Warum mich die Meinung von Männern zu meiner feministischen Haltung nicht interessiert

Ein Mann mit Bart hält sich einen Finger vor den Mund, damit er ruhig ist

Vor zwei Monaten landete nach einem Artikel von mir über eine mutmaßliche Vergewaltigung eine Nachricht in meinem Twitter-Postfach. Darin erklärte mir ein Leser, er fände #Metoo zwar wichtig, stimme aber meiner Schilderung des Falles nicht zu. Dann zählte er mir auf, was ich in meinen Artikel hätte aufnehmen sollen und was ich “eigentlich gemeint” hätte. Meistens antworte ich den Verfassern solcher Nachrichten nicht. Nicht, weil ich nicht gerne diskutieren würde oder zu beschäftigt mit meinem ausufernden Sozialleben wäre. Sondern weil es mir egal ist, ob Männer mit meinen feministischen Anliegen einverstanden sind oder nicht.

Es ist nicht so, dass ich Männern grundsätzlich das Recht abspreche, sich zu Feminismus zu äußern. Wenn mein Freund (der übrigens ganz unironisch “Men are Trash” sagen kann, ohne dass ihm der Penis abfällt), meine Brüder oder mein Vater meine Diskussionskultur kritisieren, höre ich ihnen zu und hinterfrage mich. Aber meine Auffassung von Feminismus bedeutet auch: Wenn mein Bruder eine Frau, die ich nicht leiden kann, sexistisch beleidigen würde, würde ich mich am Ende auf die Seite der Frau stellen. Und ihn nicht fragen, ob er das als richtig oder falsch empfindet.

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In einer im Sinne des Feminismus perfekten Welt würde das Geschlecht eines Menschen seine Chancen nicht beeinflussen. Es gäbe keine Mädchen, die Angst haben, Nein zu sagen, und es gäbe keine Jungs, die bereits als Kinder lernen, dass ihre Gefühle sie schwach machen. “Jeder sexistische Gedanke und jede sexistische Aktion sind das Problem”, schreibt die Literaturwissenschaftlerin Bell Hooks in ihrem Buch Feminism is for Everybody. Laut Hooks ist es egal, ob Diskriminierung von Frauen, Männern, Kindern oder Erwachsenen ausgeübt wird. Allerdings schreibt sie auch: “Wer Feminismus verstehen will, muss notwendigerweise verstehen, was Sexismus ist.” Und genau das ist der Punkt.


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Denn so wie ich einem Fußballspieler nicht erklären kann, ob seine Tränen nach dem Kreuzbandriss berechtigt waren, kann er nicht nachvollziehen, dass ich in manchen Clubs keinen Alkohol konsumiere, weil zu viele übergriffige Männer auf der Tanzfläche sind – und jeglicher Kontrollverlust in solchen Momenten gefährlich wäre. Es gibt Erfahrungen, die Männer in dieser Gesellschaft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nie machen werden. Dennoch beanspruchen viele von ihnen die Meinungshoheit für sich, wenn sie “den” Feminismus wahlweise als überholt, zu emotional oder schlichtweg als unnütz bezeichnen.

Als sich ein Freund vor ein paar Wochen in unserem Chat für ein Burka-Verbot aussprach, erklärte ich ihm, warum ich dagegen sei: unter anderem, weil ein Verbot durch weiße Männer Frauen genauso in ihrer freien Entscheidung einschränkt wie der vermeintliche Zwang durch muslimische Männer. Mein Kumpel widersprach mir – und entgegnete, dass er mir mit meinen Standpunkten “mein Feministendasein nicht abkaufen kann”. Wir sind beide keine burka-tragenden Musliminnen und können nicht beurteilen, welche Beweggründe jede einzelne Burkaträgerin hat. Allein deshalb ist unsere Meinung dazu so irrelevant wie die Tatsache, dass ein Mann mich deswegen für eine schlechte Feministin hält.

Natürlich dürfen Männer sich gegen Diskriminierungen einsetzen und die Gesellschaft aktiv mitgestalten. Sprecht eure Kollegin an, wenn ihr Vorgesetzter sie sexistisch behandelt hat, und fragt, wie ihr helfen könnt. Setzt euch dafür ein, dass in eurer Firma auch die Reinigungskraft fair bezahlt wird. Aber haltet die Klappe, wenn ihr von alledem nichts tut – und Feministinnen dennoch erklären wollt, wie sie am effektivsten gegen Sexismus kämpfen.

Manche Feministinnen sehen das anders

Manche finden diese Haltung radikal und kompromisslos. Auch innerhalb der unterschiedlichen feministischen Strömungen gibt es darüber keinen Konsens: Die Autorin Sophie Passmann schrieb kürzlich ein Buch, in dem sie “alte, weiße Männer” über feministische Themen befragt. Passmann wolle “Gewissheit statt billiger Punchlines”, schreibt ihr Verlag in einer Vorankündigung. Doch Twitter-Userinnen kritisieren, damit setzte Passmann genau diejenigen in den Fokus, die Diskurse jahrzehntelang dominiert haben – und Teil der Probleme sind.

“Unbestechlicher Feminismus wäre es gewesen, Frauen zu Wort kommen zu lassen”, schreibt etwa die Autorin Berit Glanz. “Intersektionaler Feminismus wäre es gewesen, nicht nur weiße Erfolgstypen zu fragen.” Das Buch wurde noch nicht veröffentlicht und der Fairness halber muss man abwarten, ob Passmann ihre “alten, weißen” Protagonisten vielleicht sogar argumentativ auseinandernimmt. Doch Feministinnen wie die Journalistin Sibel Schick sehen allein an der Vermarktung einen Verrat am intersektionalen Feminismus. “Meinen Feminismus noch nie von Männern überprüfen und absegnen lassen wollen alhamdulillah”, schreibt Schick auf Twitter.

Es geht im Feminismus nicht darum, ob Männer sich durch die Kritik am Sexismus persönlich angegriffen fühlen oder ob sie unseren Weg für den richtigen halten. Wenn Feministinnen sagen, dass die Meinung von Männern keine Relevanz habe, bedeutet das nicht, dass diese nirgendwo mehr mitreden dürfen.

Wir erwarten sogar von Männern, dass sie sich mit uns für die Gleichwertigkeit der Geschlechter einsetzen und sich selbst reflektieren. Aber sie haben eben nicht mehr die Meinungshoheit über unsere politischen Kämpfe. Wir müssen uns nicht sagen lassen, wann wir gute Feministinnen sind und wann nicht. Im Gegenteil: Manchmal ist es am besten zuzuhören und zu lernen. Und das kann man eben immer noch am besten, wenn man dabei den Mund hält.

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