Was von der Fußball-EM 2008 in Österreich übrig blieb

Bereits im Vorfeld der Fußballeuropameisterschaft in Frankreich, die gerade in ihre heiße Phase kommt, gab es zahlreiche Bedenken, wie die Euro 2016 über die Bühne gehen würde. Das Sicherheitsaufgebot war wegen der Terroranschläge in Paris lange vor dem sportlichen Großereignis enorm und wurde sogar noch einmal aufgestockt. Gleichzeitig wird das Land aktuell von zahlreichen Streiks und teils gewalttätigen Demonstrationen erschüttert.

Auf der anderen Seite ließ die sportliche Leistung am Fußballfeld im bisherigen Verlauf der EM noch zu wünschen übrig. Tore sind Mangelware, Österreich enttäuscht mal wieder, wenn es drauf ankommt, und selbst Titelverteidiger wie Spanien, Deutschland und das Gastgeberland Frankreich lieferten bisher keine Szenen, die sich ins mentalen Sammelalbum schöner Fußballbilder einkleben lassen.

Falls du jetzt schon genug von der EM hast, lies hier, wie du ihr aus dem Weg gehen kannst.

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Was von den Vorrundenspielen bleibt, sind viel mehr die brutalen Bilder von Ausschreitungen englischer und russischer Hooligans in Marseille und anderen französischen Städten, Aufnahmen von sich gegenseitig verprügelnden Anhängern des selben Nationalteams—etwa im kroatischen Sektor beim Spiel gegen Tschechien, oder im ungarischen beim Spiel gegen Island—und der Vorwurf an die UEFA, diese Bilder ebenso zu zensieren, wie leere Zuschauerränge und VIP-Bereiche.

Eine echte Bilanz über die sportlichen und weniger sportlichen Ereignisse rund um die Euro 2016 lässt sich natürlich erst nach dem Finale ziehen. Trotzdem ist schon jetzt klar, dass auch nach dem Endspiel der diesjährigen EM viele Fragen offen bleiben werden. Weil auch hierzulande selbst acht Jahre nach der Euro 2008 noch nicht alle größeren und kleineren Skandale geklärt sind, haben wir uns mal angesehen, was denn eigentlich vom drittgrößten Sport-Event der Welt in Österreich übrig geblieben ist.

Die Südseite des Ernst-Happel-Stadions. Foto: Peter Gugerell | Wikimedia Commons

Die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz war die zweite, die in mehr als einem Gastgeberland stattfand. Von den 31 Spielen fanden immerhin 16 in Österreich statt, darunter auch das Finalspiel am 29. Juni 2008 im Ernst-Happel-Stadion in Wien—eines von insgesamt sieben Spielen, die in der Bundeshauptstadt ausgetragen wurden. Der Rest wurde in der Schweiz ausgetragen.

Um die 16 Spiele in Wien, Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt zu ermöglichen, mussten die vier Stadien aufgestockt werden. Zusätzlich wurde das Wörthersee Stadion in Kärnten völlig neu gebaut. Aus dem Nachhaltigkeitskonzept für die Euro 2008, das VICE vorliegt, geht hervor, dass für die Finanzierung der Stadien vom Bund insgesamt rund 100 Millionen Euro locker gemacht werden sollten. Tatsächlich beliefen sich die Gesamtkosten des Bundes laut dem im November 2008 veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht aber auf 133 Millionen Euro—Geld, das zu 100 Prozent aus Steuergeldern stammte. (Zum Vergleich: 2016 werden insgesamt 75 Millionen Euro für Integrationsmaßnahmen locker gemacht.) In diese Summe nicht eingerechnet sind allerdings die Sicherheitskosten, die sich allein in Innsbruck auf weitere 1,45 Millionen Euro beliefen.

In Wien und Innsbruck ging der Aus- und anschließende Rückbau der Stadien relativ problemlos über die Bühne. In Wien beliefen sich die Kosten für die Adaptierung des 1931 errichteten Ernst-Happel-Stadions dabei auf etwa 18 Millionen Euro. Die Zuschauerkapazität wurde von 49.825 Plätzen auf 52.008 aufgestockt. Außerdem bekam die Arena einen neuen VIP-Klub und zwei neue Videowalls.

Das Tivoli-Stadion beim EM-Spiel Spanien gegen Schweden 2008. Foto: Nicholas B | Wikimedia Commons

Das 1999 erbaute Tivoli-Stadion in Innsbruck wurde auf 30.772 Plätze aufgestockt. Allerdings wurden Module für die zusätzlichen Sitzplätze gleich nach der EM wieder entfernt und das Stadion auf 15.200 Plätze rückgebaut. Insgesamt kosteten die Baumaßnahmen 30,6 Millionen Euro.

