Eine ganz normale Woche in Deutschland

Überall auf der Welt wüten gewaltsame Konflikte, aber Deutschland geht es gut. Um den Konflikten zu entkommen und sich ein neues Leben aufzubauen, machen sich deshalb immer mehr Menschen auf den Weg hierher.

Gleichzeitig nimmt in Deutschland das Misstrauen gegenüber Fremden wieder zu. Der Aufstieg von Bewegungen wie Pegida sorgt dann wiederum dafür, dass sich immer mehr Menschen ermutigt fühlen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Seit Anfang 2014 steigt die Zahl fremdenfeindlicher Gewalttaten stark an. In den letzten 15 Monaten ist in Deutschland keine Woche vergangen, in der nicht irgendeine Art Angriff passiert ist. Was folgt, sind ein paar Nachrichten aus den letzten sieben Tagen. Willkommen auf der dunklen Seite der Willkommenskultur.

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Im Taunus wurde auf ein Flüchtlingsheim geschossen

Der Taunus in Hessen ist eher für seine hohe Porsche-Dichte als als rechte Hochburg bekannt (die meisten Flüchtlinge haben ja auch Gott sei Dank keine Porsches). Aber am Samstag schaffte es das Örtchen Hofheim in die Schlagzeilen, als jemand neunmal mit einer Druckluftwaffe auf das Fenster eines Flüchtlingsheims schoss.

Offenbar ging es dabei mehr darum, die 22 Bewohner des Heims einzuschüchtern. Die unbekannten Täter schossen mit dem Luftgewehr neunmal auf dasselbe Fenster, ohne dass die kleinen Bleikugeln das Glas durchschlugen.

Die Polizei ermittelt jetzt in Neonazi-Kreisen, da in der Woche vor dem Angriff mehrere Aufkleber mit rechtsradikalen Slogans („Refugees not welcome”) am Heim gefunden worden waren.

In Wuppertal interessieren sich Neonazis ebenfalls für Flüchtlingsheime: Mitglieder der Partei „Die Rechte” verschafften sich offenbar mit Hilfe des Hausmeisters Zugang zu einem Heim, um dort Fotos zu machen und sie später auf ihrer Webseite zu veröffentlichen. Das Gleiche war vor zwei Wochen schon in Bochum passiert.

Betroffenheit über 400 im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge hält sich in Grenzen

Archivbild eines verunglückten Flüchtlingsschiffs vor Lampedusa. Foto: imago/Joker

Vor der libyschen Küste sind offenbar über 400 Flüchtlinge ertrunken. Das berichteten die Überlebenden eines Bootsunglücks, von denen knapp 150 gerettet werden konnten. Laut der taz hat die italienische Küstenwache gerade alle Hände voll mit Flüchtlingen in Seenot zu tun: Allein seit Freitag seien 8500 Menschen von der Küstenwache und Frontex aufgenommen und in Italien an Land gebracht worden.

Anders als beim Absturz der Germanwings-Maschine musste die Presse in diesem Fall keine tagelange Ursachenforschung anstellen, um zum Beispiel zu erklären, warum sich täglich Hunderte Menschen in akute Lebensgefahr begeben, um nach Europa zu kommen. Sind halt Flüchtlinge, weiß ja jeder. Die Bundesregierung hatte immerhin schnell einen Schuldigen parat:

„Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, klar sei, „dass jeder tote Flüchtling auf dem Mittelmeer einer zuviel ist”. Die Länder, aus denen die Flüchtlinge aufbrechen, müssten die Schlepper-Kriminalität besser bekämpfen. Den afrikanischen Heimatländern müsse geholfen werden, damit die Menschen eine Perspektive zum Bleiben haben.” – N-TV

Bingo. Die Schlepperkriminalität muss besser bekämpft werden, und zwar von den Ländern, aus denen die Flüchtlinge aufbrechen.

Das ist ungefähr so aufrichtig, als würde man dreilagigen NATO-Draht um sein Grundstück ziehen—und wenn dann das Nachbargrundstück brennt und die Nachbarn versuchen, trotzdem über den Zaun zu klettern, gibt man den Leuten die Schuld, die Decken über den Stacheldraht werfen, weil die Decken manchmal zu dünn sind und die verzweifelten Nachbarn im Draht verbluten. Statt sich damit auseinanderzusetzen, dass man selbst den Zaun gebaut hat, der dieses Elend überhaupt erst nötig macht.

