Ein paar Worte zu Andreas Gabaliers verlorener Klage

Als ich letztes Jahr im Zuge des Wahlkampfes einen kurzen Text über Andreas Gabaliers – sagen wir einmal “streng riechende” – Einstellungen geschrieben habe, gelangte dieser über mysteriöse Umwege in die Hände eines Gabalier-Fanclubs. In Folge erlebte ich meinen ersten Mini-Shitstorm, der mich allerdings mehr amüsiert als mir den Schlaf geraubt hat. Ein Heer von Fans des Volx-Rock’n’Rollers stürzte sich auf mein harmloses Textchen und attestierte mir “Neid” und “Missgunst” auf den großen Erfolg des Schlagerstars, gepaart mit den üblichen Beschimpfungen, weil ich nicht selbstredend in seinem Fahrwasser mitschwamm.

Nun, ich muss ganz ehrlich – wirklich ganz, ganz ehrlich – betonen, dass Neid das letzte Argument war, warum ich dies damals geschrieben hatte. Es ging mir vielmehr darum, dass Andreas Gabalier tatsächlich zu einer Art Volksheld mutierte. Ähnlich wie es Helene Fischer in Deutschland für die Schlagergeneration ist, Marke “meine Omi”. Das ist per se nichts Schlechtes und er hat dafür wohl auch – behauptet seine riesige Fanblase – hart gearbeitet.

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Wenn es deine Lieder schaffen, zu derartig oft gehörten und verkauften Ohrwürmern zu werden und du ein Olympiastadion in München ausverkaufst, dann ist das eine unbestrittene Leistung und – auch wenn mir die Musik nicht gefällt – ein unbestrittenes Faktum. Es muss natürlich nicht jeder Musikliebhaber elektronische Musik oder Indie hören – jede Generation darf ihre Helden haben. Es gab ja auch schon davor die honorigen Lichtgestalten Udo Jürgens oder Peter Alexander, ja selbst Hansi Hinterseer schlenderte in seinen Fellstiefeln durch ausverkaufte Hallen und blieb dabei durchaus selbstironisch.


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Aber wenn man schon eine derartige Vorbildrolle inne hat, dann stellt sich für mich die Frage, weshalb man ständig auf ein derart rückständig konservatives Weltbild zurückgreifen muss. Ich habe das Gefühl, der Mann solidarisiert sich bewusst mit all den Spießern des Landes, um nur ja einen Gegenpol zum Zeitgeist zu bilden. Darum sinniert er permanent über “Werte” und – für alle wohl unvergessen – er negiert noch immer beharrlich den Töchter-Part in der Bundeshymne.

Das sind Meinungen – krude zwar, aber sie könnten uns am Gesäß vorbeigehen, wenn da nicht dann im Gegenzug auch die ständig beleidigte Leberwurst Gabalier wäre, die es förmlich nicht ertragen kann, nicht auch von der echten Kultur anerkannt zu werden. Samt ultranervöser Erregungsblase in seinen Fanforen.

Doch eben auf diesem Parkett hat er dieser Tage im Streit mit dem Wiener Konzerthaus und dessen Chef Matthias Naske bereits zum zweiten Mal verloren. Das Oberlandesgericht hat nun nämlich als zweite Instanz in der Klage wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung entschieden – und das Urteil des Handelsgerichts Wien bestätigt, also dem Konzerthauschef Recht gegeben: Andreas Gabalier verlor den Rechtsstreit mit Pauken und Trompeten. Wir erinnern uns: Konzerthauschef Naske hatte nämlich in der Vergangenheit in einem Interview sinngemäß gemeint, es sei ein Fehler gewesen, dass der Wiener Musikverein Gabalier habe auftreten lassen: Er, stellvertretend für das Konzerthaus, hätte das nicht gemacht – aufgrund der fatalen Signalwirkung nach außen. Man müsse schließlich wissen, wer Gabalier sei und wofür er stehe und das Konzerthaus wolle keiner Ideologie zu Diensten sein. Das war nicht immer so, wie wir aus der Geschichte wissen.


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Der Schritt war mutig und hatte natürlich ebenfalls Empörung der Gabalier-Fans zur Folge. Auch hier versammelten sich wieder rechts-rüstige Pensionisten in zerfleischenden Postingwellen, um gegen die Wiener Kulturschickeria ins Feld zu ziehen. Schließlich war Andreas Gabalier als erstem österreichischen Musiker die Ehre zu Teil geworden, eine MTV Unplugged-Session (eben im Konzerthaus) abzuhalten. Damals war der Jubelschrei natürlich auf deren Seite umso größer gewesen. Umgekehrt hielt sich das Verständnis der Kulturschaffenden des Landes natürlich in Grenzen. Doch blieb man zumeist auf sachlicher Diskursebene.

Und es wäre ja schon längst wieder viel Wasser die Donau hinabgeflossen und man hätte sich auf wichtigere Themen stürzen können, doch die Hartnäckigkeit, mit der Gabalier nun seine Ehre (vor dem Gericht) beleidigt sieht, grenzt schon an unreflektierte Wehleidigkeit. Es muss einer Gegenseite auch erlaubt sein, nicht alles toll zu finden, was dieser Mann sagt, singt oder spielt. Vor allem nicht das toll zu finden, was er damit meint und anrichtet. Seine Fans kann man sich nicht aussuchen (siehe auch Carl Cox beim Hypnotic).

Keiner wartet und ölt die rückwärts-gewandte Einstellung seiner Fans so sehr wie der durchtrainierte Schlager und Rockstar selbst, dessen Gagen bald mit jenen von David Guetta mithalten können. Ob er dann nicht irgendwann einmal den Zugang zu seinen “einfachen” Fans verliert? Denn er präsentiert sich ja gern, als “einer von euch”.

Nun wäre der Oberste Gerichtshof der letzte Ausweg. Allerdings per außerordentlicher Rechtsmittel, denn eine “bedeutende Rechtsfrage” ist diese Causa gemäß Oberlandesgericht nicht mehr. Ach, wirklich? Als wolle er es erzwingen, auch in den größten Musiktheatern des Landes gespielt werden zu dürfen, gleich nach Mozart und Bruckner. Andi, heul doch. Füll weiter die Stadien, aber bleib der Kulturschickeria und Hautevolee fern. Oder noch besser: Lern Latein, denn hier gibt es das Sprichwort: “Si tacuisses, philosophus mansisses” und nimm dir ein Beispiel an Helene und den großen Entertainern, dann versöhnst du dich vielleicht mit 50 noch mit der Welt.

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