Einer meiner Kumpels arbeitet als Innenarchitekt—und zwar bei einem der Unternehmen, die diese atemberaubenden Häuser bauen, die man bei Pinterest oder in gehobenen Architekturmagazinen findet. Neben Prominenten gehören zu seinen Kunden auch die Leute, die nicht zweimal darüber nachdenken müssen, so viel Geld für eine Hermès-Tapete (so etwas gibt es anscheinend wirklich) auszugeben, wie du in einem ganzen Jahr verdienst.
Als ich mich das letzte Mal mit besagtem Kumpel (der lieber anonym bleiben will) unterhielt, erzählte er mir von einem Pärchen, das einen speziell angefertigten Bettrahmen verlangte, auf dem ihre Luxus-Matratze (der Preis dafür liegt wohl im knapp sechsstelligen Bereich) richtig zur Geltung kommt. Dieser Wunsch warf bei ihm natürlich so einige Fragen auf, zum Beispiel wer denn im Schlafzimmer anderer Menschen explizit auf die Matratze achtet.
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Bei seiner Arbeit als Innenarchitekt bietet sich meinem Kumpel laut eigener Aussage die Möglichkeit, in die Psyche seiner Kunden zu blicken—das gilt vor allem für die superreichen Klienten, deren Vorlieben bei der Einrichtung des persönlichen Wohnraums manchmal an Soziopathie und Wahn grenzen. Er meinte, dass er die Art des übertriebenen Konsums, den viele Leute verabscheuungswürdig finden, schon oft mit eigenen Augen gesehen und auch schon davon profitiert hätte. Das hat mich neugierig gemacht und deshalb habe ich mich dazu entschieden, meinen Kumpel anzurufen, um mehr über das Leben der Superreichen zu erfahren.
VICE: Offiziell bist du Innenarchitekt, aber was genau sind deine Aufgaben im Unternehmen?
Kumpel: Die Firma, für die ich arbeite, ist sowohl für die Architektur als auch für die Innenausstattung der Objekte verantwortlich. Ich bin aber nur in letzterem Bereich tätig. Am Anfang erzählen uns unsere Kunden meistens von einem gewissen Endresultat, das sie sich im Bezug auf ihr neues Zuhause wünschen. Eine grobe Richtung wird uns aber eigentlich immer vorgegeben. In den meisten Fällen beziehen sich die Kunden auf Referenzbilder, was manche Kollegen gerne mal als „Pinterest-Albtraum” bezeichnen. Danach wird über bereits vorhandene Möbelstücke geredet und für jedes Zimmer eine visuelle Präsentation erstellt. Alle Zimmer beinhalten dabei anregende Bilder, bestimmte von uns vorgeschlagene Einrichtungsgegenstände, Material- sowie Farbempfehlungen und so weiter. Anschließend werden Diskussionen über das Budget geführt und die weiteren Schritte geplant.
Das perfekte Projekt ist das, bei dem mein Unternehmen bei Null anfängt und der Kunde an nichts hängt. Bei Ferienhäusern ist es zum Beispiel oft so, dass wir alle Gegenstände neu kaufen—von den Teppichen und Esstischen über die Kronleuchter und Fußabstreifer bis hin zu den Kaffeetassen, Seifen und Pümpeln. Mein Traum ist ein Kunde, der keine Hemmungen hat und mir komplett freie Hand lässt. Die Realität sieht allerdings leider immer so aus, dass man uns ständig mit Fragen bombardiert und die Kunden nervös werden, wenn wir ihnen Dinge empfehlen, die sie nicht kennen oder sich nicht vorstellen können. Das ist komisch, denn eigentlich werden wir doch genau deswegen engagiert—also weil die Kunden selber keine wirklichen Vorstellungen und Ideen haben.
Wie muss man sich die Kunden vorstellen, für die du arbeitest?