Übrigens: Um darauf hinzuweisen, wie selektiv unsere Trauerbereitschaft ist, haben die blogrebellen eine fiktive Bild-Startseite gebastelt, inspiriert von der Germanwings-Aufregung. Die taz hat sich tatsächlich dafür entschieden, den Ertrunkenen die ganze Titelseite zu widmen. Die anderen großen Zeitungen fanden relevanter, dass Jürgen Klopp bei Dortmund aufhört.

Nikolaus Fest bezeichnet „Fremdenfeindlichkeit” als „gesellschaftliche Pflicht”

Nikolaus Fest. Foto: imago/Hoffmann

Nikolaus Fest ist der Typ, der als stellvertretender Chefredakteur der Bild den Islam als „Integrationshindernis” bezeichnet und dazu aufgerufen hatte, das bei „Asyl und Zuwanderung ausdrücklich” zu berücksichtigen. In der Folge widersprach ihm sein Chef Kai Diekmann in derselben Zeitung, und wenig später verließ Fest die Bild.

Offenbar hat die Arbeitspause Fest nicht wirklich gut getan: Letzten Donnerstag gab er der neurechten „Jungen Freiheit” ein Interview, in dem er noch ein paar Weisheiten über den Islam zum Besten gab („Der Islam bedroht alles, wofür unser Gemeinwesen steht: Freiheitsrechte, Individualismus, Gleichberechtigung”). Und er erklärte Rassismus zur Landesverteidigung:

„Tatsächlich ist Islamkritik so wenig fremdenfeindlich wie die Varusschlacht oder der Kampf der Azteken gegen die Spanier. Im Gegenteil: Wenn das Fremde unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht, dann wird ‚Fremdenfeindlichkeit’ zur gesellschaftlichen Pflicht.” – Junge Freiheit

Großes Tennis, Herr Fest. Der Vergleich setzt muslimische Einwanderer in unserem Land (die ersten davon waren übrigens Türken, die als „Gastarbeiter” hergebeten wurden) mit einer Kolonial-Armee auf Eroberungsfeldzug gleich und legitimiert damit im Grunde den bewaffneten Kampf gegen alle Muslime. Mit der rhetorischen Gabe kann es sich nur noch um Tage handeln, bevor man den entsicherten Publizisten auf dem Pegida-LKW wieder sieht.

Im Ruhrpott hat jemand versucht, eine Moschee anzuzünden

Ein unbekannter Täter hat in der Nacht zum Dienstag versucht, eine Moschee in Witten in Brand zu setzen. Auf einem Überwachungsvideo kann man sehen, wie der Mann eine Flüssigkeit auf den Teppich gießt und in Brand setzt. Das Feuer erlosch aber später von selbst. Der Täter war durch ein aufgehebeltes Fenster eingestiegen und wird jetzt polizeilich gesucht.

In Leipzig hat jemand einem syrischen Flüchtling grundlos in den Hals geschossen

Symbolbild. Foto: imago/Russian Look

In der Nacht zum Sonntag wurde ein junger syrischen Flüchtling vor einem Supermarkt angegriffen, zusammengeschlagen und schließlich angeschossen. Laut Aussagen des Opfers sei er auf eine Gruppe von drei bis vier unbekannten Männern getroffen, die sich auf Deutsch unterhielten, die ihn dann angegriffen hätten.

Unklar ist noch, welche Art Waffe benutzt wurde (die taz erwähnt die Möglichkeit einer Softair-Pistole). In jedem Fall blieb das Projektil sehr nah an der Halsschlagader stecken, weshalb der 20-Jährige in akuter Lebensgefahr schwebte. Mittlerweile ist sein Zustand „kritisch, aber stabil”. Am Dienstagabend demonstrierten knapp 200 Menschen für das Opfer und forderten von der Polizei, einen rassistischen Hintergrund für die Tat bei den Ermittlungen zu berücksichtigen.

Schönes Wochenende!