Warum die heurige E3 die beste aller Zeiten war

Die Electronic Entertainment Expo in Los Angeles, kurz E3, ist immer noch die wichtigste Videospielmesse der Welt. Fast alle großen Publisher geben Jahr für Jahr sorgfältig inszenierte Pressekonferenzen, in denen sie uncharismatische Anzugträger oder überforderte Entwickler auf riesige Bühnen stellen, um die neuesten heißen Games anzukündigen.

Für Videospiel-Nerds ist es so etwas wie die Oscar-Verleihung für Filmfreaks. Man setzt sich gemeinsam mit Chips und Bier vor den Live-Stream und wartet gespannt darauf, dass der neue Teil der eigenen Lieblingsserie mit bahnbrechenden neuen Mechaniken und Technologien enthüllt wird. Exzessive Gefühlsausbrüche vor dem Monitor sind dabei keine Seltenheit (ich verweise auf die zahlreichen Reaktionsvideos und -GIFs).

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Am Ende wird traditionell entschieden, wer die E3 „gewonnen”, also die beste Show hingelegt und aufregendsten Spiele vorgestellt hat: Microsoft? Nintendo? Ubisoft? Dieses Jahr ist die Antwort ganz klar: Sony. Die japanische Firma hat mit dem Lebenszeichen des Shadow of the Colossus-Nachfolgers The Last Guardian, dem Start des Shenmue 3-Kickstarters und der Ankündigung des langerwarteten Final Fantasy VII-Remakes gleich drei der feuchtesten Fan-Träume überhaupt erfüllt.

Im Gegensatz dazu darf Nintendo diesmal recht eindeutig die “Loser”-Kappe aufsetzen. Tolle Überraschungen oder beeindruckende Spielkonzepte, wie man sie vom Mario-Imperium gewohnt ist, haben wir schmerzlich vermisst, was nicht heißt, das wir nicht perversen Spaß an den seltsamen Ankündigungen und entsetzen Reaktionen der Fans hatten.

Aber der Reihe nach. Hier sind nur einige unsere persönlichen Gründe, warum diese E3 richtig, richtig schwer zu toppen sein wird.

Na eeendlich: Das Final Fantasy VII-Remake

Damals, im Jahr des Herrn 1997, war Final Fantasy VII dank der Power der ersten PlayStation ein technologischer Quantensprung und erregte mit seiner ungesehenen cinematischen Inszenierung jede Menge Aufmerksamkeit. Für viele Videspieler war es der erste Kontakt mit japanischen RPGs oder überhaupt Spielen, die eine komplexe Geschichte erzählen.

Von daher verursacht der siebte Teil der Rollenspielsaga mit seiner ausgefeilten Story und den faszinierenden Figuren auch heute noch ein warmes Kribbeln in der kollektiven Bauchgegend der Spielergemeinde. Seit Jahren schreit man nach einem Remake des nicht gerade würdevoll gealterten Klassikers (zuletzt mal einen Blick auf PS1-Polygon-Grafik geworfen?). Und spätestens seit einem kurzen Technik-Demo, das den Anfang des Spiels in PS3-Grafik gezeigt hat, war vollkommen klar, dass Entwickler Square Enix früher oder später den Wünschen der Fans nachgeben und das beliebteste Spiel der Reihe zeitgemäß aufbereiten würde. Spekulation war, dass sich die Firma diesen garantierten Geldregen aufsparen würde, bis es ihr dreckig genug geht, und der Tag ist nach ungefähr 76 verschiedenen Final Fantasy XIII-Spin-Offs, die keiner wollte, offenbar gekommen!

Noisey: Videospiele haben nicht nur die größten Conventions, sondern auch die mystischste Musik zu bieten.

Man kann jetzt Xbox-360-Spiele auf der Xbox One spielen

Ah, Rückwärtskompatibilität. Eigentlich sollte es ja selbstverständlich sein, dass ich auf einer neuen Konsole auch die Spiele der direkten Vorgängerkonsole spielen kann, sofern es nicht durch eine radikal andere Hardware-Architektur technisch unmöglich geworden ist. Stell dir vor: Alle paar Jahre kommt ein besserer DVD- oder BluRay-Standard als der vorige raus, und jedes Mal darfst du die Filme in etwas höherer Auflösung wieder neu kaufen oder dir auf Dauer nur zum Filmeschauen sieben verschiedene Geräte unter den Fernseher stellen.

Unser Lob gilt daher Microsoft, die mal einfach so ihre Xbox One mit den Spielen der Xbox 360 rückwärtskompatibel machen—Discs, Downloads, alles. Ein zaghaftes Lob wohlgemerkt, weil das, wie schon gesagt, total selbstverständlich sein sollte. Aber meine Oma sagt immer: „Man muss zufrieden sein.”

