"Gott hat mir gesagt: 'Make it big'": Wir waren Sackrutschen mit pauT
Alle Fotos von Christopher Glanzl 

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Sackrutschen

"Gott hat mir gesagt: 'Make it big'": Wir waren Sackrutschen mit pauT

pauT erklärt uns nach einem Wettrutschen die (österreichische Musik-) Welt, sein neues Album 'Popstar aus Plastik' und dass Andreas Gabalier nicht zum guten Schlager gehört.

"In’n Sack eine, ned bremsen", sagt der Hippie mit langem Haar, der zusammen mit einem riesigen, flauschigen Hund den "höchsten Punkt von Wien" bewacht und hinter einem kleinen Tresen Tickets für seine Attraktion verkauft. Der höchste Punkt Wiens, das soll der Toboggan, ein hölzerner Rutschturm am Rande des Praters, sein. Und der, der das behauptet, ist Prince pauT de Monaco, selbsterklärter Jimi Hendrix des österreichischen Schlagers, der am 17. August sein Solo-Debut Popstar aus Plastik veröffentlicht. Vor unserem gemeinsamen Interview im Vergnügungspark fordern wir uns im Sackrutschen heraus.

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Wir schlüpfen in riesige Jutesäcke, die uns der Besitzer des Toboggan überreicht und sliden extrem cool und sophisticated eine hölzerne Rutsche hinunter – etwas fürs Auge also. Zugegeben: Das mit dem Sackrutschen war eigentlich nur Plan B. Im Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett, in dem wir mit pauT unter Popstars aus Plastik ein Interview führen wollten, hat man Noisey den Papierkrieg erklärt. Vertraglich wollte man mich dazu verpflichten, nichts Schlechtes über Andreas Gabalier zu sagen. Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass einem bei einer Cholera mal richtig die Gedärme durchgespült werden, aber das ist nicht unser Stil.

Zurück zu pauT. Der Live- und Studiomusiker von Bands wie Wanda, Tocotronic, Clara Luzia und dem Nino aus Wien ist ein Eyecatcher. Schon als wir in Richtung Toboggan schlendern und unser Fotograf pauT in immer kleinere Kinder-Karussells zwängt, betrachten die vorbeigehenden Leute sein schrilles Crossover-Outfit aus Sgt.-Pepper’s-Lonely-Hearts-Club-Band-Jacket und Kapitänsmütze mit teils schrägen, teils unaufgeregten Blicken. Immerhin sind wir im Prater. Seine Kleidung ergänzt das Konzept des Albums, für dessen Promo er eine überdimensionierte Playmobil-Figur an verschiedene Plätze in Wien gestellt hat.

Vor dem Rutschturm erklärt pauT, zweimaliger Teilnehmer an der Staatsmeisterschaft im Sackrutschen, dass es für ihn heute keine leichte Sache wird: "Beim Wasserrutschen bin ich ziemlich unschlagbar. Mit dem Sackrutschen im Trockenen bin ich noch nicht so ganz warm geworden. Das ist wie, wenn man als Sandspezialist am Grastennisplatz spielt." Auf einer Art Laufband fahren wir den Turm hinauf und sehen dabei auf den Prater hinunter.

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PauT verbindet mit dem Vergnügungspark einschneidende Erlebnisse. Hier hat er zum Beispiel seinen ersten Kebab gegessen – eine kulinarische Offenbarung. Sonst besucht er den Prater nur zu Fortbildungszwecken: "Wenn man in der Entertainmentbranche arbeitet, muss man sich weiterbilden." In dieser Branche ist pauT schon eine ganze Weile. Dubiosen Internetquellen zufolge, heißt pauT eigentlich Paul Schreier; er streitet dies jedoch kategorisch ab. Nach seinem Sieg beim Protestsongcontest 2010 hat pauT das Österreich-Pavillon bei der Weltausstellung in Shanghai bespielt und vermutlich mehr Chinesen dazu gebracht, "Anzünden, Anzünden!" zu schreien, als jemand vor ihm.

Seitdem hat man ihn überall gesehen und gehört - auf dem Erdball in Langenzersdorf oder als Klarinettist bei Tocotronic im Studio. PauT nimmt das alles mit der Noblesse des Adelsstands, dem er eigenen Aussagen nach angehört. Jetzt, um in seiner Seemanssprache zu bleiben, hat er einen Major-Label-Deal an Land gezogen und ein vom Wanda-Produzenten Paul Gallister produziertes Album veröffentlicht, bei dem er alle Instrumente selbst eingespielt hat. Popstar aus Plastik klingt für mich, als hätte sich ein in Österreich lebender John Lennon an käsigem Synthie-Schlager versucht. "Ich bin ein großer Beatles-Fan, ein Kind der Achtziger und wir gehen auf die 2020er zu. Das kommt in dieser Kombi raus". Nach der Rutschpartie holen wir unsere Taschen, die der flauschige Hippie-Hund bewacht hat und setzen uns in einen Biergarten. PauT bestellt sich einen Whitesecco (der sich als ein kleines Glas Sekt herausstellt) und wir beginnen zu reden – über fame, fortune, eine Gotteserscheinung und Andreas Gabalier (eat this, Madame Tussauds!).

