Reisen durchs Weltall können ewig dauern. Vor allem dann, wenn es um die interstellare Raumfahrt geht. Deswegen plant eine Gruppe von Astronomen und Physikern, das Ganze zu beschleunigen. Und zwar mithilfe von riesigen Lasern und einem der widerstandsfähigsten Organismen überhaupt – dem Bärtierchen.
Die mikroskopisch kleinen Wassertiere – auch Wasserbären genannt – sind quasi unzerstörbar. Sie überleben Dürren, eisige Temperaturen, Unfälle, hohe radioaktive Strahlung und immensen Druck, zudem können sie ihre Körperfunktionen über längere Zeiträume hinweg auf ein Minimum herunterfahren. Damit seien Bärtierchen perfekt geeignet für Experimente zur Beschleunigung der Raumfahrt, heißt es in einer neuen Forschungsarbeit, die in der Fachzeitschrift Acta Astronautica veröffentlicht wurde.
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Wenn man mit den traditionellen Mitteln des chemischen Antriebs – also dem Verbrennen von Treibstoff – bis zum derzeit bekannten Ende unseres Sonnensystems reisen würde, bräuchte man mehrere Jahrzehnte. Jetzt haben Forschende der University of California mit der Unterstützung der NASA eine neue Antriebsmöglichkeit im Weltall vorgeschlagen: Laserstrahlen, die von der Erde aus kleine, mit Lichtsegeln ausgestattete Raumschiffe per Photonen antreiben. Und diese Raumschiffe sollen dabei mit 20 bis 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit unterwegs sein. Das sogenannte Project Starlight wurde 2015 ins Leben gerufen, und man will damit die Reisezeit bei der interstellaren Raumfahrt von Jahrzehnten auf Tage reduzieren.
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Jetzt hat ein Team rund um Philip Lubin, Physikprofessor an der University of California und Forschungsleiter beim Project Starlight, einen weiteren Schritt für das Testen der neuen Methode vorgestellt: Bärtierchen und andere wirbellose Tiere wie Fadenwürmer sollen auf ungefähr handgroßen Sonden mit einer Geschwindigkeit von knapp 161 Millionen Kilometern pro Stunde ins All geschossen werden. Wie in der wissenschaftlichen Arbeit steht, könnte der Betrieb des Lasers ein Zehntel des gesamten Stromnetzes der USA beanspruchen. Diese riesige Energiemenge bräuchte man allerdings nur für einige Minuten während des Starts.
“So etwas hat es noch nie gegeben, dass man makroskopische Objekte mit einer Geschwindigkeit bewegt, die der Lichtgeschwindigkeit nahe kommt”, sagte Lubin, der die Forschungsarbeit mitverfasst hat, in einem Pressestatement.
Die Forschenden planen zudem, von der Erde aus Experimente an den Organismen an Bord der Sonden durchzuführen und so zu untersuchen, wie die Tierchen mit den extremen Bedingungen im fernen Weltall zurechtkommen. Lubin und sein Team könnten die Ergebnisse dann übertragen, um die potenziellen Auswirkungen der interstellaren Raumfahrt auf den Menschen besser einschätzen zu können.
“Wir könnten dann über den Aufbau von interstellaren Raumschiffen nachdenken und dabei direkt die Probleme, die bei den winzigen Tieren eventuell entdeckt werden, mit einbeziehen”, sagte Joel Rothman, Mitautor der Arbeit und Professor für biomolekulare Wissenschaften und Ingenieurwissenschaften, im gleichen Pressestatement.
Das Autorenteam hat auch über die ethischen Aspekte der Ausbreitung im Weltall sowie über die Risiken beim Zurückholen von Leben aus anderen Sternsystemen nachgedacht. Vorerst wollen Lubin und Rothman alle mit Bärtierchen bemannten Sonden nicht wieder auf die Erde bringen und alle Studien aus der Ferne durchführen, damit keine außerirdischen Mikroben zu uns gelangen.
Ethische Überlegungen gehören zur Vorstellung vom Leben jenseits der Erde und von zukünftigen Reisemethoden dazu. Solche und noch viele weitere Überlegungen stellen Lubin und Rothman aber gerne an. Und während sie erstmal klein anfangen wollen, schreiben die beiden in ihrer Forschungsarbeit bereits davon, dass der Laserantrieb irgendwann auch bei größeren Raumschiffen verwendet werden könnte. Zudem denke man darüber nach, ob es möglich sei, die Lasermodule nicht nur auf der Erde, sondern auch auf Objekten im Weltall anzubringen.
“Ich glaube, es ist unsere Bestimmung, immer weiterzuforschen”, sagte Rothman. “Wir forschen sowohl in immer kleineren als auch in immer größeren Maßstäben. Dieser unstillbare Entdeckungsdrang macht den Kern unseres Wesens aus.”
Update, 13. Januar 2022, 12:00 Uhr: In einer früheren Version des Artikel stand fälschlicherweise, dass die Photonen mit 20 bis 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit unterwegs seien. Wir haben den Fehler korrigiert.