Kaum eine Spezies ist so gut darin, sich Dinge nicht selbst zu besorgen wie der Mensch. Wir lassen uns liefern, was lieferbar ist und bewegen uns gerne wenig, wenn wir es nicht unbedingt müssen. Wer trotzdem das Verlangen nach sehr viel Bewegung und körperlicher Anstrengung hat, der kann sich auf ein Fahrrad setzen und den ganzen Tag Leute beliefern.
Sebastian Schachinger macht das gerne – bei Sonne und angenehmen Temperaturen genauso wie bei Regen und Minustemperaturen. Bis zu 50 Kilometer am Tag legt er mit Sushi oder Curry im Rucksack zurück, damit wir nicht aus dem Haus müssen. Wenn er sich auf sein Fahrrad schwingt, gibt es nur noch eines: Vollgas vom Restaurant zum Kunden.
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VICE: Wie viel Geld verdienst du?
Sebastian: Bis jetzt habe ich einmal 200 Franken und einmal 600 Franken verdient. Es kommt immer darauf an, wie viele Schichten ich übernehmen kann. Pro Tag gibt es zwei Schichten. In der Mittagsschicht verdiene ich 25 Franken Brutto pro Stunde und in der Abendschicht 20. Mittags wird mehr mit Karte gezahlt, in der Regel gibt es darum weniger Trinkgeld. Ausserdem ist die Abendschicht länger.
Wie kannst du mit so wenig Geld überleben?
Ich studiere post-industrielles Design am Hyperwerk in Basel. Durch die Freiheiten in meinem Studium habe ich viel Zeit, um nebenbei zu arbeiten. Ich arbeite noch in zwei Bars für 22 Franken in der Stunde und verdiene mir als Freelancer in der visuellen Kommunikation etwas dazu. Bei meinen Freelance-Jobs variiert mein Einkommen stark.
Findest du deinen Lohn gerecht?
Über ein paar Franken mehr pro Stunde würde ich mich schon freuen. Im Gegensatz zu gleich bezahlten Jobs leisten wir wesentlich mehr – und das auf dem Fahrrad. Bei jeder Witterung. Wenigstens gibt es bei Regen immer einen Regenkuchen für alle.
Wie wohnst du?
Ich wohne mit zwölf anderen Leuten in einem grossen Haus mit drei Stockwerken. Für mein Zimmer bezahle ich 470 Franken im Monat. Das ist sehr wenig, wenn du die Mieten in Basel anschaust. Zur WG bin ich durch die Studentische Wohnvermittlung gekommen.
Welche Fixkosten hast du?
Die Miete, mein Handy für 30 bis 50 Franken im Monat und die Krankenkasse. Dazu kommen noch Gebühren wie die Billag, Semestergebühren und verschiedene Abos wie zum Beispiel mein Apple Music oder die Adobe Creative Cloud. Früher hatte ich ein Abo für den ÖV, seit ich aber nur noch mit dem Fahrrad unterwegs bin, konnte ich das von der Fixkosten-Liste streichen.
Wie viel gibst du für Essen aus?
Sehr viel. Wenn ich draussen Mittag esse, sind das vielleicht zwölf Franken pro Essen. Ich stehe nicht sehr früh auf wenn ich nicht muss. Bei Abendschichten bestellen sich meistens alle von der Schicht kurz vor Feierabend selbst etwas. Einer holt das dann ab und wir essen zusammen in der Zentrale. Ein paar Prozente Rabatt haben wir aufs Essen, also kann ich auch hier ein bisschen sparen.
Wie oft bekommst du Trinkgeld und wie viel?
Das variiert. Bei Barzahlungen bekomme ich meistens zwischen zwei und fünf Franken und manchmal auch zehn Franken. Kollegen haben auch schon von 20 Franken Trinkgeld erzählt. Aber nicht bei Kartenzahlungen, da gibt es meistens nichts.
Wie viel hat deine Fahrradausrüstung gekostet?
Alles in allem etwa 2.000 Franken. Ich baue mir meine Fahrräder immer aus Einzelteilen zusammen. Momentan habe ich ein relativ günstiges. Zum Fahrrad kommen aber noch Kleidung und Schuhe. In mein letztes Fahrrad habe ich sehr viel investiert, doch leider hat mir das jemand geklaut.
Musst du Reparaturen selbst bezahlen?
Ja, und das sind wiederkehrende Kosten für Schläuche, Pneus und anderes. Da wir bei uns die Ersatzteile zu einem besseren Preis bekommen, geht das ganz in Ordnung. Gerade gestern habe ich mir wieder einen Platten geholt, den ich reparieren musste. Das gehört aber dazu und jeder Kurier pflegt sein Fahrrad gerne.
Für was gibst du neben dem Fahrrad gerne viel Geld aus?
Klamotten und Kamera-Equipment. Meine Leidenschaft ist es, analog zu fotografieren. Ich habe eigentlich immer eine Kamera dabei, die Fotos entwickle ich in meiner eigenen Dunkelkammer im Keller. Ich habe gerne Mode und kaufe mir auch immer wieder ein zu teueres Teil.
Was ist dein täglicher Luxus?
Dass ich mache, was ich will – auch Arbeitstechnisch. Ich liebe es, Fahrrad zu fahren und bin gerne Kurier. Luxus hat für mich nicht zwingend mit Geld zu tun, sondern ist eher ein Gefühl.
Hast du Schulden oder schuldet dir jemand Geld?
Ich schulde meiner Bank ein bisschen Geld wegen meiner Kreditkarte. Andere Schulden habe ich nicht. Hoffentlich schuldet mir noch jemand Geld – aber das müsste ich erst nachschauen.
Sparst du im Moment für etwas?
Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben gespart. Ich lebe lieber im Moment und denke nicht oft an Geld. Wenn ich es habe, gebe ich es aus. Wenn ich keines mehr habe, ist das auch nicht so schlimm. Geld kommt und geht.
Was würdest du aus deiner brennenden Wohnung retten?
Meine Negativ-Sammlung müsste unbedingt mit. In drei Ordnern bewahre ich etwa 100 Filme auf. Das kann mir keine Versicherung der Welt ersetzen. Meinen Laptop und die Festplatte nehme ich auch gleich mit. Brennt es aber richtig und mein Leben ist in Gefahr, würde ich auf jeden Fall abhauen, ohne an Materielles zu denken.