Frida Gold haben ja gar nicht mal Unrecht. Irgendwas muss doch getan werden, um von dem eigenen Elektro-Schlager-Biedermeier und seinen Poesiealbum-Plattitüden abzulenken. Die Antwort der Band aus Bochum darauf: das freizügige Video “Langsam”.
Durch diese erste Single des bald erscheinenden neuen Albums Alina verbreitet sich nun also die Kunde eines schweren Schicksals für den ohnehin gebeutelten deutschen Pop: Frida Gold sind wieder da! Linus Volkmann hat sich dabei deren neusten Clip “Langsam” mal genauer angeschaut. Aus beruflichem Interesse, versteht sich. Mit Erfolg! Er fand alle zehn Fehler. Hier sind sie:
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01. Der Handtuchturban
Hach, was ein natürlicher und intimer Moment, den die Kamera hier für uns einfängt. So räkelt sich Alina Süggeler sicher auch durch die Laken, wenn sie sich unbeobachtet fühlt. Die leichte Irritation, warum sich jemand mit raspelkurzen Haaren einen Handtuchturban aufsetzt, lässt sich dabei leicht lösen: Es ist einfach total sinnvoll und praktisch.
Genau wie: Haargummiringerl für Glatze beziehungsweise Fußball bei Bandscheibenvorfall.
02. Disclaimer: “Frida Gold gefährdet ihre Gesundheit, fangen sie erst gar nicht damit an”
Sich weinend, nachdenklich und nackt im Bett räkeln? Hey, dieser ganze Clip ist doch bloß ein Remake des beliebten Zigarettenschachtel-Motivs “Rauchen bedroht ihre Potenz”!
03. Der WC-Hit
“Wenn du ehrlich bist / dann muss was raus,
weil es dich zerfrisst / und du damit voll beladen bist
Wer kann so viel tragen?
Also fängst du langsam an / und lässt es raus”
(aus “Langsam”, Frida Gold)
Fun Fact: Hat man bei diesen Zeilen einmal angefangen, sich das geheimnisvolle “es” als “Stuhl” vorzustellen, kommt man nicht mehr davon runter, den Song als eine große Ode an den Toilettengang zu hören.
04. “Heiß”, “Durchsichtig”, “Busenblitzer”—Das Frieda Gold-Prinzip und die Medien
Als News-Wert zum Video funktioniert natürlich nur eins: “Alina Süggeler singt im neuen Frida-Gold-Video komplett nackt”. So etikettiert zum Beispiel stern.de seinen Beitrag zum reflexhaft wie stumpfen Voyeurimus der berichtenden Penis-Medien. Dabei sollte den meisten dieser Clickbait-Patienten bewusst sein, dass sich Frida Gold seit Anbeginn ihrer Karriere mit der nackten Haut ihrer Sängerin Wahrnehmung ertriggern.
Aber auch wenn sich die Medien in dem Willen, unbedingt mäßig journalistisch abgefedert Busen zu zeigen, an nichts mehr erinnern wollen, dann gibt es ja zum Glück noch den User—und Google. Letzterer vergisst nichts und bietet bei der Bildersuche zu Frida Gold auch gleich die drei damit meist verknüpften Erweiterungen an: “Frida Gold durchsichtig”, “Frida Gold heiß”, “Frida Gold Busenblitzer”.
Jener aktuell kolportierte Newswert der überraschenden Nacktheit um das “Langsam”-Video entlarvt sich somit natürlich als Farce. Eine Alina Süggeler ohne Klamotten besitzt zumindest noch weniger Seltenheit als ein Taubsi bei Pokemon Go.
05. Gefühle von Rosenstolz
“So dass es mir ganz kurz den Atmen raubt
Die erste Wahrheit kommt ganz langsam raus
Und nimmt ihren Lauf
Du taust langsam auf
Und ich fang dich auf”
(aus “Langsam”, Frida Gold)
“Hey, Frida Gold, Rosenstolz haben angerufen, sie wollen ihren Random-Feelings-Textgenerator wieder. Jetzt wird’s echt eng für euch!”
