Kunst und Kopfkrieg: Tua zwischen bedingungsloser Liebe, Vaterschaft und Depression

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Tuas Sound ist unbeschreiblich eigen, man erkennt ihn zielsicher am schwermütigen Moll. 2009 schuf er mit seinem Kultalbum Grau in Musik gegossene Depressionen. Wie viele Nächte er sich wohl in seinem Tonstudio schon um die Ohren geschlagen hat, um sein reiches Innenleben elektronisch angehaucht bis zur Unkenntlichkeit zu verzerren? Tua gilt als verkanntes Genie, litt an Misserfolg und finanziellen Nöten, um letztlich mit der Band Die Orsons und wesentlich lebensbejahenderen Klängen doch zu Ruhm zu gelangen. Zehn Jahre nach “Grau” erscheint nun das Solo-Album Tua.

Laurens Dillmann schrieb für das JUICE-Magazin und das splash! Mag und beschäftigt sich mit Bewegung, Ernährung und Entspannung. Er ist Autor eines Romans (Oskar, 2014) und eines Gedichtbandes (Hummerscheren und Wackelpudding, 2013). Für VICE spricht er mit Künstlern über Depressionen, über Krieg im eigenen Kopf, und wie man diese Krisen überwindet. Für den siebten Teil seiner Interview-Serie Kunst und Kopfkrieg hat sich Laurens mit Tua getroffen.

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Laurens: Im Pressetext zum Album steht, dass du zwei Kinder hast und dass du mit Depressionen kämpfst. Das ist wesentlich privater, als du es in deiner Musik benennen würdest.
Tua: Was soll schlimm daran sein? Das alleine zeigt ja noch nicht, wer ich bin. Ich finde es nicht verwerflich. Es ist eher komisch, es nicht zu sagen.

Wie spricht man mit seinen Kindern über die eigene Depression?
In erster Linie bin ich relativ kontrolliert. In meiner Rolle als Vater funktioniere ich so oder so. Ich lasse mich nicht hängen, so dass die Debatte aufkäme. Aber natürlich gibt es große Unterschiede. Wenn wir im Urlaub sind und Papa ist der happy Clown, der über irgendwas drüberfällt und Witze macht, ist alles geil. Und dann gibt es den Alltag. Aber ich glaube, ich habe es meine Kinder nie wirklich spüren lassen. Das lag aber auch daran, dass ich irgendwann einfach Medikamente genommen habe, als ich dachte: Hier geht es nicht weiter. Erst habe ich wie irre Sport gemacht, abgenommen, wie blöde auf Ernährung geachtet. Ich hab alle Stages durch im Bekämpfen von diesem … was auch immer es ist, dem chemischen Verhältnis in mir. Während der Entstehung des Albums dachte ich: Das hier muss jetzt funktionieren. Da bin ich ziemlich pragmatisch. Irgendwann habe ich die Medikamente wieder weggelassen. Ich bin eine Person, die ziemlich gerne am Abgrund entlang balanciert. Der ist nie weit weg. Schon seit Jahren nicht.


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Wie fühlen Depressionen sich an?
Für mich ist das, wie vor einem voll gedeckten Buffet stehen und du kannst nichts davon essen. Du hast auf nichts Appetit, du kriegst nichts runter. Ich weiß, zu essen täte mir gut, aber ich kann nicht. Diese totale Leere.

Ich weiß nicht, wann ich mal wirklich über lange Zeit glücklich war. Bei mir liegt das auch in der Familie. Im Vergleich mit anderen Leuten habe ich dann irgendwann gemerkt, dass das nicht normal ist. Da lernt man es am ehesten. Der CEO unseres Labels, Basti, ist zum Beispiel mit sehr viel Serotonin ausgestattet. Wenn du dem einen Leckerbissen an Spaß hinwirfst, rastet der aus wie ein Welpe und freut sich massiv. Ich kann den Impuls verstehen, aber es löst kein Gefühl der Freude aus.

Wir bekommen als Kinder ständig gesagt: Du bist nicht richtig, wie du bist. Du bist zu laut, du bist zu leise. Du machst etwas falsch.
Oder: Du bist nicht genug. Das ist auch ein großer Antreiber. Es reicht nicht, was du tust. Du könntest viel mehr, du musst viel mehr. Ich glaube, das schreit sehr laut in unserer Gesellschaft. Von früh auf sagt man: Du müsstest, solltest und alle anderen sind viel weiter.