Wir haben auf jeden Fall eine Spitzenklientel. Ein Innenarchitekt bzw. -ausstatter ist definitiv ein Luxus, den sich nur die ganz reichen Leute leisten können. Es kommt nur selten vor, dass wir in einer Wohnung tätig werden, die weniger als drei Millionen Dollar kostet. Im Allgemeinen sind sie viel mehr wert. Für das teuerste New Yorker Apartment, in dem ich mich je auslassen durfte, musste der Besitzer gut 15 Millionen Dollar hinlegen. Außerdem sind wir noch in Kalifornien, europäischen Städten und einigen beliebten Urlaubsorten tätig.
Und trotz des Reichtums unserer Kunden will jeder von ihnen ein Endergebnis sehen, das mehr kostet, als sie ausgeben wollen. Noch nie wurde uns ein unbegrenztes Budget zur Verfügung gestellt und jeder ist immer total überrascht, wenn wir erklären müssen, wie viel das Apartment oder Haus kosten wird, das sie sich in ihrem Kopf bereits ausgemalt haben.
Vor allem Prominenten sind da richtig schlimm. Die wollen immer die Veröffentlichungsrechte (damit könnten wir ihren Namen oder Fotos unserer Arbeit in einem Designmagazin verwenden) gegen einen Preisnachlass eintauschen. Oder sie wollen gleich alles umsonst—das ist nicht nur nervig, sondern bringt uns auch immer in die unangenehme Lage, für andere Leute nach einem Gefallen zu fragen.
Wie hat sich dein Unternehmen seinen guten Ruf erarbeitet?
Unsere Kunden stellen uns an, weil sie nicht nur von dem überzeugt sind, was wir ihnen bieten können, sondern weil ihnen auch gefällt, wie meine Chefs drauf sind und welchen Lifestyle sie leben. Die Grundlage hierfür bilden vor allem die sozialen Netzwerke sowie die Gesellschaftskreise—also läuft vieles auf Weiterempfehlungen hinaus. Wenn jemand dein Zuhause designt, dann ist das schon ein großer Luxus, und dazu sind Konkurrenz- und Statusdenken meiner Meinung nach auch noch tief in unserer Kultur verwurzelt.
Wie läuft es bei der Innenausstattung mit der Bezahlung ab?
Wir versuchen, keine Aufträge anzunehmen, bei denen das Budget für die Möbel unter 200.000 Dollar liegt. Idealerweise sollten uns für jedes Zimmer zwischen 50.000 und 60.000 Dollar zur Verfügung stehen. Mehr ist natürlich immer besser. Die Abrechnung variiert dann von Projekt zu Projekt.
Im Bereich der Architektur orientieren wir uns an den Baukosten und berechnen davon zwischen 20 und 30 Prozent. Beim Design ist es ähnlich. Auf Möbelstücke schlagen wir natürlich auch einen Gewinn für uns drauf, aber normalerweise berechnen wir eine normale Gebühr für den Ausstatter oder einen Stundenlohn von bis zu 300 Dollar die Stunde. Dabei kommt es vor allem auf das Gesamtbudget des Kunden an, aber auch darauf, wie wir ihn einschätzen. Wenn wir uns sicher sein können, dass er uns total auf die Nerven gehen wird und drei Wochen braucht, um sich einen Couchtisch auszusuchen, dann ist das zumindest finanziell gesehen vorteilhaft—wir berechnen dann auf jeden Fall den eben erwähnten Stundenlohn, weil wir ja mehr Zeit brauchen werden und solche Kunden im Regelfall auch weniger kaufen.
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Beschreibe mal deine Kunden.
Viele Leute stellen einen Designer an, weil sie einen Lifestyle und ein Image kreieren wollen, die sie anders nicht erreichen würden. Sie wollen nicht einfach nur neue Sachen—sie haben eine genaue Vorstellung davon, wie ihr perfektes Zuhause oder der ideale Lifestyle aussieht. Ich finde es immer total interessant, wenn mir meine Kunden beschreiben, wie andere Leute die Wohnung wahrnehmen sollen, denn sie haben dafür oft ganz oberflächliche Gründe.
