Es ist 11:00 Uhr. Ich wache langsam auf. Ist das meine Wohnung? Ich bin total verwirrt. Woher kommt dieses laute französische Gerede? Und warum zur Hölle bin ich von oben bis unten mit Glitzer bedeckt?!
Ach ja … in Wien bin ich schon seit einem Monat nicht mehr. Sondern im schönen Litauen. An meine französischen WG-Kolleginnen sollte ich mich mittlerweile gewöhnt haben. Und an die alkoholgetränkten Gedanken genauso. Welcome to Erasmus!
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Was in verwackelten Videos auf YouTube wie das Disneyland für Studenten wirkt, ist im Grunde “nur” das Uni-Austauschprogramm für Europas Elite. Also eh Disneyland, nur nicht ganz so jugendfrei. Seit 1987 pilgern via Erasmus tausende Studierende in die Hochburg der feuchten Studententräume.
Denn wer bis jetzt der Meinung war, dass sich hier jährlich der fleißige Akademiker-Nachwuchs trifft, den muss ich leider enttäuschen.
Erasmus ist ein Tempel der Exzesse, gefüllt mit Studierenden aus aller Welt. Das klingt nach verbotener Frucht und von der will jeder abbeißen. Bevor ihr aber regelmäßig mit Spaniern, Franzosen und Italienern eure Gehirnzellen mit Schnaps und anderen Giften auslöscht, lasst euch ein paar hilfreiche Tipps von jemandem geben, der die ganze Scheiße schon durch hat. Und sein Erasmus-Semester vielleicht auch ein bisschen vermisst. Spaß! (Kein Spaß … )
Euer Alkoholkonsum steigt dramatisch an
Nun wird man berechtigt feststellen: Studenten saufen? No shit, Sherlock! Dennoch: Für viele ist Erasmus die Gipfelspitze auf dem Berg der eigenen Alkoholexzesse. Als würde man akribisch versuchen, das komplette Guinness World Records Buch umzuwalzen. Oder vielleicht nimmt man die “Geil, keiner kennt mich!”-Mentalität an manchen Stellen ein bisschen zu ernst. Endlich ist Zeit, um sich mit fremden Leuten hemmungslos zu betrinken. Party on!
Auf Erasmus wird gesoffen – so far so grenzwertig. Doch selbst wenn ihr um 10 Uhr morgens wie ein überfahrenes Eichhörnchen im Bett liegt und versucht den gestrigen Abend zu rekonstruieren: Es wird immer jemanden geben, der schon wieder (oder noch immer) am Start ist. Ihr solltet euch allein schon eurer Gesundheit (oder Würde) wegen nicht jedem sinnlosen Trinkgelage hingeben. Auch wenn ihr es in 90 Prozent der Fälle trotzdem tun werdet … Die restlichen 10 Prozent zerfließt ihr in Seminaren wie ein Gemälde von Salvador Dali.
Trash-Partys werden zu eurem persönlichen Mekka
Hier bereits die erste überlebenswichtige Weisheit: Haltet euer “Also ich geh ja nur in gute Clubs”-Gerede ein bisschen in Grenzen. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft ich mit meinen “internationals” zu “Wannabe” von den Spice Girls abgegangen bin. Schäme ich mich dafür? Definitiv. Habe ich irgendwann damit aufgehört? Nein.
Auch wenn man sich jedes Mal vornimmt, heute mal im angesagten Club bei feinstem Techno seine Würde wiederherzustellen, wird euch immer jemand mit breitem Grinsen und Billigfusel in der Hand zur nächsten Party mit Spotify-Playlist schleppen. Partys, die jeden Tag von übermotivierten ESN-Leuten (Erasmus Student Network) in irgendeiner abgeranzten Absteige organisiert werden. In manchen Momenten ist man sich nicht sicher, ob man sich vielleicht doch nicht einfach nur ins Loco verlaufen hat. “Despacito” it is!
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Ihr braucht Strategien um gierigen Fotografen zu entkommen. Immer und überall
Fotografen auf Partys findet jeder nervig. Eigentlich sollte das komplett verboten werden. Die Sensationsgier überwiegt dann doch und die Abgründe der Menschheit sind am einfachsten im Club vorzufinden. Dieses Problem dupliziert sich auf Erasmus nochmal.
