“Nimm zur Sicherheit lieber erstmal eine halbe Pille.” Diesen Satz hat wahrscheinlich jeder gehört, für den MDMA nicht nur eine lustig klingende Buchstabenfolge ist. Die allseits bekannte Raver-Weisheit hat sich auch ein Freund von mir zu Herzen genommen, als er vergangenes Wochenende erstmal nur die Hälfte seiner Ecstasy-Pille schluckte. Trotzdem ist er während des Raves nicht mehr klargekommen – die Pille war viel zu hoch dosiert.
Kein Einzelfall: Im Verlauf der Jahre hat sich das Risiko von Ecstasy-Pillen verlagert. Während sie früher eher verunreinigt waren, sind sie heutzutage meistens rein und viel höher dosiert. Das ist sogar 20 Minuten aufgefallen, das vergangene Woche vor einer krassen Simpsons-Pille warnte. (Die enthält zwar kein MDMA, dafür aber 8.7 Milligramm 2C-B. Der Wirkstoff wird oft als MDMA verkauft, da die Pillen gleich aussehen, wirkt aber wie eine abgeschwächte Version von LSD.) “Heutzutage hast du ein viel kleineres Risiko, dass sich irgendein Mist in der Pille befindet”, bestätigt auch Nik Hostettler, Mitarbeiter von raveitsafe.ch, der Berner Schadensminderungsorganisation Contact. “Dafür sind sie höher dosiert, was für unerfahrene Konsumenten schnell zum Verhängnis werden kann.”
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Auch eine Untersuchung von saferparty.ch zeigt, dass Ecstasy-Pillen über die Jahre immer stärker dosiert wurden. 2011 enthielt die durchschnittliche Pille noch 100.1 Milligramm MDMA-Wirkstoff – 2016 waren es bereits 151.7 Milligramm. Die höchstdosierten Pillen enthalten momentan um die 260 Milligramm MDMA. So hat der Trend der starken Dosierung nicht nur zur Folge, dass sich mein Freund beschissen fühlte – er zerstört auch die alte Raver-Weisheit der halben Pille.
In England beispielsweise wurde vor zwei Jahren mit dem Slogan “Don’t be a daft, start with a half” geworben. Noisey wusste es damals allerdings schon besser und setzte dem “Be smarter, take a quarter” entgegen. Auch Schweizer Schadensminderungsorganisationen wie Rave it Save plädieren seit 2016 für die Viertel-Pille. Leider scheint die Message selbst bei erfahrenen Konsumenten wie meinem Freund noch nicht angekommen zu sein. “Pillen sind dafür vorgesehen, dass du sie halbieren kannst – darum haben sie meistens auch eine Trennrille. Wenn du sie vierteln willst, ist es schon fast Feinarbeit”, erklärt sich Nik Hostettler diesen Missstand und fügt an: “Trotzdem ist ein bewusster Konsum extrem wichtig, da die stärker dosierten Pillen ein grösseres Risiko darstellen. Und wenn du ein Medikament nimmst und nicht weisst, wie dein Körper auf dieses reagiert, liest du ja auch zuerst die Packungsbeilage, bevor du es schluckst.”
Ein Tool, um dich vor einem Konsum über die Pille zu informieren, die du gerade zwischen den Fingern hältst, bietet raveitsafe.ch oder auch ihr Zürcher Pendant saferparty.ch an. Sie publizieren fast wöchentlich online aktuelle Warnungen mit Bildern und Wirkungsgehalt von hoch dosierten Pillen, die beim Drugchecking in der Schweiz aufgefallen sind. Du kannst also einfach deine Pille dort suchen und sehen, wie viel MDMA sie enthält und so abwägen, wie viel du konsumieren willst. “Am sichersten ist es trotzdem immer noch, die Drogen testen zu lassen. Doch wenn du keine andere Option hast oder es ein Spontankauf ist, ist es am besten, zuerst eine Viertel-Pille zu konsumieren. Dann kannst du nach ein paar Stunden, allenfalls, nochmal ein Viertel nehmen”, sagt Nik Hostettler. Er weist aber darauf hin, dass du auch dann nicht auf der sicheren Seite bist. Aber das Vorgehen kann das Risiko eines Schadens mindern.
Link zu den Pillenwarnungen: Rave it Safe oder Saferparty
Drugchecking in Bern und in Zürich