Elon Musk hat einen Song geschrieben – und er ist wirklich schlimm

Elon Musk steht vor einem Mikro, dazu die Soundcloud-Oberfläche

Was schenkt sich ein Mann, der beruflich Autos ins Weltall schießt und Flammenwerfer verkauft, wenn dessen Unternehmen gerade einen Börsenwert von 100 Milliarden Dollar überschritten hat? Na klar: einen Song!

Elon Musk hat sich tatsächlich einen Song geschenkt. Und Elon Musk muss gewusst haben, dass es in diesem Sonnensystem nur eine einzige Existenz geben kann, die einen Song schreiben kann, der seiner eigenen Großartigkeit würdig ist: Elon Musk.

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Also präsentierte Elon Musk am 31. Januar via Soundcloud “Don’t doubt ur Vibe”. Selbst geschrieben, produziert und eingesungen. Ganz alleine und ohne Hilfe, sagt er. Die Reaktion bei Twitter lässt sich so zusammenfassen: OH MEIN GOTT, WAS KANN DIESER MANN EIGENTLICH NICHT? Nein, ganz ehrlich, Menschen mögen diesen Song. Und bewundern, dass Elon Musk neben den besten Autos des Sonnensystems jetzt auch noch die besten Songs macht. Musk, das letzte Universalgenie.

Aber: Wer glaubt denn einem Milliardär, der behauptet, er habe diesen Song allein geschrieben, aufgenommen und eingesungen? Der damit sagt, er erschaffe alles durch nichts, und – Oh Wunder! – ein professionelles Tonstudio bedienen kann. LEUTE, MAN SIEHT SOGAR AUF SEINEN EIGENEN FOTOS, DASS ER DA NICHT ALLEINE IM STUDIO IST!

Aber gut, ein Star kann nichts für seine Fans. Oder in den Maßstäben eines Elon Musk gesprochen: Ein Gott kann nichts für seine Gläubigen. Hören wir uns den Song also mal an.

Nun – es ist schwierig, in Worte zu kleiden, welche existenzielle Leere einem das Hören, besser: der Konsum, dieses Songs in einem hinterlässt. Der Song klingt wie die abgeschredderte Version eines Songs, der bei Stranger Things laufen könnte. Er ist zu langsam, um wirklich treibend zu sein. Zu verschleppt, um dazu tanzen zu wollen, zu fantasielos, um dazu träumen zu können. Mit seinem dauergleichen Rhythmus löst der Song in einem so viel aus wie eine Autobahnfahrt mit eingeschaltetem Tempomat auf exakt 130 Stundenkilometern. Ein Song ohne Herz, ohne Hirn, ohne Fäuste. Immerhin: Er stört nicht.

Don’t doubt ur vibe, because it’s true

Don’t doubt ur vibe, because it’s you

Das ist der ganze Text, den Elon Musk zu seinem Song geschrieben hat. Zwei Zeilen triefender Vertrau-dir-dann-kannst-du-alles-schaffen-Disney-Kapitalismus-Romantik. Vielleicht ist das Absicht. Es soll volksnah wirken: Elon Musk, der geniale Dilettant, bei dem Erfolg wie von selbst kommt, weil er an sich glaubt, seine Tage in 5-Minuten-Einheiten teilt, niemals nascht und einmal sagte: “Niemand hat jemals die Welt in 40 Stunden verändert.”

Man kann sich vorstellen, wie der Song in den weißen Einbauküchen von BWL-Studenten unter einem “Work hard, play hard”-Poster gepumpt wird, bis einer sagt: “HAST DU GESEHEN, JONAS, LETZTENS HAT ELON MUSK DIESES EINE GEILE MEME VON THE WITCHER GEPOSTET! EY, DER HAT PAYPAL MITGEGRÜNDET, TESLA, SPACE X, HYPERLOOP! WOHER NIMMT DER DIE ZEIT FÜR SOWAS?”

Gegenfragen: Wie kann man diesen Mann lieben? Warum machen Menschen Videos, in denen sie eine Woche wie Elon Musk leben, um zu verstehen, wie dieser Mensch sein Pensum abreißt? Warum ist das ein nachahmens- oder bewundernswertes Leben? Und ist es wirklich unvorstellbar, dass ein Milliardär über genug Geld verfügen könnte, Menschen dafür zu bezahlen, in seinem Namen Memes zu posten, während er selbst schon wieder irgendeine Schnapsidee präsentieren muss, mit er irgendein Business revolutionieren muss? Die Revolution, das radikalste und oft ergreifendste Protestwerkzeug der Menschen, ist heute ein Marketingclaim. Ach, es ist doch alles nur noch zum Heulen.

Wahrscheinlich ist dieser Song das Ergebnis eines wissenschaftlichen Experiments. Elon Musk hat die fünfzig besten Wissenschaftler der Erde auf eine entlegene Polarstation in der Arktis gesperrt und ihnen nur eine Aufgabe gestellt: Wie müsste ein maximal beiläufiger Song klingen, den Menschen gerne in ihre Inspiration&Selbstoptimierung-Playlist bei Spotify ziehen?

Herausgekommen ist also: “Don’t Doubt ur Vibe”. Ein Song, einzig manufakturiert, um bei einer möglichst großen Zahl von Menschen im Internet anschlussfähig zu sein – denn was liebt das Internet mehr als nostalgiegetriebenen Synthie-Pop mit verträumten Bildern wie einem Tesla Cybertruck vor der pickligen Marsoberfläche? Gar nichts!

“Don’t Doubt ur Vibe” – das ist ein Song, der im Studio von all den Kompressoren und Equalizern solange eingespeichelt und rundgelutscht wurde, bis er seine perfekte Stromlinienform erreicht hat: die Hymne für den Kapitalismus des 21. Jahrhunderts und sein Maskottchen – Elon Musk.

Ist das Blut der Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert wirklich geflossen, damit Menschen heute Fans eines exzentrischen Milliardärs sind? Das Blut ist geflossen, um die Menschen zu befreien. Und heute? Jede Wette, dass es Menschen gibt, die Geld bezahlen würden, um bald in seiner Giga-Factory in Brandenburg zu arbeiten, weil sie es als Berufung empfinden, Elon Musk zu dienen.

Bis dahin hat dieser Mann wahrscheinlich seine eigene Bibel geschrieben. Und seine willfährigen Arbeitsbienen sehen als große Ehre an, zur Einstellung in der Gigafactory Genesis, I aus dem Buch Elon zu zitieren : “Und Musk sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. Don’t Doubt ur Vibe.”

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