„EDM wird gegen die Wand fahren und niederbrennen.“ – Fatboy Slim im Interview

Es ist ein stürmischer Morgen, als ich mich zum Haus von Norman Cook aka Fatboy Slim aufmache. Während wir uns unterhalten, brechen die Wellen fast bis an die Fensterfront seiners Wohnzimmers. Zwei Dinge fallen mir in seinem Haus in Brighton sofort auf: Er hat sehr viele Preise bei sich rumstehen – eine Handvoll Brit Awards, ein paar MTV-Astronauten, unterschriebene Fußbälle. Und dann ist da noch dieses Regal, dass dir fast ins Gesicht springt, weil es bis obenhin mit der grinsenden Ikone des Acid House gestopft ist: dem gelben Smiley.

Der Smiley und Cooks Lächeln als Ebenbild sind die großen Konstanten unserer Begegnung. Während unserer kompletten Unterhaltung lässt er pausenlos seine Zähne blitzen—ständig ist er bereit, jegliche Ernsthaftigkeit mit seiner selbstironisch selbstgefälligen Attitüde zu durchbrechen.

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Fatboy Slim als Producer, Remixer und DJ wird dir wahrscheinlich ein Begriff sein. Selbst wenn du ausschließlich zu Speedcore in dunklen Kellergewölben tanzt, wirst du schon das ein oder andere Mal mit Norman Cooks Musik in Kontakt gekommen sein. Er ist der Hawaii-Hemd tragende DJ dessen Musik deine Mutter im Auto ganz gerne etwas lauter macht, er ist der Mainstage-Alltimer, auf den sich dein gerade aus der Pubertät kommender Bruder diesen Sommer am meisten freut. Er ist ein untrennbarer Teil der modernen Kultur und ein Relikt der Vergangenheit. Er ist, wie er über sich selbst sagt, „Ein Typ, der Platten auflegt und zwischendurch mit seinen Armen dazu winkt.”

Sein Lächeln wiegt dich zwar nicht in falscher Sicherheit, aber es kann schon ziemlich entwaffnend sein. Zwischendurch vergisst man fast, dass der Typ, der einem gegenüber auf seinem Sofa sitzt, nicht einfach irgendjemand ist, der in der Bar um die Ecke ein paar Partyhits auflegt. Dann fragt man ihn aber plötzlich, wie es sich denn anfühlt, vor einer Viertelmillion Menschen an einem Strand aufzulegen („Die Polizei saß mir im Nacken und meinte, ‚Wenn hier irgendetwas schiefläuft, wird die ganze Sache abgeblasen.’ Die sagten wortwörtlich zu mir, ‚Heute Nacht wird hier jemand sterben.’”) oder ob sich ‚Superstar DJs’ jemals wie Superstars fühlen („Es ist schon etwas peinlich, weil man ja nicht einfach sagen will, ‚Ja, ich bin ein DJ-Superstar’, aber man fühlt sich wie ein Superstar und alle behandeln einen wie einen Superstar”). Als sich Cooks erste Musikerkarriere als Bassist von The Housemartins langsam dem Ende zuneigte, warf er sich sofort Hals über Kopf in seine nächste. Er hätte aber nie zu träumen gewagt, dass das passieren würde, was dann geschah: Aus einem kleinen Remix von Eric B und frühen Eigenproduktionen wie dem Chartstürmer „Dub Be Good to Me”—wurde eine gigantische DJ-Karriere.

Werfen wir noch einmal einen Blick zurück in die frühen Tage der späten 80er. Heute, 2015, scheint zwar alles auf einen zweiten zweiten Sommer der Liebe hinzuweisen—Cook war allerdings schon bei der Geburt dabei. „Das war der erste zweite Sommer der Liebe. Meine ganzen Kumpels trugen Smiley-Bandanas und waren immer so ‚Acieeeeeed!’—ich hatte keine Ahnung, worum es ging. Sie nahmen mich also mit nach Tonka und gaben mir eine Pille.” Für die Uneingeweihten unter euch: Tonka war eine legendäre Partyreihe von DJ Harvey und seinem Kumpel Chocci, die sich manchmal vom Club raus bis zum Strand erstreckte. „Die hatten fanatische Fans, die einfach wussten, dass sie die besten Partys schmeißen—musiktechnisch und was das Setting und die Atmosphäre anging”, so Cook. „Das war das erste Mal, dass DJs zu Göttern erklärt wurden. Dabei half natürlich auch, dass Harvey diesen Jesus-Look hat. Es gibt Leute in meinem Alter, die feuchte Augen bekommen, wenn sie sich an die Partys dort erinnern.”

Das war das erste Mal, dass DJs zu Göttern erklärt wurden.

