Unsere erste Vorschau zur am Freitag beginnenden Fußball-Europameisterschaft nimmt sich die Gruppe A zur Brust, in der Gastgeber Frankreich auf die Schweiz, Rumänien und Albanien trifft. Didier Deschamps’ Mannschaft zählt zu den Turnierfavoriten und es wäre eine echte Sensation, wenn sie nicht mindestens die Gruppenphase überstehen würde. Andererseits haben Les Bleus auch ein Faible für selbstzerstörerische Verhaltensweisen.
FRANKREICH
Wie haben sie sich qualifiziert? Indem sie das Turnier ausrichten, sie mussten also nicht in die EM-Qualifikation.
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Zuletzt richtete Frankreich mit der EM 84 und der WM 98 Fußball-Großturniere im eigenen Land aus. Beide Turniere konnten Les Bleus für sich entscheiden. Wir können eigentlich fast schon jetzt den Franzosen gratulieren.
Bekannte Namen: Frankreich hat eine Menge individuelle Klasse, darunter Spieler wie Antoine Griezmann, Hugo Lloris, Laurent Koscielny, Paul Pogba oder Olivier Giroud. Ihr Kader würde so ziemlich dem von Arsenals erster Mannschaft entsprechen, wenn jedes Transfergerücht der letzten fünf Jahre nur ansatzweise gestimmt hätte.
Frankreichs EM-Kader-Vorstellung sorgte für reichlich Diskussionsstoff, weil neben Karim Benzema auch Hatem Ben Arfa nicht berücksichtigt wurde. Benzema ging sogar so weit zu behaupten, dass seine Nichtberücksichtigung einen rassistischen Hintergrund haben könnte.
Der Trainer: Didier Deschamps, derselbe quadratköpfige Gentleman, der mit Frankreich 1998 die WM und zwei Jahre später die EM gewonnen hat. Bei den Bleus kam er als Spieler auf mehr als 100 Einsätze. Ihm wird von den französischen Medien weitgehend eine gute Arbeit attestiert, seitdem er die Mannschaft im Sommer 2012 übernommen hat. Auf jeden Fall ist er deutlich beliebter als seine Vorgänger Laurent Blanc und Raymond Domenech.
Trotzdem hat auch er ein Händchen dafür, sich mit seinen Spielern zu überwerfen. Wir sollten also nicht die Möglichkeit ausschließen, dass es zwischen Deschamps und einigen Spielern bei der EM ordentlich knallt und eine Welle von Streiks und Rücktritten die Mannschaft überrollt.
Ausblick: Solange sich die Mannschaft nicht gegenseitig zerfetzt, gehört Frankreich zu den großen Favoriten auf den Titel. Sie spielen zu Hause, sind in guter Form und sollten in ihrer Gruppe den ersten Platz holen.
SCHWEIZ
Wie haben sie sich qualifiziert? Die Schweizer landeten neun Punkte hinter den Engländern in der Gruppe E. Gegen die Mannschaft von Roy Hodgson setzte es zwei 0:2-Niederlagen. Trotzdem reichte es für Platz zwei und damit für die EM-Qualifikation, nachdem man bei der letzten Europameisterschaft 2012 vom Fernseher aus zuschauen musste.
Bekannte Namen: Allen voran die früheren Bundesliga-Akteure Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka, die aufgrund ihrer familiären Vergangenheit beim Aufeinandertreffen gegen Albanien für Schlagzeilen sorgen sollten. Ebenfalls jedem bekannt: Dortmunds Bürki. Außerdem spielen bei den Schweizern auch die früheren Arsenal-Verteidiger Johan Djourou und Philippe Senderos: Möge Gott ihnen beistehen.
Der Trainer: Vladimir Petković coacht die Mannschaft der Eidgenossen seit zwei Jahren und hat bisher ganz passable Ergebnisse abgeliefert. Zu den größten Erfolgen in seiner Trainerkarriere gehört ein „Titelgewinn” mit einem Schweizer Viertligisten und, äh, das war’s.