Ich bin mittlerweile zur Erkenntnis gekommen, dass ich meine perfektionistische Haltung von außen übernommen habe. Als Kind hatte ich noch nicht den Anspruch, die Sandburg perfekt zu bauen.
Man macht das ja in Ermangelung von irgendetwas. Warum überhaupt dieser Reiz, es perfekt machen zu wollen? Was heißt schon “richtig” machen? Man vergisst, dass das völlig subjektiv ist. Dein Richtig ist eben auch nur dein Richtig und für jemanden anderen kann es falsch sein. Darin liegt schon ein Fehler, und ich unterliege dem ständig. Man hat das Gefühl, man muss noch mehr investieren, man muss sich noch mehr quälen, man muss es noch 15 mal mehr überdenken als jeder andere es jemals überdenken würde. Warum hat man dieses Gefühl? Hast du darauf eine Antwort? Es ist ein Mangel an Liebe und Selbstwertgefühl, oder?

Wenn ich als Kind ein Bild gemalt habe, haben meine Eltern mich als den nächsten Picasso hochleben lassen. Wenn du heute ein Album raus bringst, musst du damit rechnen, ehrlich bewertet und beurteilt zu werden. Das macht auch Druck, oder?
So ist das in der Produktivitätsgesellschaft. Ein permanenter Wettbewerb mit allem, was du tust. Auch mit deinem Interview. Selbst jetzt erwische ich mich alle paar Minuten, wie ich reflektiere, wie es sich hinterher lesen wird und ob ich dich bitten muss, dass du etwas streichst. Letzten Endes erschaffen wir Produkte, die sich durchsetzen müssen gegenüber anderen Produkten ihrer Art. Die Leute haben nicht unbegrenzt Zeit und Aufmerksamkeit. Es gibt von allem wahnsinnig viel. Alle Bedürfnisse sind gedeckt. Wir kaufen das Produkt, das uns am treffsichersten das gibt, was wir wollen. Selbst bei den frei denkendsten Künstlern wird es zum Etikett: Schau, wie frei er denkt! Er ist von allen frei denkenden Künstlern der freidenkendste! Und schon muss ich wieder eine Erwartung erfüllen.

Kann man ins Leiden verliebt sein?
Auf jeden Fall. Man kann sich darin gefallen.

Macht es Kunst besser, wenn sie aus der Depression entsteht?
Ich glaube nicht. Es macht sie nur anders. Und sie spricht damit Leute an, die ähnliches fühlen. Wenn du authentisch fröhlich bist und fröhliche Kunst machst, wird sie mit Leuten resonieren, die fröhlich sind. Wenn du eine nachdenkliche und traurige Persönlichkeit bist, werden solche Menschen deine Kunst mögen. Nicht mehr und nicht weniger.

Ich dachte bei dieser Frage an den “Sonnig und Belanglos”-Song vom zweiten Orsons-Album.
Seit Jahren denke ich: Fuck, diese Zeile war so ein Volltreffer. Für mich ist das genau die Formulierung, die Zufriedenheit beschreibt. In dem Satz schwebt keine Traurigkeit mit. Die Sonne scheint, alles ist gut. Sonst nichts von großer Tragweite. Belanglos klingt natürlich negativ, aber so fühlt es sich eben an. Fröhlich und oberflächlich. Jetzt hab ich mal eine Frage: Empfindest du denn die Musik, die ich mache, als Verarbeitung?



Eigentlich nicht. Klingt für mich immer, als entstünde sie spontan aus dem Bauch heraus.
Man kann ja verschiedene Formen von Kunst machen. Verschiedene Impulse könnten auf dich einwirken. Manche gehen feiern, manche stammen aus einer unterdrückten Randgruppe und müssen gegen politische Strukturen ankämpfen. Ich lebe vergleichsweise in gesetzten Verhältnissen in einem reichen Land. Sowas triggert mich nur unwesentlich. Meine emotionalen Zustände wirken eben am stärksten als Inspiration. Insofern ist alles, was ich mache, emotionsgesteuert. Als jemand, der auch versucht tief zu schürfen, gehe ich entsprechend tief hinein.

