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Rassismus

Wegen eines Aushangs überrollt diese Friseurkette gerade ein rassistischer Shitstorm

Aufgebrachte Nutzer witterten die "Islamisierung des Friseursalons".
Foto: Facebook | Raimund Gisella  

Es gibt eine Sache, von der haben besorgte Bürger mehr als genug: Angst. Und weil ihre Ängste oft der Fantasie entspringen, sind sie nicht nur schwer nachzuvollziehen, es entstehen auch ständig neue. Viel zu oft entladen sich diese Ängste dann auf unschuldige Minderheiten: Mal trifft es die dunkelhäutigen Models eines Textil-Discounters, ein anderes Mal jagen sie Geflüchtete in Selbstjustiz durch die Stadt. Und immer wieder werden Unterkünfte attackiert, in denen Asylbewerber wohnen – 2016 gab es 921 solcher Fälle. Am Wochenende hat die wahllose Wut einen neuen rassistischen Shitstorm entfacht. Ziel waren eine Zwickauer Friseurfiliale und ihr syrischer Mitarbeiter. Der Grund: ein Zettel an der Eingangstür.

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Zugegeben, den Aushang hätte das Team besser formulieren können. Aus Personalmangel und weil der syrische Friseur keine Damen bediene, sollten nachmittags ab 16 Uhr eine Woche lang nur Herren die Haare geschnitten werden, stand darauf. Als ein Foto des Zettels auf Facebook gepostet wurde, witterten viele Nutzer mal wieder die "Islamisierung des Abendlandes" – oder die "Islamisierung im Friseursalon", wie ein User schrieb. Wenn er sich nicht anpassen könne, müsse er eben wieder in seinem Land Haare schneiden, postete ein anderer über den syrischen Friseur. Viele Kommentatoren stimmten dem zu, einer antwortete: "Im Köpfe abschneiden sind die schließlich Meister."

Auf der Facebook-Seite der Friseurkette bildete sich ein regelrechter Shitstorm um den Herrenfriseur und seine vermeintliche Ablehnung weiblicher Kundinnen. Dabei hatte der missverständlich formulierte Zettel einen einfachen Hintergrund: "[Der Mitarbeiter] wurde in seiner Heimat zum Herrenfriseur ausgebildet, aber er hat keine beruflich-fachliche Qualifikation, einen Damen-Haarschnitt auszuführen", erklärte die Friseurkette Klier am Samstag in einer Stellungnahme.

Der Aushang sei "höchst unglücklich" formuliert, sagt Pressesprecher Rüdiger Schmitt auf Nachfrage von VICE. "Aus der Sicht einer Friseurin vermittelte der Aushang die Botschaft, wir hätten einen Herrenfriseur mit hoher Schnittkompetenz. Für Außenstehende war das möglicherweise missverständlich."

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Alle Vorwürfe, der syrische Friseur diskriminiere aus religiösen Gründen Frauen, weist das Unternehmen entschieden zurück. In den nach eigenen Angaben 900 Filialen in ganz Deutschland seien mehrere Geflüchtete beschäftigt: "Sie haben einen Qualifikationsnachweis erbracht oder sich nach einem Praktikum für eine Ausbildung entschieden. Mit fremdenfeindlichen Vorwürfen mussten wir uns bisher aber nicht auseinandersetzen." In mehreren lokalen Veröffentlichungen habe das Unternehmen von der erfolgreichen Integrationsarbeit berichtet, genaue Angaben darüber, wie viele Geflüchtete bei Frisör Klier arbeiten, will Rüdiger Schmitt allerdings nicht machen.


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Mittlerweile wurde der Personalengpass behoben, der syrische Friseur arbeitet nach Angaben der Bild vorerst nicht mehr alleine im Laden – weil Drohanrufe eingegangen waren. Rüdiger Schmitt wollte diese Information VICE gegenüber nicht kommentieren. Man versuche derzeit, alle Kommentare zu sichten und beleidigende Äußerungen zu löschen. "In besonders schweren Fällen sichern wir den Kommentar und melden ihn bei Facebook", so Schmitt.

Dort wütet der Shitstorm derweil weiter: Viele Nutzer fühlen sich wahlweise "fremd im eigenen Land", "rassistisch behandelt" oder wollen die Filialen von Frisör Klier boykottieren. Andere haben Verständnis und sehen das Schreiben als das, was es war: ein blöd formulierter Zettel.

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