Die Schweizer Künstler-Gilde macht mobil gegen die No-Billag-Initiative: Rund 5.000 bekannte Gesichter aus der Musik-, Film-, Theater-, Literatur- Kunst- und Comedy-Branche nehmen mit der Kampagne “No Billag, No Culture” Stellung gegen die Abschaffung der Rundfunkgebühren.
Das passt den Köpfen hinter der No-Billag-Initiative wenig überraschend nicht in den Kram. Mitinitiant Andreas Kleeb lässt gegenüber der Aargauer Zeitung Dampf ab: “Künstler hängen am Gebührentopf wie Drogenabhängige an der Nadel”, sagt er, “dies zeigt allerdings bloss, dass das System der Subventionen durch Zwangsgebühren krank macht.” Kunstschaffende mit Junkies zu vergleichen, ist ja schon absurd genug. Auch wenn Kleeb mit grosser Wahrscheinlichkeit aus populistischem Kalkül agiert, gibt er vor, keinen Plan davon zu haben, was die Rundfunkgebühren Schweizer Künstler eigentlich bringen. Damit er das nächste Mal vielleicht etwas differenzierter argumentieren kann, hier ein paar Punkte, warum die SRG so wichtig für nationale Musikerinnen und Musiker ist.
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20 Prozent > 9 Prozent Schweizer Musik
Die SRG, insbesondere ihre Radiosender, spielen so viel Schweizer Musik wie keine anderen Sender. Laut einer Erhebung der SUISA aus dem Juni 2017 besteht das Programm der SRG-Radiosender durchschnittlich aus 20 Prozent Schweizer Songs – Privatradios kommen gerade mal auf durchschnittlich 9 Prozent. Das heisst, dass Schweizer dank der SRG nicht nur mehr Hörer finden, sondern auch mehr Geld verdienen.
Cash rules everything around Music
Die SRG macht 2016 mit rund 32 Millionen Franken fast die Hälfte der Einnahmen der SUISA aus, die Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik. Dieses Geld fliesst direkt in die Tantiemen der Musiker ein – Schweizer Künstler verdienen so fast zwei Drittel ihrer Tantieme durch die SRG. In Zeiten, in denen die Einnahmen durch Musikverkäufe (CDs, Downloads, Streams) 73 Prozent weniger als vor 20 Jahren betragen, sind die Tantiemen durch die SRG essentiell für das Einkommen von Schweizer Künstlern geworden. “Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass sämtliche Schweizer Musik ohne von der Billag geförderte nationale und regionale Radio- und Fernsehstationen nicht möglich wäre”, sagen etwa Dabu Fantastic bei “No Billag, No Culture”.
Cash ist trotzdem nicht alles
Die SRG ist nicht nur eine wichtige Einnahmequelle für Schweizer Musiker: Sie ist auch eine Förderplattform. Mit “Best Talent” gibt Radio SRF 3 jedes Jahr einem Newcomer die Möglichkeit, am Swiss Music Award unabhängig von Verkäufen abzuräumen. “8×15” ist eine wichtige Showcase-Plattform, bringt acht Künstler an eine Konzertnacht, überträgt die Shows im TV, im Radio und online. Die SRF Virus “Bounce Cypher” ist einer der wichtigsten HipHop-Events des Jahres. Und vergessen wir nicht alle Volksmusik-Formate, wie zum Beispiel “Potzmusig” – um noch etwas zu nennen, was Kleeb wahrscheinlich mehr interessiert.
Immer auf die kleinen (Radios)
Was immer gerne ausgelassen wird in der Billag-Debatte: Mit der Abschaffung der Rundfunkgebühren würden auch viele Lokalradios existenzielle Subventionen verlieren – mitunter Radio Cité, Radio RaBe, Kanal K, 3fach, Radio X, LoRa, Radio RaSa, Radio Stadtfilter und toxic fm. Damit würde die Schweiz viel musikalische und inhaltliche Diversität auf den Funkwellen verlieren. Oder wie es UNIKOM-Verbandspräsident (Die Union nicht-kommerzorientierter Lokalradios) Lukas Weiss sagt: “Ein Nein zu No-Billag ist auch eine Anerkennung der über 30-jährigen Arbeit Tausender von freiwilligen Sendungsmachenden in der ganzen Schweiz.”
Diese Drogen
No-Billag-Mitinitiant Andreas Kleebs Vergleich zwischen Kunstschaffenden und Heroinabhängigen ist eigentlich nicht nur absurd und stupide, er ist auch noch frech: Als wären Künstler süchtig nach Geld. Als müssten Künstler nicht auch irgendwie ihre Miete bezahlen. Als würde die Kunst nur entstehen, um über Gebühren die Allgemeinheit auszurauben. Wenn dem so wäre, würde jetzt jeder ein Volksmusik-Album aufnehmen – um so wie Gölä mit Urchig dem Grosi das Geld aus der Tasche zu ziehen. Was wohl ohne SRG aus Gölä geworden wäre?