Ausblick: Die Schweiz geht in die EM 2016 als 15. der FIFA-Weltrangliste und steht damit weit vor Rumänien (22.) und Albanien (42.)—und sogar vor Frankreich (17.). Alles andere als mindestens Platz zwei und ein Erreichen der KO-Phase wäre eine Enttäuschung. Andererseits wissen wir ja auch, was die FIFA-Rangliste so taugt.
Eine Abrechnung mit der FIFA-Weltrangliste
RUMÄNIEN
Wie haben sie sich qualifiziert? Indem sie Zweiter in der Gruppe F wurden, nur einen Punkt hinter Nordirland. Obwohl sie durch fünf Unentschieden den Gruppensieg verpasst haben, können sie für sich behaupten, ihre Gruppe ohne Niederlage überstanden zu haben.
Bekannte Namen: Während Rumäniens Stürmer ziemlich unbekannt sind, sollten zumindest England-Experten bei den hinteren Reihen der Tricolorii einen kurzen Aha-Moment haben. So steht Watfords Ersatzkeeper Costel Pantilimon in Rumäniens Aufgebot, während in der Abwehr mit Vlad Chiricheș (Tottenham) und Răzvan Raț (West Ham) zwei weitere frühere England-Legionäre mitwirken werden.
Der Trainer: Anghel Iordănescu, eine Legende von Steaua Bucharest, der seit 1993 schon drei Mal Trainer der rumänischen Nationalmannschaft war. Er war auch Trainer der Tricolorii bei der WM 1998, als sich die Spieler die Haare blond färbten, um den Teamspirit zu stärken.
Ausblick: Rumänien könnte zwar die Gruppenphase überstehen (zur Erinnerung: Es qualifizieren sich diesmal auch die vier besten Gruppendritten), doch für deutlich mehr—geschweige denn den Titel—wird es niemals reichen. Aber by the way, erinnert ihr euch noch an an die blonden Haare bei der WM in Frankreich? Beste!
ALBANIEN
Wie haben sie sich qualifiziert? EM-Neuling Albanien wurde mit 14 Punkten Zweiter in ihrer Gruppe I. Obwohl man sieben Punkte hinter Gruppensieger Portugal blieb, konnten die Albaner sowohl die Dänen als auch die Serben hinter sich lassen.
Bekannte Namen: In Albanien kennt sie natürlich jeder, doch außerhalb des Landes sind die meisten Spieler weitgehend unbekannt. Aus der Bundesliga kennen wir Mergim Mavraj vom 1. FC Köln, die wohl bekanntesten Spieler sind aber Elseid Hysaj vom SSC Neapel und Lorik Cana vom FC Nantes, der schon für Galatasaray und Lazio gespielt hat.
Der Trainer: Gianni De Biasi, ein Trainerfuchs aus Italien (der mittlerweile auch die albanische Staatsangehörigkeit besitzt), der schon dreimal Trainer beim FC Turin war. Bekannt ist er vor allem für sein gewinnendes Lächeln und das immer schütterer werdende Haar.
Ausblick: Obwohl wir geneigt sind, sie als sicherer Gruppendritter oder -vierter abzutun, zeigt doch Albaniens Qualifikation für die EM, dass sie Erwartungen trotzen können. Sowohl Rumänien als auch die Schweiz sind schlagbare Gegner, andererseits ist Albanien auf dem Papier schon die schwächste Mannschaft.
Ganz anders würde es übrigens aussehen, wenn sie Xherdan Shaqir, Granit Xhaka oder Adnan Januzaj berufen könnten. Alle drei wären für Albanien spielberechtigt, wenn sie sich nicht für Belgien oder eben die Schweiz entschieden hätten. Wenigstens haben sie einen Xhaka im Team, und zwar Taulant. Der ist der ältere Bruder von Granit, der anscheinend nicht so gut das Haus abschließen kann.