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Noisey: Du sagst, du bist der Jimi Hendrix der österreichischen Schlagerszene. Ist das eine ironische Pose, oder bist du ein geheimer Schlager-Fan?
pauT: Ich bin ein großer Schlager-Fan. Vor allem die früheren deutschen Schlager sind wirklich großartige Werke der Popkultur. Sachen wie "Nachtexpress nach Saint Tropez" von Teddy Parker, aber auch Songs von Dorthe Kollo und France Gall. Ich bin kein großer Fan von den heutigen österreichischen Schlagern. Deswegen sage ich auch lieber "Ich bin der Jimi Hendrix des österreichischen Schlagers", als "Ich bin der Andreas Gabalier des österreichischen Schlagers."

Hat der Schlager dann auch dein Album beeinflusst, oder war das doch eher klassischer Austropop?
Ich glaube schon, dass es ein Schlageralbum ist. Es wird auch nach hinten hin immer schlagermäßiger. Die hinteren Tracks "Airline" und "Liebe, Sex und Loneliness", da sind schon großartige Schlagermelodien drin.

"Im Endeffekt ist jeder mit jedem in irgendeiner Weise verwandt. Wenn man nicht schon mal mit jedem irgendwas gemacht oder gehabt hat, dann ist man eigentlich nicht im Business."

Auf einer Skala von Udo Jürgens über Helene Fischer bis Andreas Gabalier: Wo beginnt die dunkle Seite des Schlagers? Wo ist die Schwelle des Bösen?
Die würde ich irgendwo zwischen Helene Fischer und Andreas Gabalier ziehen.

Du bist bei Bands wie Tocotronic und Clara Luzia auch Studiomusiker…
Bei Tocotronic und Wanda habe ich auch auf den letzten Alben mitgespielt und bei Clara Luzia und Nino aus Wien, aber insgesamt ist es so, dass das Musikbusiness es so handhabt, wie die Habsburger. Da tut eh jeder mit jedem irgendwann mal was, dass man weiterkommt. So läuft das in dem Business einfach. Im Endeffekt ist jeder mit jedem in irgendeiner Weise verwandt. Wenn man nicht schon mal mit jedem irgendwas gemacht oder gehabt hat, dann ist man eigentlich nicht im Business.

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Wann bist zu zum ersten Mal beim Hause Habsburg vorstellig geworden?
Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern. Ich war noch sehr klein. Mein voller Name ist ja Prince pauT de Monaco. Dadurch komme ich ja aus diesem Adelszirkus, wie Leute ganz gerne sagen. Als die Habsburger das erste Mal zu Besuch waren, war wahrscheinlich Weihnachten als ich zwei Jahre alt war. Genau könnte ich es nicht sagen. Grace Kelly war meine Tante oder Mutter, oder weiß was ich. Nein, ich glaub meine Mutter.

Du bist Bassist bei der Nino aus Wien Band, hast jetzt aber einen Deal beim Major Label Universal. Wird der Nino aus Wien also bald Gitarrist bei der pauT Band?
Der Nino aus Wien ist ein cooler Typ, also jedes Mal gerne. Er kennt die Bühnen dieser Stadt, dieses Landes. Er weiß, wo man mich findet. Wir sind ja eh ständig in Kontakt. Seelisch verbunden. Soulmates.

Du und Nino kennt euch schon sehr lange, also seit dem Protestsongcontest 2009. Warum hast du dir mit deinem Solo-Debut so lange Zeit gelassen?
Das war Gemütlichkeit. Einen anderen Grund gibt es gar nicht. Irgendwann ist dann diese Inspiration gekommen. Ich habe einen alten Freund in Oberösterreich, der heißt Sepp. Alle paar Jahre spricht der ein paar weise Worte zu mir. Vor vielen Jahren ist auf einmal Sepp vor mir gestanden und hat gesagt: "Wir müssen alles anzünden." Das habe ich dann ausgearbeitet einfach und habe ein paar Jahre einfach nach dieser Voraussetzung gelebt. Letzten Sommer war ich dort und auf einmal steht der Sepp da und sagt: "Du bist der Popstar aus Plastik." Dann habe ich gewusst: Jetzt ist es einfach an der Zeit. Jetzt ist genug auf der faulen Haut gelegen. Jetzt bist du der Popstar aus Plastik.

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"Falco hat es leider umgekehrt gemacht. Ich würde lieber zuerst meinen Tod vortäuschen und dann auf eine Insel gehen."

