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Erstmals visualisiert: So sieht das menschliche Gehirn auf LSD aus

Vor vielen Jahren gab Amanda Feilding gegenüber Albert Hofmann, dem „Vater des LSD”, ein Versprechen ab. Die Wissenschaftlerin versicherte ihm, eines Tages ausführlich neurologisch zu untersuchen und abzubilden, wie das menschliche Gehirn auf LSD reagiert. Nach fast zwei Jahrzehnten konnte sie mit einer am Montag veröffentlichten Studie ihr Versprechen nun einlösen.

Die Studie, die in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht wurde, zeigt nicht nur einige der Auswirkungen von LSD auf das Gehirn—sie legt auch nahe, wie psychedelische Drogen uns Menschen über unser Bewusstsein aufklären und als Mittel zur Behandlung psychischer Störungen wie Depressionen und Sucht genutzt werden könnten.

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L-R Robin Carhart-Harris, David Nutt, und Amanda Feilding. Bild: Beckley Foundation

Die Veröffentlichung der Wissenschaftler vom Londoner Imperial College basiert auf ihrer jahrelangen Forschung zum Thema LSD. Seit langem beschäftigen sich sich mit den Wirkungen und Potentialen von LSD, maßgeblich gefördert von der 1998 gegründeten Beckley Foundation—und im vergangenen Jahr auch zusätzlich unterstützt durch ein Crowdfunding, das das öffentliche Interesse an ihrer Arbeit noch einmal verdeutlichte.

„Es ist ein ganz besonderer Tag für uns und für die britische Wissenschaft; wir sind die ersten, die diese Untersuchung gemacht haben, und wir haben uns damit einen Traum erfüllt”, sagte Forschungsleiter Robin Carhart-Harris, als er zusammen mit Feilding und David Nutt in einer Ansprache vor der Royal Society die Ergebnisse präsentierte.

Die Studie basierte auf den Erfahrungen 20 freiwilliger Probanden, denen 75 Mikrogramm LSD injiziert wurden—laut Carhart-Harris handelt es sich hierbei um eine „gemäßigte Dosis”. Während die Probanden unter Einfluss der Droge standen, wurden ihre Hirnaktivitäten mit fMRI- und MEG-Verfahren abgebildet. Außerdem wurden ihnen spezielle Fragen über ihren Zustand während ihres Trips gestellt, die den Forschern erlaubten, Zusammenhänge zwischen der beobachteten Gehirnaktivität und den Antworten der Probanden zu erkennen. Das gleiche Experiment wurde an den 20 Probanden auch noch einmal mit einem Placebo in Form einer Kochsalzlösung durchgeführt.

Die Teilnahmebedingungen für das Experiment waren eindeutig: Die Probanden mussten allesamt bereits Erfahrungen mit Drogen gemacht haben. Außerdem wurden sie vorab auch auf ihre geistige und körperliche Gesundheit untersucht, um festzustellen, ob sie das fMRI-Screening, das manchmal Angstzustände auslösen kann, trotz ihres Drogeneinflusses still liegend über sich ergehen ließen.

“Diese Studie war bei Weitem die bedeutendste meiner Karriere”

Nach dem Experiment lagen den Wissenschaftlern 15 vollständige Datensätze vor, die anderen mussten aufgrund von bewegungsbezogenen Störungen in den Aufnahmen verworfen werden.

Die Studie brachte einige interessante Hinweise hervor. In fMRI-Scans des Gehirns auf LSD konnten die Forscher eine verringerte Kommunikation zwischen dem Parahippocampus und Gehirnregionen beobachten, die für das Selbstbewusstein verantwortlich sind, wie beispielsweise der retrospleniale Cortex. „Es kommt, wenn man so will, zu einer Art Verlagerung in der Schaltung und zu einer Auflösung in dem System, das diesen Funktionen zugrunde liegt”, erklärte Carhart-Harris. Vor allem entsprach der Umfang dieser beobachteten Muster dem von den Testpersonen beschriebenen Grad der Persönlichkeitsauflösung.

Carhart-Harris sieht in den Ergebnissen auch eine Bestätigung, dass das veränderte Verhältnis zum individuellen Bewusstsein die einzigartige Qualität psychedelischer Substanzen ausmacht: „Das ist der Grund, weshalb psychedelische Drogen wie LSD so besonders sind”, sagte er. „Sie verändern unser Bewusstsein auf eine grundlegende, ungewöhnliche Weise und sind dadurch ein guter Weg, um der Antwort auf die ewige Frage nach der eigentlichen Natur des Bewusstseins näher zu kommen.”

