Bei seinen letzten Alben waren Ems Texte fast wehmütig. Tablettensucht hier, wieder ein Drama dort. Come on Em, sowas will doch niemand hören. Wo bleibt der Hass, wo die Wut? Diesen nicht selten formulierten Einwand hat sich der Gute wohl zu Herzen genommen und jetzt mit The Marshall Mathers LP2 einen bunt-düsteren Mix aus Beleidigungen, Morddrohungen und einem großen Haufen expliziter Lyrik erschaffen, mit dem er aus seiner Sicht nachträglich deutlich macht, wer hier der Rap-Gott und wer nur der Yeezus unter den Rappern ist.
Der erste Track des neuen Albums heißt „Bad Guy”. In diesem Song wird die Geschichte von Stan, seinem obsessiven Fan von der Marshall Mathers LP weiter erzählt. Zur Erinnerung: Stan war so sehr in den Vorzeigedetroiter verknallt, dass er ihm andauernd (Liebes-)Briefe schickte. Nachdem er ewig keine Antwort von Em erhielt, steckte Stan kurzerhand seine Freundin in den Kofferraum seines Wagens und fuhr über eine Brückenleitplanke, um sich und seine Freundin umzubringen. Was hätte er auch sonst tun können? Eminems Antwort kam letztlich doch noch, nur leider zu spät. Ironie des Schicksals. Stan ist tot. In „Bad Guy” erfahren wir, dass der kleine Bruder von Stan, Matthew, Slim Shady genauso wie sein Bruder anhimmelte. Jetzt, 13 Jahre später, will Matthew sich rächen. In seinen Augen ist der Rapguru schuld an Stanleys Selbstmord.
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So beginnt Em als Matthew den ersten Verse zu rappen. Matthew ist fertig mit der Welt. Alles erinnert ihn an den Selbstmord seines Bruders. Eminem hat ihn hängen lassen, hat sich nicht um ihn gekümmert. Theatralik und Herzschmerz pur. Matthews Kopf sagt, er soll es doch einfach sein lassen. „Let’s go and fuck this“, aber er muss natürlich auf sein Herz hören. „Heart is saying: I will, once I bury this bitch alive.”
Nachdem wir die erste Strophe erst mal verarbeiten müssen, schließlich will hier jemand unseren hübschen Eminem mit einer Schaufel verbuddeln, fängt Sarah Jaffe mit ihrem zarten Stimmchen an, die Hook zu singen. Hier merkt man, dass Matthew Mitchell gar nicht böse sein will, sondern von seinen Gefühlen getrieben wird: „And I hate to be the bad guy.” Aussichten auf ein Happy End?
Verse two. Matthew ist aber auch scheiße gelaunt. Der Rap wird aggressiver und die Aussagen vorwurfsvoller als die deiner Mutter, nachdem sie dich das erste Mal mit einem Joint erwischt hat. „Have you any idea that shit I’ve gone through?” Wir können klein Matt aber auch verstehen. Em bekam das ganze Drama am Ende auch mit. Und was macht er? Nichts. Hätte ja wenigstens mal anrufen können, oder vielleicht Lil’ Stan einen Brief schreiben. „Not once you called to ask me how I’m doing, letters, you don’t respond to em.” Ist aber auch ein gemeiner, egozentrischer Hund, dieser Slim.
Matthew fährt nun zu Ems Wohnung. Er will es zu Ende bringen. „It’s revenge that I seek.” Zum Glück hat der Superstar seine Tür nicht abgeschlossen. Schnell ein bisschen Chloroform unter die Nase gerieben und schon wird der gute Eminem, genauso wie Stans Freundin damals, in den Kofferraum eines Autos verfrachtet. An dieser Stelle des Tracks kommt die alte, selbstironische Rapbrillianz von Marshall Mathers zum Vorschein—Er rappt einen Sequel aus „Stan”. „I hope you hear it we are in a car right now… Here’s a sequel to my Marshall Mathers LP. Just to try to get people to buy.” Und um die Ironie des Rachemords nun auch noch auf die Spitze zu treiben: „Eminem killed by M&M. Matthew Mitchell. Bitch. I even have your initials.” (Oh Mann, ist ja fast nicht mehr zum Aushalten, so viele Conncetions.) Und dann war’s das mit M&M & M&M auch schon. Auto fährt von der Brücke, beide Ms tot.
Ohne Hook geht es weiter zur letzten Strophe. Diese rappt Eminem wie auch schon damals bei „Stan” als er selbst. Die vierte Strophe ist auch der zweite Teil des Tracks. Ein neuer Beat. Em hämmert uns die Verse nur so um die Ohren. Es ist die Überleitung zum Rest des neuen Albums. „Here we go all again.” Er räumt in altbekannter Manier mit vielen Vorurteilen und Meinungen auf. „Cause Marshall Mathers the rapper’s persona’s half a facade. And Matthew and Stan’s just symbolic, of knowing what you had till it’s gone.” Und bereitet den Weg auf ein doch sehr gelungenes Album.
Der „Explict Content”-Hinweis kommt ja nicht von ungefähr. Wir freuen uns, sagen zu können, der altehrwürdige Slim Shady ist zurück. Schwulenhass, frauenfeindliche Rhymes und um keine noch so stupide Beleidigung verlegen. Wir haben dich vermisst, Em. Welcome back.
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