WGs sind die Zukunft des Wohnens. Zumindest in den “Ballungszentren” dieser Welt. Wenn die Mietpreise den wissenschaftlich prognostizierten Verlauf nehmen und die Löhne weiterhin stagnieren, wird es schlichtweg zu teuer, eine eigene Wohnung zu beziehen. Für die meisten Erdbewohner—und Noisey-Leser- und Leserinnen—sind WGs aber bereits die Gegenwart des Wohnens. Besonders für Studenten. Die meisten unter ihnen können es sich nicht leisten, alleine zu wohnen. Viele wollen es auch nicht, weil sie einen Elternersatz brauchen. Oder weil sie Anschluss suchen, erste Kontakte. Und/oder um Party zu machen.
Und jetzt kommst auch noch du dazu, denn du hast deine Zulassung in der Tasche und bist ab Oktober Erstsemester. Dafür geht es bei vielen dann auch in eine neue Stadt. Aber wie findest du dafür die geeignete WG?
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Eine WG, die am besten keine Ketamin-Höhle voller Praterdome-Hooligans ist, aber auch nicht von spießigen Neurotikern bewohnt wird, für die Eskalation ein Abend mit Organic-Fair-Trade-Quinoa bedeutet. Irgendwo dazwischen, dadrunter oder daneben liegt sie, die optimale WG. Schließlich willst du zwar Party machen, aber auch hin und wieder deine Ruhe, die nicht durch eine Afterhour mit einem Emotional-Dreamy-Deep-House-Mix von Dixon Dienstagmorgen um 10 Uhr gestört werden sollte.
Um das Risiko einer totalen Enttäuschung zu minimieren, haben wir ein paar Tipps zusammengetragen, wie du beim sogenannten “WG-Casting” erkennen kannst, ob die WG deinen Bedürfnissen entspricht. Wir gehen erst mal davon aus, dass du Student bist. Wenn du arbeitest, ändert sich sowieso alles, dazu werden wir dir an anderer Stelle Empfehlungen geben.
Das WG-Gespräch findet Abends statt
Kein Party-liebender Mensch wird dich morgens oder mittags zum Kennenlernen einladen. Gar nicht mal unbedingt, weil er zu diesen Tageszeiten schläft, sondern weil der Abend die gesellschaftliche akzeptierte Phase des Alkoholkonsums ist. Dadurch lässt sich das Unangenehme (neue Mitbewohner finden) mit dem Angenehmen (Trinken) verbinden.
Dir wird Bier angeboten
Etwas angeboten zu bekommen, zeugt immer von Gastfreundschaft. Umso besser, wenn es sich dabei um Bier handelt. Sofern du das magst, hast du gleich die erste Gemeinsamkeit mit den potenziellen neuen Mitbewohnern gefunden. Klar, die Liebe zu Bier oder Alkohol im Allgemeinen reicht noch nicht aus. Sonst würdest du auch nicht immer den Stammtisch in dieser Kneipe meiden, wo es nur Egger/Schwechater/Kaiser gibt. Ein paar Bier lockern aber die Stimmung und geben mehr Aufschluss über dein Gegenüber. Zu viel darf es natürlich auch nicht sein, sonst denkst du, alles sei easy und cool und landest in einer WG mit Til Schweiger.
Neben deinen möglichen Mitbewohnern sind auch Pfandflaschen anwesend
Schwieriges Thema, klar. Wenn die Bude überquillt mit alten Flaschen, wird es ab einem bestimmten Punkt eklig. Als Maßstab sollte gelten: Wird der Balkon nicht mehr zur Wohnfläche gerechnet, sondern zur permanenten Ablage für alte Ottakringer-Flaschen, ist es zu viel des Guten. Aber ein paar Pfandflaschen zeugen von Leben, von Eskapismus und Gemütlichkeit.
Etwas zu verwohnt: Die ideale WG sieht so nicht aus, ist aber dennoch gemütlich. Foto: Raymond van Mil
Die Küche riecht angenehm nach Club oder Bar
Sofern du Raucher bist, magst du die angenehme Melange aus Rauch und Alkoholfahne. Wohlgemerkt ist damit nicht der Geruch eines Clubs nach 36 Stunden gemeint, sondern der Duft des Anfangs, dem ja bekanntlich ein besonderer Zauber innewohnt.
Es gibt Party-Fotos am Kühlschrank
“Was, ausgedruckte Fotos? Wozu das? Aber schon mit Instagram-Link, oder?” Nein. Eine WG, die (sympathische) Fotos von gemeinsamen Zusammenkünften gesammelt hat, ist meistens ein guter Indikator für eine feiertaugliche Konstellation. Außerdem sagen sie: Du kannst deine Freunde einladen, selbst diejenigen, die irgendwann völlig drüber sind. Denn auf den Fotos siehst du ihre Brüder und Schwestern im Geiste.
Die Küchenwände sind voll geschrieben
Besucher hinterlassen hier oft Botschaften über die Qualität einer Party, die in der Wohnung stattgefunden hat. Davon kannst du gut ableiten, ob es für dich passt. Und ob du vielleicht doch lieber Wände magst, die wie ein unbeschriebenes Blatt Papier sind.
