Das wird dich diesen Ramadan am meisten nerven

Illustration von Ella Strickland de Souza

Der Ramadan, der heilige Monat der Muslime, hat letzte Woche angefangen. Wenn du Muslim oder Muslima bist, dann weißt du das schon, denn der Ramadan ist eine große Sache—ein bisschen wie die Olympiade, nur dass er jedes Jahr vorkommt und sich ums Beten dreht und nicht darum, Fachwissen zum professionellen Speerwurf vorzutäuschen. Wenn du nicht muslimisch bist, aber hier und da eine Ahnung hast, was in der Welt vorgeht, dann kennst du den Ramadan wahrscheinlich auch.

Da ich selbst Muslim bin und den Ramadan achte, bin ich es gewöhnt, viele Artikel darüber zu lesen, welche spirituellen Vorteile der Ramadan bringt, und Kolumnen von wohlmeinenden Nicht-Muslimen zu sehen, in denen sie den Monat preisen und loben. Und absolut jedes Jahr gibt es mindestens eine Geschichte darüber, wie Muslime es schaffen, in Ländern zu fasten, in denen die Sonne niemals untergeht (da es unter anderem zum Ramadan gehört, vor Sonnenuntergang weder Wasser noch Essen zu sich zu nehmen).

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Zwar wäre es wirklich super, die nächsten 30 Tage in Mekka zu verbringen, religiöse Schriften zu lesen, über Spiritualität nachzudenken und frisch zubereitete Falafel zu essen, sobald die Sonne vom Himmel ist, aber so sieht die Realität unzähliger Muslime nicht aus. Viel wahrscheinlicher sind wir an unseren Schreibtisch gefesselt, warten auf Zugang zu irgendeinem scheiß Google Doc und versuchen, nicht an Pizza zu denken.

Für euch, meine Freunde, eine Zusammenfassung der alltäglichen Erfahrungen, die wir während des heiligen Monats so machen.

“Nicht mal Wasser?”

Folgende Situation: Es ist der erste Tag des Ramadan. Du sitzt an deinem Schreibtisch und verschwendest Zeit, die zu dir später verzweifelt zurück wünschen wirst. Eine Ausgabe irgendeiner Boulevard-Zeitung liegt neben dir, und eine der Schlagzeilen lautet: “Wie Muslime es schaffen, in Ländern zu fasten, in denen die Sonne nie untergeht”.

Dein Kollege Nils nähert sich dir und fragt, was es mit diesem ganzen “Ramdayan”-Ding auf sich hat. Irritiert holst du aus und erklärst das Ganze: die Geschichte dahinter, die spirituelle Reinigung, das einmonatige Fasten (während des Tages). “Nicht mal Wasser??”, wird er sagen, Augen und Mund gleichermaßen aufgerissen, als hättest du ihm gerade den schlimmsten Game of Thrones-Spoiler aller Game of Thrones-Spoiler vor den neugierigen Latz geknallt. “Scheiße Mann, stirbst du nicht, wenn du das durchziehst?”

Du erklärst ihm, dass das nicht passieren wird—dass die Millionen Muslime, die regelmäßig den Ramadan überleben, eigentlich Beweis genug sein dürften, und dass eine dehydrierte Person immer noch ihr Fasten unterbrechen kann. “Ich weiß nicht, ob ich das könnte, Mann—ich hoff’ mal, dein Gott belohnt dich dafür auch ordentlich.”

Ramadan-Bros sind die schlimmsten Menschen auf Erden

Nach einem langen Tag ohne Koffein gehst du in die Moschee. Du fühlst dich nicht gerade blendend, aber es ist der heilige Monat—das heißt, du konzentrierst dich darauf, dich selbst zu bessern, und außerdem darfst du ja bald was essen. Um dich abzulenken, während du auf den Beginn des Gebets wartest, scrollst du auf deinem Handy ein bisschen durch die Fußballergebnisse.

“Bruder, was machst du da?”, fragt ein bärtiger Mann in einer langen weißen Robe. “Es ist Ramadan—du solltest dich auf Allah konzentrierten, nicht auf deinen Handybildschirm.”

Du blickst auf und erkennst Hassan. Letzte Woche hat er dir noch gesagt, dass er dir als “Ramadan-Sonderangebot” das Gramm für einen Fünfer verkauft. Normalerweise verkauft Hassan einfach Gras und Emma, aber diesen einen Monat lang wird er zum Ramadan-Bro, der eine Stelle im Koran liest und dir dann den ganzen Abend darüber vorpredigt, als sei er plötzlich eine Art Islam-Orakel.

Für diesen Monat—und wirklich nur diesen Monat—wird er darüber faseln, sich den Bart wachsen zu lassen und westliche Kleidung abzulehnen. “Inschallah lernst du auch noch, von den weltlichen Sünden abzulassen”, sagt er, bevor er an Eid einfach alles wieder wegpackt, sich bei Instagram einloggt und ein Selfie von sich postet, in dem er mit Fuffis wedelt. Mit 2 -Chainz-Text, natürlich.

Es wird immer diesen einen Typen geben

Dieser Punkt ist ziemlich stark davon abhängig, wo du wohnst und arbeitest. Wenn es dein Job ist, “Safe Space”-Diskussionsrunden unter linken Künstlern zu organisieren, dann begegnest du diesem Kerl im Alltag vielleicht nicht so häufig. Aber leider werden viele andere Leute ihm begegnen. Nennen wir diesen Typen mal Thilo.