06. Neues aus der Tränentonne
“Auch wenn Tonnen Tränen entgegenkommen” (aus “Langsam”, Frida Gold)
Ja, wer kennt diese elegante lyrische Wendung nicht? “Ich hab mal wieder eine Tonne geweint!”
07. Distanzlosigkeit mit Nähe verwechseln
Die erste Zeile des Frida-Gold-Songs spricht den Hörer direkt an: “Du, ich glaub daran”. Das hat was von einem Straßenverkäufer, der bemüht ist, sein Gegenüber sofort in die eigene Geschichte einzubinden. Zudem wähnt man sich mit so einem (berechnend) vertrauensseligen “Du” ebenfalls im Abenteuerland der esoterischen Sozialarbeiter: “Du, wo gibt’s denn hier was mit Batik?” oder auch: “Du, ich finde, du hast eine ganz schlechte Aura, kannst du bitte von meinen Engelssteinen weggehen?!”
08. Frida Gold = eine Ehrenfrau?
Im Stück, der Vorbote des neuen Frida-Gold-Albums Alina, wird Deutsch gesungen. Kein Wunder, so war es doch immer? Das ist nicht ganz richtig. Letzten Herbst sollte bereits die Platte erscheinen (unter dem schlichten Namen Frida Gold), sie war komplett fertig. Doch der erste Platz in den deutschen Verkaufscharts ihres Vorgängers (Liebe ist meine Religion) hatte die Band gierig werden lassen. Statt sich als die Moskitos eines deutschpoppigen Zeitgeists zu sehen, der sie sind, wollten Frida Gold mehr. Weltweite Touren und Plattenverkäufe, hallo Amerika und so! So entstand ein Album komplett auf Englisch. Allerdings floppte die Vorabnummer “Run Run Run” total—und ließ für die Platte nichts Gutes ahnen. So wurde plötzlich “kreativen Impulsen gefolgt” und nun sicherheitshalber doch alles wieder so gemacht wie immer, von den englischen Stücken werden nur wenige Versprengte auf der Veröffentlichung zu finden sein.
Wobei Folgendes nicht verschwiegen werden soll: Die Band hält in einem aktuellen Interview die Lüge vom “kreativen Impuls” für diese 180-Grad-Wende nicht aufrecht und bescheißt die verwirrten Fans nicht. Man gibt viel mehr unumwunden zu, man habe aufgrund der ablehnenden Stimmung die englische Platte gekippt. So sehr sich auch zu wünschen wäre, das geschähe genauso auch mit diesem jetzt wieder neu angekündigten deutschen Album Alina, so sehr muss man diesen Move respektieren. Eine Frage der Ehre.
09. Neueinstieg in die Masturbationscharts
Ohnehin hängt die Schuld der Misere nicht allein an der Band selbst. Irgendwer kauft und klickt das ja—und irgendwer ist dank Stern-Präsentation verdammt viele. Aber klar, zu “Langsam” kann man—unter dem Vorwand, sich für den neusten Lebenshilfe-Trash einer Astrologie-Vertonungs-Combo zu interessieren—endlich mal wieder ungestraft unter dem Schreibtisch masturbieren. Weiterer Vorteil, weil ist ja bloß ein Musikclip: Danach muss man nicht mal den Browserverlauf löschen!
(Außer natürlich irgendjemand mit auch nur einem rudimentären Musikgeschmack benutzt ebenfalls den Rechner. Dann bitte schnell alle Spuren, die zu dieser Band führen könnten, auslöschen!)
10. Unangemessen
Na, ganz so an der YouTube-Prüderie ist die klickgeile Busengala dabei dann doch nicht durchgerutscht. Diese Warnung hier zeigt der Bildschirm zumindest, wenn man das Video aufruft. Wobei man natürlich insgeheim hofft, mit “unangemessen” ist einzig und allein die Band selbst gemeint.
Foto: Screenshot von YouTube