Was spielt Narzissmus für eine Rolle in der Depression? Eines deiner Alben trägt diesen Titel. Ich habe irgendwann aus meinem Umfeld den Vorwurf bekommen, ich kümmere mich ja nur um mich selbst.
An und für sich tut einem krasse Egozentrik nichts Gutes. Ich glaube, man ist nur dann ein guter Beziehungspartner, Freund und Mitmensch, wenn man es schafft, sich selbst zu reflektieren. Damit man nicht völlig impulsgesteuert durch die Gegend läuft und wie ein Neandertaler überall draufhaut oder reinbumst. Es ist schon wichtig, sich um sich selbst zu kümmern und das kommt auch in unserer Gesellschaft zu kurz. Aber es gibt auch da ein Maß. Wenn es zum kompletten Lebensinhalt wird, aufzuwachen und über sich selbst nachzudenken, bist du eigentlich wieder beim Gegenteil von Selbstreflexion angelangt.

Du sprichst auf dem neuen Album von bedingungsloser Liebe. Wie kamst du auf dieses Thema?
Für mich ist der Begriff zum ersten Mal richtig wahr geworden, als ich Vater wurde. Da habe ich dieses Gefühl gespürt: Hey, ich brauche nichts zurück. Deine schiere Existenz reicht, damit ich alles gebe, damit du weiterexistierst. Ansonsten hat mich Die Kunst des Liebens von Erich Fromm inspiriert.



In “Vater” rappst du allerdings: “Ich bin dankbar für bedingungslose Liebe, auch wenn ich sie nicht immer so verdiente.”
Genau, da gibt es einen Widerspruch in mir und in allen. Fromm sagt: Der Moment, in dem man jemanden oder etwas liebt, ist der Moment, in dem man dem Leben am nächsten sein kann. Weil man sich von den eigenen Grenzen und der Exklusivität löst und sich komplett öffnet. So spirituell das auch daherkommen mag, das fand ich sehr treffend.

Ich habe vor kurzem ein Buch namens Und sie erkannten sich – Das Ende der sexuellen Gewalt gelesen. Da geht es um den vermeintlichen Kampf der Geschlechter und freie, bedingungslose Liebe. Die Autoren kritisieren die Art unserer Liebesbeziehungen, die Exklusivität und Privatheit. Sie sind eben nicht bedingungslos.
Als würde man auf ein Konto einzahlen. Nach dem Motto: Ich habe dir jetzt so viel Zeit gegeben, jetzt schuldest du mir genauso viel Zeit. Wie auch immer, Exklusivität hat sich durchgesetzt. Ich will nicht sagen, dass das der Weisheit letzter Schluss ist und dass das so bleiben muss und soll. Aber ich glaube nicht, dass das Hippie-Prinzip “Freie Liebe für alle” das Wahre ist. Je älter ich werde, desto verbindlicher wird mein Leben. Ich habe eine Frau, zwei Kinder, muss schauen, dass ich sie über die Runden bringe und ich will mich nebenbei auch noch selbst fühlen. In diesen Beziehungen gibt es ein Vertrauensverhältnis und ich weiß, woran ich bin. Das heißt ja nicht, dass ich den Rest der Welt von meiner Liebe an und für sich abkapseln muss. Aber es gibt eben diesen VIP-Bereich meiner Liebe und es ist OK, wenn da nur mein enger Kreis drin ist. Aber das Thema ist schwieriger als man denkt. Als ich das Fromm-Buch gelesen habe, dachte ich: Krass, Lieben hat echt viele Facetten. Und es ist zentral für das Miteinander.

Deine Fans sind dir unheimlich stark verbunden. Ich habe einen YouTube-Kommentar unter einem deiner Videos entdeckt: “Tua und seine Hörer. Hat was vom Stockholm-Syndrom.”
Habe ich auch gelesen. Sehr cooler Kommentar. Stockholm-Syndrom heißt ja, Geiseln verteidigen ihre Geiselnehmer. Die Person meint wohl, ich ziehe meine Hörer runter bis zum geht nicht mehr und dann sind sie auch noch dankbar dafür. Fair enough (lacht). Wenn es meine Aufgabe ist, dahin zu gehen, wo es weh tut und ich den Leuten damit ins Herz fasse und sage: Bitteschön, so sieht meine Vision ausformuliert aus. Und ich bekomme die Antwort: Ja, genau so habe ich mir das auch vorgestellt. Dann finde ich das einfach schön.