Der Küchentisch hat charmante Brandflecken
Ist die Küche zugleich auch der Aufenthaltsraum einer WG, gibt der Tisch Aufschlüsse über die Vitalität des Lebens ihrer Mitbewohner. Oder über ihre Tollpatschigkeit, klar. Ein paar Spuren von heißer Asche, Gläsern oder Alkohol induzierten Feueraktionen verraten dir, dass hier keine klinische Ordnung herrscht. Und dass niemand einen Fetisch für Untersetzer hat.
Wo die Brandflecken letztendlich herkommen, kann man sich nachher nicht immer erklären … Foto: privat
Die Boxen sind gut auf- und eingestellt
Musik ist essenzieller Bestandteil einer Party. Selbst wenn du deine Hobby-Youtube-DJ-Skills bis ins kleinste Detail perfektioniert hast, brauchst du eine angemessene Anlage. Wenn du beim ersten Betreten deiner möglicherweise neuen Bleibe ein entsprechende Ausstattung siehst, sollte es dir entgegen kommen.
Die Nachbarn sind nicht alt, haben keine Kinder und kommen manchmal zum Feiern mit
Alte Menschen beschweren sich gerne. “Beim Adolf hätte es das nicht gegeben!” usw. Außerdem tendieren sie dazu, gleich die Polizei anzurufen. Wenn du grad ein paar Leute zu Besuch hast, macht irgendwer deiner Freunde (du weiß bestimmt schon wer) im schlimmsten Fall den Ordnungshütern die Tür auf und lässt sie rein. Und wegen drei Joints machen sie dann gleich einen Aufstand.
Kinder wiederum sind auch wie alte Menschen. Sie beschweren sich ständig, können aber nicht die Polizei rufen, wenn ihnen was nicht passt. Dafür haben sie leider Eltern, die manchmal gar nicht so viel älter sind als du. Bis vor Kurzem waren sie selbst dem Feiern zugeneigt. Seit sie aber sesshaft geworden sind und jeden Sonntag zu Hause “gemütlich mit Freunden brunchen”, hassen sie das Leben insgeheim. Und das lassen sie dann an dir aus. Sie klingeln um 22:03 bei dir und sagen in dem Tonfall, der als Einziges aus ihrem Pädogikstudium hängengeblieben ist: “Du ich hab echt Verständnis und so, ich versteh das voll. Aber der Kleine braucht echt seine Ruhe.” Dabei brauchen nur die Jungeltern selbst ihre Ruhe, um sich gegenseitig im Dauerschweigen zu messen.
In der idealen WG weiß man das Leben zu genießen. Foto: VICE Media
Man lässt sich Zeit für dich
Es gibt WG-Castings, die mehr Runden haben als jede ANTM-Staffel. Im Takt von zehn Minuten geben sich die Bewerber die Klinke in die Hand und landen mit Glück im Recall. Oder es kommt zu einem Massen-Casting, bei dem es irgendwelche Challenges zu bewältigen gilt. Erfahrene WG-Bewohner wissen, dass es schon mehr als ein paar nervöse Minuten braucht, um zu erkennen, ob es passt. Kommst du beim Bewerbungsgespräch an und hast nur zehn Minuten, um dich von deiner guten Seite zu zeigen und auch die andere kennenzulernen, dann ist das wie Speed-Dating: überflüssig.
Such nicht nur in den angesagten Stadtteilen
Klar, es ist voll und cool so. Was denn? In Neubau, Mariahilf oder Josefstadt zu wohnen. Aber dort ist es auch teuer. Wer viel Geld für Miete ausgibt, muss es woanders sparen, zumindest als Student. Also überleg dir genau, ob es nicht auch ein anderer Stadtteil sein, wo du nicht dazu beiträgst, die Mietpreisspirale weiter hochzutreiben. Schließlich hast du ja am Ende eine ideale WG und Cafés und Supermärkte gibt es überall. Genauso wie die Öffis. Denn in den Großstädten kann man zudem ruhig in Kauf nehmen, auch mal ein paar Minuten mehr mit der U-Bahn zu fahren. Zwar werden deine Freunde rummosern, wenn sie dich besuchen wollen. Aber wenn sie es nur aufgrund einer U-Bahnfahrt von 30 Minuten am Ende nicht machen, sind sie alles, nur keine guten Freunde.
Trotz des Fokus auf die Partytauglichkeit, ist es von Vorteil, Mitbewohner zu haben, sie eine einigermaßen strukturierte Woche haben. Das heißt nicht, dass du mit Menschen zusammenwohnen musst, die alles bei iCal organisieren. Aber wenn dir neben dem Feiern (hoffentlich) noch andere Dinge im Leben wichtig sind, hilft es immer, mit Leuten zu leben, die in dieser Hinsicht ähnlich sind. Oder, anders gesagt, es hilft dir, nicht komplett den Halt zu verlieren.
Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen.
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