Die NBA-Playoffs schreien vielleicht nicht nach Verbesserungen, sind aber definitiv alles andere als perfekt. Auch dieses Jahr wimmelt es wieder nur so vor talentierten Teams in der Western Conference, während sich in der Eastern Conference beim Kampf um die letzten Playoff-Tickets Mannschaften ein Hauen und Stechen geliefert haben, die in der ersten Runde eh hochkantig rausfliegen werden. Das ist aber alles in allem keine große Tragödie. Zwar haben wieder einige gute Teams im Westen die Playoffs verpasst, sollten dafür aber bei der Draft Lottery entschädigt werden. Und gewisse Duelle im Osten wird man sich mal wieder schenken können, was natürlich all denjenigen entgegenkommt, bei denen Playoff-Beginn und Vernachlässigung der Körperhygiene zeitlich oft zusammenfallen. Vielleicht sollten wir einfach mal ein langes Bad nehmen, wenn die Hawks auf die Nets treffen. Schaden kann’s nicht.
Es ist schon komisch, dass ein eher minderschwerer Systemfehler der NBA zu Reaktionen führt, die ansonsten eher unbeliebten Politikerentscheidungen vorbehalten sind. Wie dem auch sei, die Basketball-Gemeinde im Internet ist not amused. Und klar, natürlich wäre es auf den ersten Blick besser, wenn die NBA ihr Regelwerk dergestalt verändert, dass lausige Eastern-Conference-Teams Platz machen für Teams aus dem Westen, denen man zumindest eine kleine Chance einräumt, in den Playoffs weit zu kommen. Während es die wenig inspirierenden Celtics in die Postseason schafften, darf Russell Westbrook nur zuschauen. Wer nicht gerade in New England wohnt, wird diesem Umstand wohl nur wenig abgewinnen können.
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Um dieser misslichen Situation Herr zu werden, wurde schon mehrfach eine ziemlich einfache Lösung vorgeschlagen: die Conferences abschaffen und die 16 besten Teams der NBA ins Playoff-Bracket stecken, geordnet nach deren Siegquote während der regulären Saison. Das würde endlich für faire—und vermutlich auch unterhaltsamere—Playoff-Serien sorgen, etwa in Form von weniger Erstrunden-Sweeps mit großen Punktabständen und ingesamt mehr talentierten Teams in der Postseason.
Doch der größte Nachteil wäre wohl, dass wir auf einige packende Playoff-Duelle von Conference-Rivalen verzichten müssten. Denn bei dem aktuellen System erleben wir immer wieder, dass zwei Teams—wenn sie mehrere Saisons hintereinander konkurrenzfähig sind—im Laufe der Zeit oft genug aufeinander treffen, um echte Rivalen zu werden. Die Grizzlies, zum Beispiel, hatten es in der Postseason sowohl 2012 als auch 2013 mit den Clippers zu tun, während die Heat nach 2011 auch 2013 auf die Bulls trafen. Und die Spurs und die Thunder spielten in den letzten Jahren gleich zweimal gegeneinander um die Krone im Westen. Wenn jetzt aber die besten 16 Teams der NBA in die Playoffs vorrücken und es bei der Setzliste ausschließlich um die Siegquote geht, wird es seltener zu von Rivalität geprägten Duellen kommen. Klar würden wir extrem unterhaltsame Serien zu sehen bekommen, doch die Wahrscheinlichkeit auf ein brisantes Wiedertreffen von zwei alten Playoff-Bekannten wäre deutlich geringer.
Warum das nicht zu unterschätzen ist, wird deutlich, wenn es zu einem entscheidenden Spiel 7 zwischen altbekannten Rivalen kommt. Oder achte einfach nur mal darauf, wie Zach Randolph Blake Griffin anschaut, wenn sie gemeinsam auf dem Court stehen. Denn klar ist: Wenn dich eh schon kein Spiel deiner Mannschaft kalt lässt und du in der Postseason umso mehr am Rad drehst, weil so viel auf dem Spiel steht, wirst du zu einer Mannschaft, gegen die dein Lieblingsteam in den Playoffs mehrere Spiele hintereinander antreten muss, eine gewisse Bindung aufbauen. Wenn es dann ein oder zwei Jahre später zu einer Neuauflage kommt, wirst du mit reichlich Emotionen und Erinnerungen im Gepäck in die Spiele gehen. Und mit jedem neuen Duell wird die eh schon spannende Dramaturgie Stück für Stück und Spiel für Spiel weiterentwickelt.
Der Unterschied zwischen dem heutigen Playoff-System und dem aktuell diskutierten lässt sich auch mit dem Unterschied zwischen Fortsetzungsserien und Serien mit in sich abgeschlossenen Episoden vergleichen. Die Beziehung, die wir als Zuschauer zu dem Bösewicht einer alleinstehenden Folge von „Law & Order” aufbauen, ist deutlich schwächer als die zu einem Fiesling aus Serien wie „Breaking Bad”. Letzteren kennen wir viel besser und sind darum auch emotional viel stärker involviert. Mit anderen Worten ist der Hass oder die Furcht, die wir empfinden, viel ausgeprägter, weil wir schon viele Male mit den gleichbleibenden Protagonisten der Serie mitgefiebert haben. Genauso geht es vielen Bulls-Fans, wenn sie im heimischen United Center LeBron James am Ball sehen, denn der Schmerz—und vor allem die Erinnerung daran—sitzt noch tief. Natürlich wäre es auch spannend, wenn mal Dirk Nowitzki in den Playoffs nach Chicago kommen würde, doch aufgrund der fehlenden Vorgeschichte wäre es einfach nicht dasselbe. Es wäre zwar etwas komplett Neues, aber eben nicht das jüngste Aufeinandertreffen einer seit Langem andauernden blutigen Fehde.
Manch einer könnte jetzt kontern, dass Teams nicht mit weniger Leidenschaft in die Postseason gehen, nur weil sie nicht auf einen ihrer Erzfeinde treffen. Und dass es in jedem Fall wichtiger ist, für mehr Fairness zu sorgen, als Team-Rivalitäten zur heiligen Kuh zu erklären.
Doch sind wir mal ehrlich: Wir müssten uns womöglich auch relativ schnell eingestehen, dass Vernunft, Fairness und Siegquoten nicht das sind, was die Playoffs am Ende zu so einem unbeschreiblichen Erlebnis machen. Wenn NBA-Commissioner Adam Silver und die Teambesitzer wirklich in Betracht ziehen, die Conference-basierte Postseason abzuschaffen, würden wir schon bald etwas aufgeben, das einen wichtigen Teil der NBA-Geschichte ausmacht. Denn ein Bracket mit besseren Teams muss nicht zwingend zu besseren Playoffs führen.