Thilo hat ein Problem mit “Überfremdung” und überlegt, in eine deutschere Gegend zu ziehen, damit er “all den ausländischen Scheiß” nicht riechen muss, den seine türkischen Nachbarn kochen. “Ich verstehe nicht, warum ihr Moslems 30 Tage lang fasten müsst”, sagt er und kaut demonstrativ auf seinem Burrito rum. “Alter, wir leben nicht mehr im alten Rom oder so.”

Dabei kann ausländischer Scheiß so gut schmecken. Lies auf MUNCHIES, wie Geflüchtete ihre Kochkunst mit Berlinern teilen

Thilo hat kürzlich einen Tweet von Erika Steinbach geteilt und zeigt sich äußerst besorgt darüber, dass Muslime sich in manchen Bundesländern zu ihren wichtigsten Feiertagen freinehmen dürfen. “Ich hab’ nichts gegen Moslems“, sagt Thilo, völlig ungefragt. “Ich verstehe nur nicht, warum ihr den Ramadan UND Weihnachten freikriegt. Wenn ich ganz ehrlich bin, finde ich das ziemlich unfair!”

“Der Ramadan ist ein Monat, in dem deine Geduld auf die Probe gestellt wird”, sagst du dir selbst, als Reiskörner aus Thilos Burrito auf dein Keyboard rieseln. Du erklärst ihm ruhig, dass der Ramadan überhaupt nicht wie Weihnachten ist, und dass einen Monat lang nichts essen und trinken viel weniger Spaß macht, als jede Menge zu futtern und Geschenke zu kriegen. Thilo nickt und reißt dann auf einmal die Augen auf.

“Nichtmal Wasser? Scheiße, Alter, das ist doch unnormal.”

Dieser eine Onkel mit ekligem Fasten-Atem

Der Ramadan ist eine Zeit, in der du auch den obskureren Verwandten ausgesetzt bist—jene, die normalerweise im Randbereich deiner Erinnerung existieren, und die dich bei jeder Begegnung an damals erinnern, als du noch so klein warst, bevor sie dir erzählen, wie toll das Medizinstudium ihrer eigenen Kinder läuft.

Es wird auch mindestens eine Gelegenheit geben, bei der einer deiner Onkel beschließt, dass er jetzt gerne eine ausgiebige Unterhaltung über das politische Tagesgeschehen mit dir führen will, was auch völlig in Ordnung wäre, wenn sein Atem nicht so sehr stinken würde, dass er wahrscheinlich sogar als Pestizid fungieren könnte. Wie jeder gute, geduldige Muslim während des heiligen Monats wirst du einfach dastehen, still nicken und versuchen, unauffällig nur noch durch den Mund zu atmen.

Der Facebook-Wahn deines Cousins Abdul

Wenn du sowohl Muslim als auch stolzer Besitzer einer Internetverbindung bist, dann sieht dein Facebook-Feed einmal im Jahr wie folgt aus: vom Islam inspirierte Zitate und Bilder, die sich auf den Koran beziehen, ab und zu unterbrochen von Posts, die davon schwärmen, wie toll und gesegnet der Ramadan doch ist. Es kann gut sein, dass bei dir die vielen Benachrichtigungen auch von jemandem wie meinem Cousin Abdul stammen. Abdul nimmt es regelmäßig auf sich, mich zu erinnern—auf WhatsApp, Facebook UND Twitter—, dass es tatsächlich Ramadan ist und ich alle Sünden vermeiden sollte, wie etwa mit Frauen sprechen oder eine Bar betreten.

“Ich weiß, du machst im Moment eine schwere Zeit durch, aber wir müssen diesen Monat damit verbringen, den Versuchungen von Schaitan zu widerstehen”, schreibt er auf Facebook und taggt mich, aufmerksam wie er ist, als zusätzliche Erinnerung. “Wir müssen nicht nur auf Essen und Wasser verzichten, sondern auch auf die Sünden des Fernsehens, der Musik, der Videospiele und der Masturbation.”

Am Ende des Tages zu essen, ist niemals so großartig, wie du es dir vorgestellt hast

Wenn der Ramadan eine Sache gut vermittelt, dann dass das Konzept des Gratifikationsaufschubs ein leeres Versprechen darstellt. Du kämpfst fast 15 Stunden täglich damit, nicht an Essen zu denken, und wenn die Zeit zu essen näher rückt, wird dir beim Anblick und bei der Vorstellung so ziemlich jedes Gerichts der Mund wässrig. Und doch, wenn du dann am Tisch sitzt und sich auf deinem Teller alles türmt, was du zwischen die Finger kriegen konntest, wird dir auf einmal klar, dass Essen sich ein bisschen so anfühlt, als würde dir ein Boxchampion eins in die Magengrube verpassen.

Denn während des Ramadans zu essen, tut einfach richtig übel weh—und da hilft es nicht gerade, wenn deine liebe Tante, die es ja nur gut mit dir meint, dich erinnert, dass sie den ganzen Tag fastend gekocht hat, und deswegen keine Widerrede duldet: Diese fettigen Samosas musst du jetzt alle vernichten. Ich schätze, irgendwie sind die Unterschiede zu Weihnachten wohl doch nicht so groß.