Bild (c) Kino am Dach
Prince hat einiges hinterlassen: Musik, einen unkopierbaren Stil, Millionen an Jüngern mit gebrochenen Herzen und einer manchmal etwas eigenartigen Fanart. Nicht zu vergessen und auch eigenartig: Prince hat einen Film namens Purple Rain gemacht, ein wahrhaftiges und gebührend schräges Meisterwerk des Halbgotts of sexy Soul.
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Dabei ist Prince nicht nur aufgrund seines frühzeitigen Todes interessant. Für einen derart breit aufgestellten Star bedient seine Musik auch einen erstaunlich speziellen Geschmack. Nummern wie “She’s a Peach” sind das musikalische Pendant zu einem Stirnrunzeln und bei manchen Tracks vom letzten Album Hit N Run steige sogar ich als schwerer (wenn auch geschädigter) Fanboy aus. Dann sind da auch noch diese grenzgenialen Scheiben wie Controversy oder Dirty Mind—vollgepackt mit Songs über Oral- und Schwesternsex. “Incest is everything it’s said to be”).
Und wer schon mal zu “I wanna be your Lover”—das es in meine persönliche Top 5 der besten Songs des Universums geschafft hat—herumgeschmust, beim “Batdance” die bisher besten Tanzeinlagen hingelegt und bei “Call my Name” eine zehnminütige Gänsehaut bekommen hat, weiß, dass die unglaubliche Großartigkeit dieses 158-Zentimeter-großen Giganten unbestreitbar ist. Ich durfte ihn mal LIVE (!) sehen und kann immer noch völlig ironiefrei behaupten, dass es das beste Konzert meines Lebens war.
Man verzeiht diesem Zauberer, der Gitarren nach Soli einfach im Nichts verschwinden lassen konnte, letztlich auch jedes selbstgestaltete grottenhässliche Albumcover, genauso wie den religiösen Fanatismus eines Zeugen Jehovas. Nichts fasst die Persona von Prince Rogers Nelson, das Auftreten, das Mojo, die Trashyness und grenzenlose Sexyness besser zusammen als sein Film Purple Rain aus 1984.
Diese quasi 107-minütige Promo zum gleichnamigen Album, durchsetzt mit vielen Bühnenauftritten und Musikvideomomenten, ist schwierig zu beschreiben. Wenn es einen Instagram-Filter gäbe, der Bilder wie mit Purple Rain-Weichzeichner gestaltet, würde ich ausschließlich den benutzen. Der Film hat eine unnatürlich wirkende Leichtigkeit, wirkt wie aus einer Parallelwelt und das alles erleuchtende Zentrum dieser Welt ist Prince.
Es fallen amateurhaft surreale Momente auf, bei denen man nicht weiß, ob sie Intention, Zufall oder einfach eine exzentrische Laune von Prince waren. Dabei schwankt das Gesamtwerk immer ein bisschen zwischen den zwei künstlerischen Polen hin und her, die Prince generell ausmachen: Genial wie ein Experimentalfilm von Fassbinder mit Musik und peinlich wie ein überteuerter Porno. Aber egal, wohin das Pendel am Ende zeigt—alleine der Auftritt zu “Computer Blue” macht Purple Rain zu einem Meilenstein der Musikfilme.
Prince hat kurzerhand die 80er mit ihrem ganzen Pomp, ihren Geschlechterdefinitionen aufbrechenden Dauerwellen und der überspannten Glitterstilistik kaltgestartet. Er hat es vorgemacht und alle sind gefolgt. Prince und sein Film markierten die Geburt des ultimativen Narzissmus und des übermenschlichen Selbstbewusstseins auf der Bühne, was bis zuletzt eigentlich nur er glaubwürdig praktizieren konnte—beziehungsweise durfte.
Eine Szene, die mir aus irgendeinem Grund besonders im Gedächtnis geblieben ist, war die, in der er mit seinem Mädchen am Motorrad raus aus der Stadt zu einem See fährt. Nach einem Streit lässt er sie dort stehen und fährt einfach wieder davon. “Das machst du nicht mit Prince!”
Aus einer rein filmemacherischen Perspektive ist Purple Rain ein fester Schlag mit der Hand auf die Stirn—ähnlich wie sein zweiter Under a Cherry Moon, aber als überdrehtes Gemeinschaftserlebnis und Feier der 80er funktioniert er besser als Partypizza. Es empfiehlt sich vielleicht—keinesfalls ein Muss—vor dem Film leichte Drogen zu konsumieren und bunte Hüte aufzusetzen.
NOISEY: Prince ist der einzige Mensch der Welt, der auf seinem Passfoto perfekt aussieht.
Der Film hat neben den selbstverliebten Barockkrägen aber auch wirklich gefühlvolle Momente und sauerotische Griffe zwischen die Beine. Der Handlungsrahmen ist ein zerrüttetes Elternhaus, Band-Rivalität (wegen der Prince Appolonia auch eine entsetzte Watsche verpasst) und endet in der Moral, dass immer der beste Entertainer gewinnen wird. Und nachdem man “Motherfucker” schreit, hängt man gefälligst noch eine schnelle Pirouette hinten dran.
In dieser Zeit, im Zuge des Films und Albums Purple Rain, ist Prince international und popkulturell explodiert wie eine schultergepolsterte Wasserstoffbombe. Die Attitüde des Künstlers, der um 4:00 morgens nach einem neongelben Kamel für eine Poolparty in einer Schokoladenfabrik verlangt, war geboren und Prince hat sie bis zum Ende durchgezogen.
Prince war Gott. Und jetzt ist Gott tot. Kein Gitarrist mehr, den man auf die selbe Stufe mit Jimi Hendrix einordnen kann. Niemand mehr, der Tamburins ins Publikum wirft—mit dem mystischen Schlafzimmerblick, als ob so eine Aktion auch nur irgendeine tiefere Bedeutung hätte—bevor er dann “I Would Die For You” performt und wir alle vom puren Sex gehirngewaschen ihm den Chorus zurück entgegen schreien. Keine genialen Interviews mit Spice Girls mehr. Keine unvergesslichen Superbowl Half Time Shows mehr. Und auch kein “Dearly Beloved” mehr.
Auch wenn sich 2016 gerade zum unfassbaren Arschloch entwickelt, lassen wir uns nicht unterkriegen.
Josef auf Twitter: theZeffo