Manche verstecken sich beispielsweise hinter einer völlig deplatzierten Plastikpalme im Club und warten auf den richtigen Moment, um euch in einem möglichst unwürdigen Zustand abzulichten. Darum: Wenn ihr euren Kontrollverlust nicht am nächsten Tag auf Facebook dokumentiert haben wollt, solltet ihr euch Masken kaufen oder eure Hände möglichst häufig schützend vor’s Gesicht halten. Mit steigendem Alkoholpegel wird jedoch auch das immer schwieriger, deswegen kommt man um das ein oder andere Foto nicht rum. Aber hey, gut für’s eigene Bilderbuch!
Es erwartet euch ein Massengrab an schlechten Motto-Partys
Um nur ein paar Namen der glorreichen Einfälle der Clubbetreiber zu nennen: “Notte Italiana”, “Election of Miss & Mr Eraxsmuss” (sic!), “Eraxsmuss Sushi Party” (sic!). Bevor jemand fragt: Ja, auf der Sushi-Party gab es gratis Sushi und das ist gar nichtmal so geil, wie man sich das vorstellt.
Die Motto-Partys auf Erasmus kennen keine Grenzen der Kreativität – sofern Kreativität hier überhaupt das richtige Wort ist. Das Ganze ist meistens ziemlich lame. Aber anstatt euch darüber aufzuregen, gönnt euch doch einfach! Wer kann schließlich von sich behaupten, stockbesoffen auf einer Sushi-Party die ganzen Avocado-Makis weggefressen zu haben?
Einheimische Studenten sind ein Vorteil. Gerade beim Feiern
Auch beim Feiern gilt: Habt ihr Leute, die wissen wo’s lang geht, habt ihr gewonnen. Deswegen: Lasst die Erasmus Bubble der international students das ein oder andere Mal platzen und wagt euch an die einheimischen Studenten ran. Newsflash: Die freuen sich darüber in den meisten Fällen ziemlich! Und vielleicht könnt ihr euch dann von der 90ies-Trash-Party schleichen und ein paar andere Heiligtümer der Clubkultur austesten. In meinem Fall hat sich das sogar mehr als nur gelohnt. Aber pssst!
Andere Länder, anderes Trinkverhalten
Wo wir gerade bei Landsleuten sind: Die weltweite Volksdroge Nr.1 hat bereits die weirdesten Leute vereint und gerade auf Erasmus findet ihr dadurch viele beste “Freunde”. Zwar nur für einen Abend, aber das ist auch OK. Hier jedoch eine kleine Warnung: Andere Länder heißt auch: anderes Trink- und Partyverhalten.
In meinem Fall war das Land Litauen und die Überraschung umso größer, denn Litauen hat mitunter den höchsten Alkoholkonsum weltweit. Eigentlich eine traurige Sache. Allerdings schreckt das Erasmus-Studierende nicht davon ab (surprise!), die Landessitten innerhalb kürzester Zeit für sich zu entdecken. Warum das so einfach ist? In Litauen ist die Abteilung für Vodka (Ja, das gibt es!) gleich groß wie die Gemüseabteilung. Kein Witz.
Das Zelebrieren der “besten Zeit des Lebens” sei euch natürlich gegönnt. In den wenigen klaren Momenten eures Auslandssemesters solltet ihr euch aber in Erinnerung rufen, dass es ein echtes Privileg ist, eine Zeit lang ohne Probleme in einem fremden Land leben zu dürfen. Da lohnt es sich auch mal bei klarem Verstand zu sein.
Sogar im kleinsten Städtchen am Rande von Europa gibt es unendlich viel zu sehen und zu erleben. Bunkert euch also nicht nur in dunklen Clubs ein, sondern interessiert euch gefälligst für das Land, das euch beherbergt und benehmt euch – zumindest manchmal. Alles andere grenzt nämlich an Dekadenz und einen zweiten Ballermann braucht auch keiner. Ansonsten dürft ihr natürlich reisen, euch lieb haben und sorglos eskalieren. In diesem Sinne: Cheers!
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