In der Studie verglichen die Wissenschaftler auch ihre Ergebnisse mit denen aus anderen Studien über psychedelische Drogen, wie zum Beispiel Psylocybin. „Es wird immer offensichtlicher, dass bewusstseinserweiternde Drogen die Stabilität von bestehenden Gehirnnetzwerken verringern und gleichzeitig den Grad der Trennung zwischen ihnen verringern; das bedeutet, dass sie sowohl eine Auflösung als auch eine Trennung des Netzwerkes verursachen”, schreiben sie. Carhart-Harris sagt, man könne es sich so vorstellen, dass das Gehirn unter Einfluss der Droge weniger ‚unterteilt’ und stärker ‚vereint’ ist und dadurch ‚einfacher’ und ‚freier’ funktioniert. Er und seine Co-Autoren beschrieben dieses Phänomen in der Studie so: Die Gehirnaktivität werde „entropischer”.

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Dank der Visualisierung fanden die Forscher außerdem heraus, dass der visuelle Kortex stärker durchblutet wurde und dass es unter Einfluss des LSD zu einer verstärkten Kommunikation zwischen dem visuellen Kortex und anderen Gehirnregionen kam. „Das Ausmaß dieser Wirkung entsprach den Einschätzungen komplexer Bilder, die die Probanden abgaben”, so Carhart-Harris.

Dieses Bild zeigt die Veränderungen im Ruhezustand funktioneller Konnektivität (RSFC) unter dem Einfluss eines Placebos und LSDs. Bild: Carhart-Harris et al

Diese Erkenntnisse mögen einem vielleicht relativ unwichtig erscheinen, doch sie tragen zu einem grundlegendem Verständnis dafür bei, wie das menschliche Gehirn und Bewusstsein funktionieren. Die Ergebnisse ebnen auch den Weg für die Erforschung des therapeutischen Potentials psychedelischer Drogen, das in den vergangenen Jahren von Forschern immer ernsthafter untersucht wird. In ihrem Fazit mutmaßten die Forscher, dass die „entropische” Wirkung des LSD dabei helfen könnte, psychische Störungen abzumildern, in denen das Gehirn „sich in einer gewissen Symptomatik festgefahren hat und Verhaltensweisen automatisiert und starr werden”.

Ebenso bemerkenswert wie die Ergebnisse selbst ist die Tatsache, dass die Studie überhaupt durchgeführt wurde. Seit LSD in den USA 1966 als illegal deklariert wurde, ist es sehr schwierig geworden, die Droge in der wissenschaftlichen Forschung zu nutzen.

Durch die Tabuisierung ist es oft umso schwieriger, Forschungsinstitute zur Zusammenarbeit zu bewegen und finanzielle Förderung zu erhalten. Sogar die Anschaffung der Drogen selbst ist kompliziert und kostspielig, da sie ganz bestimmten Anforderungen und Richtlinien entsprechen muss.

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David Nutt, der für seine Kritik an der britischen Drogenpolitik bekannt ist, sagte, dass die Studie „bei Weitem die bedeutendste seiner Karriere war.”

“Ich kann nur sagen, dass unsere Studie für die humanen Neurowissenschaften so bedeutsam ist wie damals die Entdeckung des Higgs-Teilchens”

Feilding beschrieb die bahnbrechende Studie als späte Anerkennung von Hofmanns Entdeckung. „Wäre da nicht das Tabu, das diesen Forschungsbereich brandmarkt, hätte er mit Sicherheit den Nobelpreis gewonnen”, so Feilding.

Natürlich gibt es auch jetzt noch eine Menge offener Fragen und die Wissenschaftler arbeiten bereits an Studien mit anderen psychedelischen Drogen. Hierbei interessiert sie vor allem die Wirkung von Psilocybin auf Patienten mit Depressionen.

Außerdem könnte auch die Tatsache, dass die Studie relativ klein angelegt war und nur aus Personen bestand, die vorher bereits Drogen eingenommen hatten, die Ergebnisse beeinflusst haben. Auch ist es laut Carhart-Harris schwierig, Erfahrungen wie eine „Persönlichkeitsauflösung” zu messen, da es eine sehr subjektive Wahrnehmung ist.

Trotzdem hofft das Team, dass die Veröffentlichung dieser Studie die Türen für weitere Forschung in diesem Bereich öffnen wird und dass sie verdeutlicht, dass die Forschung über Drogen kein unbedeutendes Randthema, sondern ein interdisziplinär bedeutendes Thema darstellt.

„Ich glaube dass wir jetzt etwas erreicht haben, das hoffentlich übertragbar ist”, so Nutt. „Ich kann nur sagen, dass unsere Studie für die humanen Neurowissenschaften in etwa so bedeutsam ist wie damals (für die Physik) die Entdeckung des Higgs-Teilchens. Wir wussten schon so lange, wie es das Higgs-Teilchen gibt, dass wir die Wirkung von LSD auf das Gehirn erforschen müssten, doch niemand wagte sich an das Thema heran, weil das Risiko eines Reputationsverlusts einfach zu hoch war.

Doch wir haben es gewagt, wir haben erstaunliche Erkenntnisse gewonnen, und nun gibt es für andere keinerlei Gründe mehr, es nicht auch zu wagen.”