Es gibt nur eine Art des Betrunkenseins

An mein erstes Jahr an der Uni erinnere ich mich fast gar nicht. Nicht, weil das so lange her ist, sondern weil ich die meiste Zeit betrunken verbracht habe. Und ich habe wirklich alles mitgemacht, was man als Ersti eben so macht, und jede Party mitgenommen. Auf den Partys wurde kein Trinkspiel ausgelassen, für jeden Geschmack war etwas dabei. Wir mixten unsere eigenen abartigen Drinks aus dem Zeug, was halt gerade da war. Oder Jelly Shots. Es gab eine Runde nach der anderen, irgendjemand schleppte immer wieder etwas Neues an. Das waren Intensivkurse zu so wichtigen Themen wie Kater, Kotzen und Fast-Food-Gelüste um 3 Uhr morgens. Jetzt lernte ich wirklich mal etwas fürs Leben—und das in einem Wahnsinnstempo.

Eines Tages stand meine Mitbewohnerin mit einer Flasche Tequila in der Tür: „Den heutigen Abend werde ich wahrscheinlich bereuen!” Ich fragte wieso und sie antwortete nur: „Wenn ich Tequila trinke, drehe ich völlig durch. Wodka dagegen macht mich immer nur traurig.”

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Warum sollte Wodka einen traurig machen? Weil man dann immer an Stalin und seine Schreckensherrschaft denken muss? (Äh, nein.)

Dass jeder Drink deine Stimmung anders beeinflusst, war mir total neu. Ich hab noch einen Freund gefragt und er konnte keinen Wodka trinken, weil es ihn zu wütend machen würde. Irgendwie war das jedem bereits klar—außer mir.

Wie konnte ich das erst jetzt rausfinden, ich Idiot?

Mein Favorit war Gin. Ich glaubte, dadurch leichter mit Leuten reden und auf sie zugehen zu können. Gleichzeitig war ich aber auch eine arme Studentin, ohne Geld für guten Alkohol und musste nehmen, was ich bekommen konnte. Bei Rum war ich überzeugt, dass der meine Stimmung total runterzieht. Und weil Wodka meine Mitbewohnerin traurig machte, war das bei mir natürlich auch so.

Aber wie das bei Alkohol oft der Fall ist, sieht die Realität meist ganz anders aus, als man denkt. Die Stimmung ist nämlich gar nicht vom Alkohol abhängig.

Um diesem Irrglauben endlich ein Ende zu setzen, habe ich Dr. Timothy Fong, Dozent für Psychiatrie an der UCLA, gefragt. „Das ist typisch für uns Menschen”, erklärte er mir. „Ständig sind wir auf der Suche nach Dingen und Mustern, die uns ein gutes Gefühl geben. Wenn wir einmal einen Hammer-Abend hatten, versuchen wir bei der nächsten Party alles genauso zu machen.”

Bei einer guten Party mal Whisky getrunken? Dann redest du dir ein, dass du, immer wenn du Whisky trinkst, der Abend perfekt wird. Das Gleiche gilt umgekehrt (ich hatte schon viele Abstürze mit Whisky): Du willst nicht, das sowas noch einmal passiert, deswegen trinkst du von dem Teufelszeug lieber nichts. Aber damit veräppeln wir uns nur selbst. „Für den Körper gibt es keinen Unterschied beim Alkohol. Egal ob Whisky, Gin oder Bier—der Körper verarbeitet einfach nur Alkohol”, erklärt Fong.

Was die Stimmung hingegen tatsächlich beeinflusst, ist der emotionale Zustand ab—und der kann durch Alkohol verstärkt werden. Wenn du zum Beispiel ziemlich gerade gestresst bist, wird sich Trinken sehr wahrscheinlich auf deine Stimmung und dein Verhalten auswirken. Eine Erkältung oder die Tatsache, dass du den Tag über nicht genug gegessen hast, sind genauso entscheidend für deine Reaktion auf Alkohol. „Solche physiologischen Faktoren beeinflussen, wie schnell unser Körper den Alkohol aufnimmt”, sagt Fong.

Tja, jetzt kann man keine peinlichen One-Night-Stands mehr auf den Tequila schieben oder Schlägereien auf zu viel Bier. Schuld allein bist du und dein betrunkenes Ich. Es geht nicht darum was du trinkst, sondern wie viel—und warum.