Tua und Laurens Dillmann
Laurens Dillmann hat Tua für das Interview in Berlin gesprochen.

Am Ende deines Albums Evigila singst du über neun Minuten “Was auch immer du tust, ich bin bei dir.” Am Ende von Tua singst du: “Wenn ich euch in den Arm nehm.” Ist dir bewusst, dass deine Hörer das auf sich beziehen können und du ihnen damit sehr nahekommst?
Ja, es ist mir bewusst und ich lasse die Leute auch nahe an mich heran. Das ist der Deal, der unausformuliert passiert. Aber ich kann auf keinen Fall der Therapeut meiner Hörer sein. Das muss sich jeder selbst sein.

Kannst du dich der Idee öffnen, dass es einen höheren Sinn gibt, einen Architekten oder Architektin, der das alles hier gebaut hat?
Nicht so, wie die Menschen sich eine Person vorstellen. Das glaube ich nicht. Irgendeine Art von Ordnung ist da, ja. Es gibt einen Rahmen, eine Grenze zwischen Sein und Nichtsein. Ich glaube, mein Gehirn ist nicht leistungsstark genug, um das zu verstehen. Im Fühlen kann man der Sache schon näherkommen. Deswegen bin ich beim Musikmachen so hinter dem Gefühl her.

Warum schieben viele Menschen, wenn sie über den Sinn des Lebens philosophieren, ein “Das soll jetzt nicht esoterisch klingen…” ein?
Komisch, dass es so in Verruf ist. Denn was gibt es besseres für uns Menschen, als uns selbst auf den Grund zu gehen, zu spüren und die Welt zu erleben? Aber es liegt am Kitschfaktor. Es liegt an den Läden mit Edelsteinen und Weihrauch. Kitsch ist der Moment der Unehrlichkeit. Wenn es kippt. Jeder Impuls, der an und für sich authentisch ist, kriegt die Gartenzwergzipfelmütze aufgesetzt und dann kann man ihn nicht mehr ernst nehmen. Mein Bandkollege Kaas ist ja mit 120 Prozent in die Liebe hineingegangen. Und in die Edelsteinläden. Bei ihm habe ich das auch voll gefühlt. Sich grinsend mit rosa Cover hinzustellen und zu sagen, “Ich bin für die Liebe”, das hatte die größten Eier. Die größtmögliche Ansage. Auch ein sehr inspirierender Impuls für die Geburt der Orsons: positiv sein.

Ich krieg’s oft nicht hin, mein Lächeln aufrechtzuerhalten. Es friert ein.
Ey, als du den Raum betreten hast, dachte ich, da kommt Vincent Van Gogh. Du hast diese Augen. Ich beobachte das seit Ewigkeiten. Ich gucke Leute an und denke: Ich kenn’ dich zwar nicht, aber ich weiß ganz genau, du bist unter Wasser. Ich hatte zum Beispiel 2016 eine ganz schlechte Phase. Mein Dad starb, ich war auf Tour, alles war zu viel. Aus der Zeit habe ich letztens Fotos gesehen. Obwohl ich darauf geposed habe, hatte ich das Gefühl, darauf einen Gesichtsausdruck zu haben, den ich überhaupt nicht mehr hinbekommen würde. Das war so … anders. Überhaupt keine Kapazität, eine Maske aufzusetzen.



Auf “Vorstadt” beschreibst du deine Wandlung vom schüchternen Jungen zum Schläger an der Reutlinger Tanke. Wie fühlt es sich an zu schlagen, wie geschlagen zu werden?
Ich habe wirklich heftigst auf die Fresse bekommen und meine Rechnungen bezahlt. Vollkommen zu Recht. Gott sei Dank ist es nie wirklich ausgeartet, aber ich habe nach wie vor ein paar Verletzungen an den Händen und am Gesicht, die bleiben. Die sind das ausgleichende Element für den Handel, meine Aggressionen so ausgelebt zu haben. Kämpfen hat viel mit Angst zu tun. Und dem akuten Gefühl, der Angst überlegen zu sein. Angenommen, jemand fängt Ärger mit dir an. Angst kommt auf. Du schätzt ihn ein. Körperlich. Geistig. Dann musst du es schaffen, mehr Wut in dir zu erzeugen, als der andere. Du gibst ihm eine Faust. Dann ist ein anderer Modus an. Man denkt nicht mehr. Ich wollte immer den Kampf gewinnen, aber niemanden im Blutrausch den Schädel kaputt prügeln. Nach dem Kampf gibt es eine Phase der Euphorie. Und dann der Rattenschwanz. Polizei, Nachspiel, das Gehirn kommt zurück. Und das ist meistens sehr unangenehm. In fast allen Fällen habe ich mir gedacht: Das hätte jetzt nicht sein müssen.