Tonkas Mix aus allem, was dann als Balearic und dann Acid House bekannt werden sollte, öffnete dem ehemaligen Indierocker die Augen. Seine euphorische Offenbarung erlebte Cook aber erst mit Terry Farley, Andrew Weatheralls Boy’s Own Crew und bei einem Wochenende im Butlin’s [einer Art Centerpark] in Bognor Regis. „Meine Kumpels hatten mich mitgeschleppt und bis dahin hatte ich diese ganze Acid-Geschichte nie richtig verstanden”, sagt er. „An diesem einen Abend bemerkte ich zum ersten Mal: Es waren diese ganzen Acid-Geräusche, die so gut mit Ecstasy funktionieren.”

Auf die Frage, warum wir versuchen, alte Dinge wieder zum Leben zu erwecken, hat Cook einen Schuldigen in der kommerziellen und glattpolierten Plastikwelt des EDM gefunden. „Ich glaube, dass die Leute House zurück aus den Fängen des EDM befreien wollen. Entweder, weil sie selbst Puristen sind oder es ihnen um eine ehrlichere Art geht. Es geht darum, House wieder zu dem zu machen, was House war, und es wieder aus dem kommerziellen Ende des Spektrums zu holen.” Auch wenn Cook ein kommerzieller Magnet ist und auch schon immer war, sieht er zwischen sich und den Stadion-Acts von heute, die feierwütige Prolls aus den Armen von Kid Rock zu Kaskade getrieben haben, keinerlei Gemeinsamkeiten. „Es ist vielleicht ganz OK für den Einstieg, aber keine Frage: EDM wird gegen die Wand fahren und niederbrennen. Das ganze Genre basiert auf einem Pyramiden-System, bei dem es nur darum geht, möglichst viel Kohle zu machen. Sobald es kein Geld mehr abwirft, wird das ganze Kartenhaus in sich zusammenfallen. Wir wollen, dass noch etwas übrig bleibt, wenn die große Blase platzt.”

Foto Neal Whitehouse Piper | Flickr | CC BY-SA 2.0

Die Vergangenheit scheint etwas zu sein, das er nicht einfach nur zum Selbstzweck Revue passieren lassen will. Angesichts der ganzen Nostalgie entscheide ich mich dazu, ihn zu fragen, ob wir uns der Vergangenheit gegenüber zu sehr in der Schuld sehen, da wir in einer Zeit leben, in der unsere Kultur—Clubkultur, Ecstasykultur, Feierkultur, House-Kultur, Techno-Kultur—zu einem Allgemeinplatz geworden ist; ein kulturelles Fundament, das von allem und jedem verstanden wird. „Nostalgie ist etwas, das auf unserem Verlangen basiert, zu alten Werten zurückzukehren. Um das zu erreichen, machen wir Dinge, wie sie früher gemacht wurden”, holt er aus. „Egal, ob die Leute mittelalterliche Schlachten nachspielen oder Jurten bauen, es geht immer darum, verlorene Werte wiederzubeleben. Alles, was momentan in der Dance-Musik passiert, hat damit zu tun, dass die Menschen wieder eine ehrliche Euphorie wollen, statt dieser Ersatzeuphorie, die momentan durch fette Synthie-Flächen erschaffen wird.”

Bevor ich dann wieder raus in das Dunkelgrau dieses unglaublich britischen Tages trete, habe ich noch eine letzte Frage an Cook. Nachdem er so ziemlich jedes Festival gespielt hat, jede Arena und jedes Stadion ausverkauft hat—wie schafft es jemand, der es sich selbst zum Ziel gesetzt hat, andere zum Lachen zu bringen, sich selbst zum Lachen zu bringen? „Ich habe da so ein kleines Ritual: Ich trinke etwa drei Red Bull, ziehe meine Schuhe aus und streife mein Hawaii-Hemd über. Das lässt mich schon mal in meine Rolle schlüpfen. Kurz bevor ich dann auf die Bühne gehe, gibt mir mein Tourmanager ein paar wirklich feste Ohrfeigen. Wenn ich dann raus komme, bin ich im Kampfmodus. Sobald ich mehr als zehn Leute habe, die sich auf meinen Auftritt freuen und ich das auch merke, werde ich wieder zu einem 17-Jährigen, der unglaublich high ist.”

Wir verabschieden uns. Er grinst.

Zusätzlich zu der Re-Issue von Halfway Between the Gutter and the Stars (jetzt erhältlich) und dem vor Kurzem erschienen 4CD-Set The Fatboy Slim Collection, erscheint Mitte August die 20 Years of Being Skint Compilation. Mit diesem Stream hier kannst du dich auf den Festivalsommer vorbereiten:

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