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Tödliche Toilettenspülung: Das Nazi-U-Boot, das im eigenen Stuhlgang unterging

U-1206 zählte zu den fortschrittlichsten U-Booten, die während des zweiten Weltkriegs vom Stapel gingen, und doch lag es nur wenige Tage nach seiner Jungfernfahrt auf dem Grund der Nordsee. Schuld am Untergang waren ausnahmsweise nicht die Alliierten U-Bootjäger, sondern der Kapitän von U-1206. Er hatte die Hightech-Toilette seines Bootes falsch bedient, was im April 1945—nur wenige Wochen vor dem Ende des zweiten Weltkriegs—zu einem tragischen Unglück vor der schottischen Küste führte.

Jahrelang hatten die Marineingenieure der Nazis versucht, neue fortschrittliche Tiefseetoiletten zu entwickeln. Während die U-Boote der Alliierten ihren Stuhlgang in Fäulnistanks an Bord entsorgten, ließen die Nazi-U-Boote ihr Toilettenabwasser direkt ins Meer ab. So sollte wertvoller Platz gespart und das Gewicht reduziert werden, was in Unterwasserschlachten einen entscheidenden Vorteil bieten konnte.

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Die sanitären Strategien der Nationalsozialisten stellten die Ingenieure jedoch vor große Herausforderungen. Das System funktionierte anfangs nur, wenn sich das U-Boot nahe der Wasseroberfläche aufhielt, wo der Wasserdruck entsprechend geringer war. Zu welchen alternativen Entsorgungsmaßnahmen die Mannschaft während wochenlanger Tauchgänge greifen musste, kann man sich heute nur noch vage ausmalen.

Das U-Boot lag in 60 Meter Wassertiefe als Schlitt sich entschied, dass er die Toilette auch alleine bedienen kann.

Je länger der Krieg andauerte, desto fortschrittlicher wurde auch die Technologie mit der die Alliierten die deutschen U-Boote jagten. In den letzten Kriegsjahren war die deutsche U-Bootflotte vor allem nahe der Wasseroberfläche eine leichte Beute für ihre Gegner und das Auftauchen in flacherem Wasser wurde zunehmend riskanter.

Modernere Probleme mit falsch bedienten Toilettensysteme: Jemand hat so dermaßen in eine British Airways Maschine geschissen, dass sie umdrehen musste

1945 jedoch konnten die Toiletteningenieure der deutschen Marine einen wichtigen Durchbruch verkünden. Eine neue “Tiefsee-Hochdruck-Toilette” ermöglichte es der Besatzung, auch in großer Wassertiefe zu spülen und erlaubte ein Ablassen des Stuhlgangs ins Meer.

Das neue System war zwar für seine Zeit äußerst fortschrittlich, allerdings gleichzeitig auch extrem kompliziert. Zunächst leitete es die menschlichen Exremente durch eine Reihe von Kammern zu einer Druckschleuse, von wo aus die Ladung dann mit Hilfe von Druckluft in Form eines Art Scheiße-Torpedos ins Meer gefeuert wurde.

Auf jedem U-Boot fuhr ein Spezialist mit, der genau mit dem Prozedere der Toilettenoperation vertraut war. Es war entscheidend, dass die Mannschaft in einer vorgegeben Reihenfolge Ventile öffnete und schloß, um sicherzustellen, dass das Abwassersystem in die richtige Richtung ausfloss.

Der 14. April 1945 war der achte Einsatztag für U-1206 und seinen 27-jährigen Kapitän Karl-Adolf Schlitt. Das U-Boot lauerte in rund 60 Metern Wassertiefe in der Nordsee als Schlitt sich entschied, dass er die Toilette auch alleine bedienen kann.

Allerdings hatte Schlitt nie ein Spezialtraining in Sachen Toilettenoperationen absolviert. Nachdem er schließlich den ausgebildeten Ingenieur zu Hilfe gerufen hatte, öffnete dieser versehentlich ein falsches Ventil, woraufhin das Unglück endgültig seinen Lauf nahm: Ein reißender Strom aus Abwasser und Meerwasser ergoss sich in das Innere des U-Boots.

Die Situation geriet schnell außer Kontrolle. Das unerfreuliche Gemisch füllte das Toilettenabteil und breitete sich in den darunter gelegenen riesigen Bordbatterien aus. Dort löste die Flüssigkeit wiederum eine chemische Reaktion aus, woraufhin sich Chlorgas im Boot ausbreitete.

Schlitt gab den verzweifelten Befehl aus, das Boot sofort aufsteigen zu lassen. Um die Auftriebskraft zu stärken, feuerte die Mannschaft auch all ihre Torpedos ab und entledigte sich ihrer Ballasttanks.

“Inzwischen hatten uns jedoch britische Flugzeuge und Patrouillenboote entdeckt”, erkläre Schlitt in seinem offiziellen Protokoll. Nachdem das Boot durch Luftangriffe getroffen wurde, blieb der Mannschaft nur noch, über Bord zu gehen und U-1206 zu versenken.

“Die Mannschaft erreichte die schottische Küste in Schlauchbooten”, fügte Schlitt hinzu. “Als wir versuchten, bei starkem Seegang entlang der Steilküste zu navigieren, kamen drei Mitglieder der Mannschaft auf tragische Weise zu Tode. Mehrere Männer wurden von einer britischen Schaluppe an Bord genommen. Die Toten waren Hans Berkhauer, Karl Koren und Emil Kupfer”, schreibt Schlitt in seinem Bericht.

Kapitän Schlitt selbst überlebte das Unglück und den Krieg und starb im Jahr 2009. U-1206 liegt bis heute auf dem Grund der Nordsee.

Dieser Artikel erschien zuerst auf englisch bei War is Boring