Politik

"Fake-Wahlbeobachter": VICE gewinnt Gerichtsprozess gegen FPÖ-Politiker

VICE und t-online hatten über deutsche und österreichische Politiker berichtet, die sich von autoritären Regimen haben einspannen lassen. Ein Gerichtsurteil bestätigt jetzt die Recherche.
Illustration vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, Viktor Orban holte sich dieses Jahr Fake-Wahlbeobachter ins Land. Er ist das erste Staatsoberhaupt der Europäischen Union, der das gewagt hat
Illustration: Philipp Sipos || Männer: IMAGO / YAY Images | Parlament: IMAGO / Pixsell | Orbán: IMAGO / Xinhua  

VICE hat vor dem Oberlandesgericht Wien einen Sieg für die Pressefreiheit errungen. Im Juni 2022 hatten VICE und t-online in einer gemeinsamen Recherche aufgezeigt, dass deutsche und österreichische Politiker bei den ungarischen Parlamentswahlen als sogenannte Fake-Wahlbeobachter aufgetreten waren. Während unabhängige Beobachter die Wahlen kritisierten, konnten die Fake-Wahlbeobachter keine Mängel finden. Ganz im Sinne des Ministerpräsidenten Viktor Orbán und seiner Partei Fidesz.  

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Die OSZE, die in Europa für die Beobachtung von Wahlen zuständig ist, hatte bei den ungarischen Parlamentswahlen im April 2022 mehrere Punkte beanstandet. Demnach wurde das Wahlgeheimnis verletzt und die Opposition im Wahlkampf benachteiligt. Wählerinnen und Wähler hätten sich vorab oft nicht unabhängig informieren können, die Wahlkampffinanzierung sei intransparent gewesen.

Wie VICE und t-online aufzeigten, waren auch die beiden österreichischen Politiker Maximilian Krauss und Harald Vilimsky von der rechtspopulistischen FPÖ zu Wahlbeobachtungen nach Ungarn gereist. Eingeladen hatte sie die Fidesz-nahe Denkfabrik Christlich Demokratisches Institut, CDI. Beide Politiker positionieren sich pro-Fidesz, beide gratulierten Viktor Orbán über Facebook und Twitter zum Wahlsieg. Über ihre Einsätze als Wahlbeobachter berichteten sie öffentlich bei Facebook und Instagram.

Nach der Veröffentlichung der Recherche gingen sowohl Maximilian Krauss als auch Harald Vilimsky gerichtlich dagegen vor, dass VICE über ihre Tätigkeiten als Wahlbeobachter berichtet und sie als "Fake-Wahlbeobachter" bezeichnet hatte. Beide Politiker warfen VICE üble Nachrede vor und forderten jeweils eine Entschädigung. 

Das Landesgericht für Strafsachen Wien gab dem in einem ersten Verfahren statt, woraufhin VICE Berufung einlegte. In der Berufungsverhandlung am 6. Juli hat das Oberlandesgericht Wien nun das Urteil des Erstgerichts über die medienrechtlichen Entschädigungsanträge aufgehoben und die Anträge auf Entschädigung und Urteilsveröffentlichung abgewiesen. Die Verfahrenskosten haben Harald Vilimsky und Maximilian Krauss zu tragen. 

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Nach Überzeugung des Berufungsgerichts sei die im Artikel geäußerte Kritik an den beiden FPÖ-Politikern zulässig. Demnach befasse sich der Artikel kritisch mit dem Umstand, dass sich die beiden Politiker dafür hergegeben haben, als Wahlbeobachter zu fungieren, sie dabei jedoch für eine faire Wahl wesentliche Themen ausgeblendet haben.

Dr. Thomas Höhne von der Kanzlei Höhne, In der Maur & Partner, welche VICE in dem Verfahren vertritt, kommentiert das Urteil als "richtige und notwendige Korrektur einer Fehlentscheidung, die einen Schlag ins Gesicht der Pressefreiheit bedeutet hätte. Entscheidungen wie diese sind wichtig, um die Unabhängigkeit und die Pluralität der Medien zu sichern, insbesondere jener Medien, die sich nicht scheuen, auch härtere Kritik zu üben – die, wie das Gericht festhält, keinesfalls unverhältnismäßig überzogen war. Die Antragsteller waren einfach zu wehleidig. Wer Kritik nicht aushält, sollte nicht in die Politik gehen."

Tim Geyer, Chefredakteur von VICE Deutschland, schließt sich dem an: "Was die Gegenseite von unabhängigem Journalismus hält, hat sie in diesem Verfahren der Öffentlichkeit vor Augen geführt. Das Gericht hat mit seinem Urteil jedoch ein deutliches Zeichen für die Pressefreiheit gesetzt. Darüber bin ich froh. Gegen Einschüchterungsversuche und Angriffe auf unsere kritische Berichterstattung werden wir uns auch in Zukunft zur Wehr setzen."

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien ist rechtskräftig.

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