Interessant ist, dass hier der dem Nachhaltigkeitskonzept zu entnehmende Finanzierungsschlüssel nicht gegriffen hat. Ursprünglich geplant war, dass sich Bund, Länder und Städte die jeweilige Finanzierung dritteln. In Innsbruck kamen jedoch lediglich 2,7 Millionen Euro vom Land Tirol. Der Rest wurde aus Bundesmitteln finanziert. Dennoch stand der Innsbrucker EM-Koordinator und Vizebürgermeister Christoph Platzgummer (ÖVP) am Ende vor einem riesigen Finanzloch und musste zurücktreten.

In Salzburg fanden drei Vorrundenspiele in der Red Bull Arena Wals-Siezenheim statt. Dafür wurden die ursprünglich 18.250 Plätze um 27 Millionen Euro auf 31.500 Plätze erweitert. Die Adaption sollte rein temporär sein und nach dem Ende der Europameisterschaft rückgängig gemacht werden. Dazu kam es allerdings nie. Die damalige Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) nannte laut Wiener Zeitung den geplanten Rückbau einen “Schildbürgerstreich” gegenüber dem Stadionmieter Red Bull und setzte sich für den Beibehalt der zusätzlichen Ränge ein, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch ein Beschluss der Landesregierung für den Rückbau aufrecht war.

Red Bull wiederum beteuerte, dass man “fünf bis sechs Mal pro Jahr” internationale Spiele nach Salzburg holen wolle. Tatsächlich erweist sich das Stadion seither sowohl für den Ligabetrieb, als auch für internationale Spiele als viel zu groß. Derzeit verfolgen durchschnittlich nur 8.483 Zuschauer die spiele des FC Red Bull Salzburg live im Stadion.

Leere Ränge in der Red-Bull-Arena beim Spiel zwischen Kamerun und Russland 2011. Foto: Ungry Young Man | flickr | CC BY 2.0

Die bei weitem größte Kontroverse rund um die Fußballeuropameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz löste aber der Neubau des Wörthersee Stadions in Klagenfurt aus—und tut es bis heute. Ursprünglich sollte der Neubau 52,5 Millionen Euro kosten. Aktuell lautet die Summe an Steuergeldern, die Jörg Haiders Prestigeprojekt bereits verschlungen hat, 93,8 Millionen.

Eigentlich bietet das Wörthersee Stadion Platz für 30.000 Besucher und wäre somit auch von Anfang an als Veranstaltungsort für Konzerte oder andere große Sportevents denkbar gewesen—wäre, wenn es sich nicht bei 18.000 Plätze um einen Schwarzbau handeln würde und diese in Folge bis vor kurzem nicht benutzt werden durften. Damit waren etwa internationale Fußballspiele nicht möglich. Konzerte durften ebenso wenig stattfinden wie andere Kulturveranstaltungen. Nur der SK Austria Klagenfurt konnte seine Spiele in dem Millionengrab austragen—und tat das in der Saison 2015/16 vor durchschnittlich 988 Fans.

Ein (ursprünglich beschlossener) Rückbau war nach der “Permanentmachung” durch Jörg Haider und Klagenfurts Bürgermeister Harald Scheucher bautechnisch nicht mehr möglich. Um den Schwarzbau zu entfernen, hätte demnach das gesamte Stadion abgerissen werden müssen. Genau darüber wurde noch bis Februar 2016 juristisch verhandelt.

Nun, acht Jahre nach dem Eröffnungsspiel der Euro 2008 in Basel, gibt es aber ein glückliches Remis im gerichtlichen Nachspiel rund um das Wörthersee Stadion: Die Stadt Klagenfurt übernimmt die Anwaltskosten sämtlicher Kläger, die im Gegenzug auf weitere Rechtsmittel verzichten. Damit kann das Stadion 2016 erstmals uneingeschränkt benutzt werden. Fehlen nur mehr der Aufstieg der Austria und 29.000 zusätzliche Fans.

Das Wörthersee-Stadion in Klagenfurt. Foto: Johann Jaritz | Wikimedia Commons

Von der Fußballeuropameisterschaft 2008 in Österreich blieben also vor allem verschwendete Steuergelder, juristische Kosten, leere Sitzplätze und ein riesen Stadion ohne Besucher. Hinzu kommen der digitale Polizeifunk mit Sicherheitslücken in Salzburg und die immer wieder in Kritik geratene “Hooligan-Datei”.

Eine der wenigen positiven und tatsächlich nachhaltigen Errungenschaften ist die Verlängerung der U2. Hier war die eigens für die EM geschaffene Anbindung des Ernst-Happel-Stadions an das Wiener U-Bahn-Netz der Startschuss für eine Verlängerung, die mittlerweile immerhin neun neue Stationen beinhaltet. Von der Welt wird Österreich dennoch als schlechtester EM-Gastgeber geführt. Ob uns Frankreich diesen Platz streitig machen wird, wird sich zeigen. Einen Schlagabtausch zwischen dem heurigen Gastgeber und dem von vor acht Jahren könnte es jedenfalls noch bis zum 10. Juli geben. Zumindest in der Theorie.

Paul spielt auch auf Twitter mit: @gewitterland