Was ist das Ziel des Popstars aus Plastik? Und wann hat er seinen Zweck erfüllt?
Dem ganzen Konzept so viel Gesicht zu verleihen, dass irgendwann einmal jemand statt mir den ganzen Zirkus übernehmen kann, dass ich mich auf eine Insel zurückziehen kann. Man kann das ja, wenn das mal läuft, noch viel wirtschaftlicher angehen. Du hast dann vielleicht nicht nur einen pauT, sondern 20, die das machen können. Du kannst dadurch viel mehr Bühnen gleichzeitig bespielen. Ich bin dann halt auf irgendeiner Insel, wie Elvis. Mit Elvis ist natürlich auch eine Option. Aber ist schon wirklich alt mittlerweile. Falco hat es leider umgekehrt gemacht. Ich würde lieber zuerst meinen Tod vortäuschen und dann auf eine Insel gehen. Dann kommen die ganzen pauT-Imitatoren und treten auf Bällen als Mitternachtseinlage auf und cashen ordentlich ab und ich krieg halt meine Prozente.

Du hast ein Gesamtkonzept, das du knallhart durchziehst. Sogar in E-Mails schreibst du alles klein mit großem T und verwendest bevorzugt Seemannsvokabular. Wieviel Paul Schreier steckt steckt in pauT und kannst du noch anders schreiben als mit den großen Ts?
Ich kenne einen Politiker, der Paul Schreier heißt, der in Hennigsdorf, Berlin um die letzte Jahrhundertwende gewohnt hat und 1937 erschossen worden ist. Aber ich weiß nicht, von welchem Paul Schreier du sonst gerade redest. Ich war zufällig auf diesem Paul-Schreier-Platz in Hennigsdorf und habe das gesehen. Sehr imposant eigentlich, aber ansonsten kenne ich keinen Paul Schreier.

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Bist du, wenn du als Gastmusiker spielst, auch pauT oder bist du dann Paul Schreier?
Schon pauT. Ich weiß nicht, welchen Paul du meinst, welchen Haberer von dir du da ständig in dieses Interview reinpushen willst, aber OK. Aber schreib ihn einfach dazu. Ein Paul war auch dabei. Er wird sich darüber freuen. Ich kenn das, ich versteh das. Jeder fängt mal so an.

"Gott hat mir dann noch weiter gesagt: 'Make it big.'"

Warum das große T?
Die offizielle Geschichte ist die folgende: Ihr kennt die Geschichte vom Apostel Paulus aus der Bibel vielleicht? Vom Saulus zum Paulus. Er hat zuerst Saulus geheißen und war ein böser Mensch, der die Christen verfolgt hat. Eines Tages wurde er von Gott in der Wüste geblendet und Gott hat gesagt: Pass auf, du bist ein schlechter Mensch, du verfolgst die Christen. Ab jetzt sollst du ein guter Mensch sein, die frohe Botschaft verkünden und du sollst aber nicht mehr den Namen Saulus tragen, was damals ein sehr bekannter Name war, sondern den Namen Paulus. Paulus ist ja lateinisch und heißt so viel wie "der Kleine". Mir ist auch einmal Gott erschienen und hat gesagt: "Pass auf, Paul: Dass jemand wie du, der täglich so göttliche Taten vollbringt einen Namen hat, der eigentlich "der Kleine" heißt, das geht sich nicht aus. Du musst den Namen ändern und du sollst den göttlichen Anfangsbuchstaben übernehmen." Ich habe dann gesagt: "Lieber Gott, dann würde ich ja Gaul heißen."

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Dann hat Gott mir zugezwinkert und hat gesagt: "Was am Anfang nicht ist, das soll am Ende sein. Wir verstehen uns, pauT." Da habe ich gewusst, das muss das göttliche T am Ende sein. Gott hat mir dann noch weiter gesagt: "Make it big." Deswegen das große T. Dazu muss man auch sagen, wenn man das T klein schreibt, schaut es aus wie ein kleines L, wo ein Strich reingerutscht ist. Es gibt Leute, die behaupten – das ist eine andere Theorie, die ich nicht bestätigen kann –, dass ich mich einfach irgendwann mal verschrieben habe. Es ist der göttliche Endbuchstabe. Außerdem ist das Große T auch der Buchstabe, der mit seinen ausgestreckten Armen über alle anderen Buchstaben wacht und über allen anderen Buchstaben steht und aufpasst, dass die keinen Blödsinn machen. Im Endeffekt sind es doch dann die Buchstaben, die dann die Worte bilden und die Worte, die dann diese unglaublichen Geschichten bilden.


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Aber es gibt doch keinen Paul, was wolltest du denn dann schreiben, als du dich verschrieben hast?
Das frage ich mich auch, aber das wird man nicht mehr so gut rekonstruieren können. Ich weiß auch nicht, wahrscheinlich eh "pauT". Was weiß ich, da war ich halt noch jünger.

Die Antwort auf die Frage nach der Kapitänsmütze, die pauT immer trägt, ist Folter für berufliche Transkribierer. Dabei erzählt pauT ein letztes Märchen. Sein Ur-Urgroßvater war natürlich Kapitän bei der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft und Inhaber des Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänskajütenschlüsselbundanhängers. Daher komme seine liebe zur See und zu den (langen) Worten. Als wir uns nach dem Gespräch verabschieden, schütteln wir uns die Hände und pauT geht in Richtung 1er Linie. Von hinten sieht es aus, als würde sich eine der Plastikfiguren, die im Prater herumstehen, in Bewegung setzen und langsam davonspazieren.

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