Hier ein Beispiel: Wir haben für eine Kundin mal ein riesiges Bücherregal angefertigt, das wir dann noch mit Bücher füllen sollten, die einfach nur „gut aussehen.” Wir haben deshalb eine Auswahl bestellt, die zwar größenmäßig und farblich gut zusammenpasste, aber auch Bücher enthielt, für die sich die meisten Leute wirklich schämen würden. Ich habe gut ein Viertel des Regals leer gelassen, damit die Kundin auch noch ihre eigenen Bücher unterbringen konnte, aber sie meinte dann nur so etwas nach dem Motto „Es würde sicher viel besser aussehen, wenn ihr den Rest auch noch voll macht”. Damit wollte sie wohl sagen, dass sie selbst keine Bücher besitzt und auch nicht vor hatte, irgendwelche zu lesen. Es ist schon ziemlich komisch, etwas so Persönliches wie eine Büchersammlung zusammenzustellen.
Es gibt aber auch Kunden, die riesige Bücherregale bestellen und dann ganz spezifische Bücherwünsche angeben. Ein Junggeselle könnte zum Beispiel 500 Kunstbücher anfordern, obwohl er selber noch kein einziges besitzt. Er will seine Gäste glauben lassen, dass er an Kunst interessiert ist, obwohl das ganz und gar nicht der Realität entspricht. Das ist alles nur Fassade. Vielleicht will er damit verbergen, dass er keine eigenen Interessen und keinen eigenen Geschmack hat.
Wenn du in einer Wohnung wohnst, die sowohl materiell als auch psychologisch betrachtet einen „erfolgreichen” Lifestyle widerspiegelt, dann erscheint dieser Lifestyle vielleicht auch irgendwie wie die Realität.
Hier noch ein weiteres Beispiel: Ein alleinstehender Mann will sich so dringend als Familienmensch ausgeben oder sehnt sich so sehr nach einer Familie, dass er sogar dazu bereit ist, Leute dafür zu bezahlen, an einem familienfreundlichen Zuhause zu arbeiten, das er sich in seinem Kopf zusammenbaut. Wir haben einmal eine Wohnung für einen Kunden entworfen, der alles für zwei Personen haben wollte—also ein Badezimmer mit zwei Waschbecken, ein Schlafzimmer mit zwei Schränken und so weiter. Dabei hatte er gar keine Frau, keine Freundin, keinen Partner, einfach nichts dergleichen. Ähnlich ist es, wenn sich ein Kunde ein Kinderzimmer wünscht, obwohl er keine Kinder hat. Viele Kollegen haben mir auch schon ähnliche Geschichten erzählt.
Sind dir bei den Leuten, die viel Geld besitzen und Innenarchitekten engagieren, schon irgendwelche immer wiederkehrenden Persönlichkeitszüge aufgefallen?
In der heutigen Kultur ist es anscheinend sehr wichtig, im Überfluss und über seinen finanziellen Möglichkeiten hinaus zu leben. Fast jeder unsere Kunden hat eine Vorstellung im Kopf, die er oder sie sich dann aber nicht zwangsläufig leisten kann. Selbst wenn viel Geld vorhanden ist, ist das Traumhaus dann doch häufig zu teuer.
Ergibt das für dich Sinn?
Irgendwie kann ich diese Denkweise schon verstehen. Wenn dein Wohnraum viele persönliche Züge trägt, dann kann er meiner Meinung nach die Art und Weise beeinflussen, wie du dein Leben lebst. Wenn du in einer Wohnung wohnst, die sowohl materiell als auch psychologisch betrachtet einen „erfolgreichen” Lifestyle widerspiegelt, dann erscheint dieser Lifestyle vielleicht auch irgendwie wie die Realität. Ich finde es gut, wenn die von uns erschaffenen Wohnräume unseren Kunden dabei helfen, eine Art Idealbild zu erreichen—egal, wie dieses Idealbild nun auch aussehen mag.
Ich habe das Gefühl, das vieles von dem, was ich hier gesagt habe, irgendwie negativ rüberkommt. Was meinen Job aber so angenehm macht, ist die Möglichkeit, das perfekte Zuhause für Einzelpersonen oder Familien zu erschaffen, die davon keine eigene ausgereifte Vorstellung haben.