroffen. Er ist so am Pissoir gestanden und ich hab ihn angelabert von hinten. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt hab, aber wir labern so eine Viertelstunde und er fragt mich, wie ich heiß. Und er dann so: “Ohh naa, der Wandl! Die Sachen mit Crack Ignaz sind so geil!”. Das hat mich schon umgehauen, dass er auch Fan ist, anscheinend.
Wie gehst du damit um, wenn der Interviewer anfängt, dich in den Himmel zu loben?
Man kann halt schwer darauf reagieren. Es gibt schon komische Situationen. Wenn einer sagt, dass es ihn so berührt hat, dann sag ich tausendmal danke und steh dann da und weiß nicht, was ich sagen soll. Dann frag ich meistens, was sein Lieblingstrack ist oder so.
Ähnlich awkward stell ich mir bei manchen Leuten die Frage nach deinen Texten vor. Es geht ja um sehr persönliche Themen auf deinem neuen Album. Wie gehen die damit um?
Ich weiß eh, wo für mich da die Grenze ist und wie viele persönliche Sachen ich erzählen will. Natürlich fragen sie dann Sachen, die sie einfach dem Pressetext entnehmen. “‘Fever’ behandelt ja Selbstzweifel. Wie viele Selbstzweifel hast du selber?” und so weiter. Mir ist schon aufgefallen, dass aber Männer dabei nicht so emotional sein wollen. Das merkt man auch bei Interviews.
Warum denkst du, dass Männer weniger gut mit emotionalen Themen umgehen können?
Wegen der Gesellschaft. Es wird schon viel besser und offener, aber ich hab schon das Gefühl, als emotionaler Mann muss man sich das schon noch erkämpfen.
Wie reagieren deine Eltern auf deine Texte?
Es hat schon Gespräche darüber gegeben. Sie wissen ja, dass ich oft traurige Phasen hab und sehr viel allein und kreativ bin. Es taugt ihnen natürlich nicht, wenn sie wissen, dass es mir schlecht geht.
Ist es für dich deswegen eine Überwindung, solche Texte zu schreiben?
Früher habe ich mich schon noch selber ein bisschen zensiert bei den Texten. Durch einen Alias von mir habe ich dann alles, was mir durch den Kopf gegangen ist, rausgelassen. Politisch komplett unkorrekt. Und da hab ich gemerkt, dass man sich als Künstler alles erlauben muss. Oft merkt man gar nicht, wie man sich selber zensiert.
Das ist wahrscheinlich die dümmste Frage, die du von mir hören wirst: Hast du eine Lieblingsfrage, die du gerne beantwortest?
Ich glaube, die ist noch nicht gestellt worden. Aber über was red ich gern? Nicht über mich selber und über Musik eigentlich. Am liebsten würd ich über Essen und Filme und solche Sachen reden.
VICE hat Ulrich Seidl getroffen:
Jetzt ist deine Chance. Was isst du gerne beim Filmschauen?
Snickers und vorher Nachos. Doritos.
Welcher Dip?
Kein Dip.
Kein Dip?!
Ja, wenn, dann Guacamole. Safari hab ich mir letztens angesehen vom Seidl. Da geht’s um Österreicher, die in den Urlaub fahren, um zu jagen. Es wird von vorne bis hinten alles gezeigt. Die Spannung bei der Jagd, wo man dann auch wirklich die Faszination checkt. Man sieht dann auch wie ein Zebra und eine Giraffe gehäutet werden. Extrem befremdlich.
“Ich kann mir vorstellen, dass es Phasen geben wird, in denen ich mit meiner Musik nicht so viele Leute ansprechen werde.”
Klingt sehr fordernd als Zuseher.
Ja, aber das sind gerade die Sachen, die dir im Gedächtnis bleiben und über die man sich dann Gedanken macht.
Würdest du jagen gehen?
Nein. Never. Es ist eh ein bisschen verlogen, weil ich auch Fleisch esse, aber selber würde ich nichts erlegen. Ich hab zwar zum Beispiel extreme Spinnenphobie, töte aber keine einzige Spinne. Ich geb sie immer in ein Glas und renn schreiend zum Fenster und entlass sie in die Freiheit.
Deine letzten Releases klingen alle sehr unterschiedlich. Denkst du, dass es schwierig fürs Image und damit für deine Fans ist, wenn du dich ständig änderst (muss … widerstehen … “wandlst” zu sagen).
Ich kann mir vorstellen, dass es Phasen geben wird, in denen ich mit meiner Musik nicht so viele Leute ansprechen werde. Wenn ich in die Zukunft schaue, denk ich mir, dass ich noch viel krassere Sachen machen möchte. Viel abgedrehteres Zeug und ich will mich nicht selber einschränken und da kann ich mir vorstellen, dass es irgendwann nicht mehr sehr zugänglich wird.
Aber es stresst dich nicht, dass du dabei vielleicht Fans deiner bisherigen Musik verlieren könntest?
Ich hoffe, dass es mich dann nicht stresst. Aber ja, ich bin jetzt mal sehr zuversichtlich für meinem Album.
Mit Affine hast du ja sowieso das beste Umfeld.
Ja, echt. Es ist so ein Traum-Umfeld. Der Jamal, mein Manager und Labelchef, hält echt mein Leben zusammen gerade. Ich bin in letzter Zeit sehr unorganisiert und verplant. Im Musikbusiness ist es echt schwer, loyale Leute zu finden. Ich hab auch schon sehr ungute Erfahrungen gemacht. Es gibt auch so gewisse Promoter in Wien – ich denke da jetzt an einen speziell, der hat einen befreundeten Künstler bei seiner ersten Show in Wien die versprochene Gage von 200 Euro einfach nicht ausbezahlt. Das sieht man von außen so nicht, aber im Business ist alles sehr scheinfreundschaftlich teilweise. Es ist ein Schulterklopfer-Business. Aber wenn’s dann um Kohle und Arbeit geht, gibt es schon sehr schwindlige Leute.
Wirst du schon öfter auf Cid Rim und Dorian Concept angesprochen oder überwiegen noch die Crack Ignaz-Fragen?
Ignaz kommt immer natürlich.
Nervt das schon?
Nein, gar nicht. Ich bin ja selber Fan. Er ist momentan einer der spannendsten Figuren im HipHop.
Du hast ja eh auch mal gerappt oder?
Ja auch nach wie vor. Aber unter einem Alias. Mittlerweile verschick ichs nur noch über Whatsapp an Freunde. Das sind dann so kurze Musikvideos mit Gangster-Rap.
Freu mich jedenfalls jetzt schon auf dein nächstes Projekt! *springt davon*
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