Ich glaube, Wut ist eine der am stärksten unterdrückten Emotionen in unserer Gesellschaft und auch das kann zu Depressionen führen.
Klar, aber wenn ich meiner Wut jedes Mal nachgeben würde, würde ich jedem zweiten die Fresse polieren und das wäre auch nicht so geil. Ich bemerke das bei meinen Kindern. Die lieben bedingungslos, die sind aber auch bedingungslos wütend und zerstörungswütig. Ungebremst.

Der dritte Part von Vorstadt beschreibt dein neues Ich. Bist du zentriert, bist du bei dir?
Nö. Na ja, geerdeter als früher. Aber keine Ahnung, wo ich bin. Ich will gar nicht, dass alles immer steady ist. Da fehlt mir einfach das Gefühl des Kontrastes.

Wenn du heute das Intro von Grau hörst, besonders das Momo-Zitat, was macht das mit dir?
Ich bin immer noch stolz darauf, den Treffer gelandet zu haben. Besser hätte man es nicht auf den Punkt bringen können. Was Momo angeht, war es einfach ein Glücksfall, diesen Schnipsel zu finden. Ich glaube, da ist es wie mit all meinen Songs. Es herrscht eine Distanz zwischen dem Gesagten und dem emotionalen Zustand, aus dem es kommt. Es berührt mich nicht mehr. Ich habe das Sample gefunden, ich habe den Song gemacht, ich habe es verarbeitet. Ich betrachte das nicht mehr mit offenem Herzen und sage: Wow, das berührt mich. Ich sehe es eher wie ein Regisseur, der sagt: Eine gute Szene, die hat funktioniert.

Am Anfang merkt man noch nicht viel davon
Man hat eines Tages keine Lust mehr irgendetwas zu tun
Nichts interessiert einen, man ödet sich
Aber diese Unlust verschwindet nicht wieder, sondern sie bleibt
Sie wird schlimmer; von Tag zu Tag, von Woche zu Woche
Man fühlt sich immer missmutiger, immer leerer im Innern
Immer unzufriedener mit sich und der Welt
Die ganze Welt kommt einem fremd vor
Und geht einen nichts mehr an
Es gibt keinen Zorn mehr, und keine Begeisterung
Man kann sich nicht mehr freuen und nicht mehr trauern
Man verlernt das Lachen und das Weinen
Dann ist es kalt geworden in einem
Und man kann nichts und niemanden mehr lieb haben
Dann hört nach und nach sogar dieses Gefühl auf
Und man fühlt gar nichts mehr
Man wird ganz gleichgültig und grau.

Momo, zitiert im Intro von Grau

Tua und Laurens Dillmann
Tua und Laurens Dillmann an der Spree.

Auf Grau gibt es auch einen Song namens “Endpunkt”. Wie sah dein Endpunkt aus, an dem du etwas ändern musstest?
Ich war in einer ziemlich rauen Kokain-Phase. Drei Tage Feiern, noch mal nachlegen, noch mal, noch mal, bis es endgültig zu viel war. Ich hatte einen Kreislaufzusammenbruch und eine Panikattacke, kam ins Krankenhaus und dachte, ich sterbe. Dann kam ich wieder runter, der Kreislauf beruhigte sich und ich hatte die mega Euphorie. Ein riesen Auf und Ab, in bis dahin ungekannten Höhen und Tiefen.

Die Kunst ist dann, auf den Hochs und Tiefs surfen zu lernen?
Man tut gut daran, es in irgendeiner Form zu umarmen. Als Teil dessen, was man nicht ändern kann. Zen-mäßig. Alles Teil des Prozesses. Es muss passieren. Dann kann man auch mehr Distanz aufbauen, als wenn man sich die ganze Zeit gegen irgendetwas sträubt und sich vor seiner eigenen Emotionalität abschottet. Wenn es noch weiter nach unten geht, kommt es da nämlich dazu.

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