Nintendo sorgt für epische Enttäuschungen und Nerdrage

Zu einer echten E3 gehören auch die Fehlschläge: peinliche Pressekonferenzen, bescheuerte Spielideen, YouTube-Videos mit minutenlang schreienden Nerds.

Da bringen sie nach fünf Jahren Funkstille eines ihrer beliebtesten Franchises zurück: die Actionserie Metroid. Noch dazu in einer Zeit, in der sogenannte Metroidvania-Spiele (die allesamt auf Metroid zurückgehen) gerade im Indie-Bereich quasi überall sind. Der Meister kehrt zurück und zeigt wie’s gemacht wird! Unzweifelhaft ein neuer Quantensprung für das schal gewordene Genre! Es sind gleich zwei Spiele, oh mein Gott! Es sind … ein knallbunter Vier-Spieler-Koop-Shooter und ein Fußballspiel, beide für den 3DS. Okaaaaay.

Da holen sie Shigesato Itoi vor die Kamera, den Erfinder der Kult-Rollenspielreihe Mother (deren zweiter Teil im Westen als Earthbound herauskam). Mother hat vermutlich eine der schrulligsten und leidenschaftlichsten Fangemeinden überhaupt, die seit Jahren mit Nintendo seit Jahren mit großangelegten Kampagnen bombadiert, um zu erreichen, dass die Firma die Existenz dieser wirklich wunderbaren Reihe anerkennt. Und was kündigt man an? Der entsetzlich gealterte erste Teil fürs NES kommt auf der WiiU Virtual Console raus. Woohoo.

Klar, ein paar Dinge sahen ganz nett aus, wie der Level-Editor Super Mario Maker. Aber das, was wir uns wirklich von Nintendo wünschen, wie ein neues 3D-Mario-Spiel, Bildmaterial vom WiiU-Zelda oder einfach verrückte, kreative neue Ideen, war schmerzlich abwesend.

Ein jetzt schon legendärer Forenbeitrag von jemandem namens “thecouncil” spricht wohl für uns alle: „Ich habe wörtlich vor Zorn gezittert während dieser Konferenz. Tränen formten sich in meinen Augen und meine Fäuste waren geballt. ,Kündigt etwas an’, kreischte ich meinem Computer entgegen. Meine Mutter hat an meine Schlafzimmertür geklopft und gefragt, ob ich OK sei. […] Ich bin jetzt 31 Jahre alt und das war ohne Zweifel die schlechteste Konferenz, die ich in meinem Leben gesehen habe.”

Shenmue 3! Shen. Mue. 3.”

Fotos von der Shenmue 3-Kickstarter-Webseite

Niemand hat im Ernst daran geglaubt, dass wir irgendwann tatsächlich den Abschluss zu Yu Suzukis revolutionärer Serie erleben würden—immerhin liegt Shenmue 2 sage und schreibe 14 Jahre zurück, und die Spiele sind trotz Wahnsinnsbudgets immer ambitionierte Nischenprodukte geblieben—keine guten Voraussetzungen für eine Neuauflage!

Aber jetzt ist Sony offenbar hergegangen und hat zu Yu Suzuki gesagt: “Pass auf, Freundchen. Mach einen Alibi-Kickstarter, und wenn wir merken, dass da wirklich Nachfrage ist, dann finanzieren wir dir das Ding.” Das Ergebnis: Zwei Millionen Dollar Crowdfunding-Geld in 8 Stunden. Holy shit!

Das Crafting-System von Fallout 4 ist der Wahnsinn

Crafting-Systeme (also die Fähigkeit in einem Spiel Gegenstände zu anderen Gegenständen zu kombinieren) sind spätestens seit Minecraft überall: Meistens kann man sich schöne Waffen schmieden oder Tränke brauen, aber der postapokalyptische Skyrim-Nachfolger Fallout 4 treibt es so weit wie noch kein AAA-Spiel davor. Das gezeigte Gameplay-Video beginnt zunächst ganz unverdächtig und man denkt sich “Hm, ja, natürlich ein Crafting-System, zeigt uns was Neues.”

Ein eigener Hund macht die Post-Apokalypse gleich erträglicher. ( offizieller Screenshot)

Dann plötzlich baut der Spieler vor unseren Augen ein ganzes Haus. Und richtet es ein. Und stellt eine Hundehütte für das Haustier davor. Und konstruiert dann mittels Generatoren, Kabeln und einer Eingabekonsole funktionierende Straßenbeleuchtung und eigenhändig programmierte Selbstschussanlagen.

Man kann ganze Städte aus dem Boden reißen, in denen sich dann auch NPCs ansiedeln und ein tägliches Leben führen. Und der Protagonist kann jetzt endlich reden. Vielleicht hat sich der Generationensprung auf die neuen Konsolen ja doch ausgezahlt, was?

Crowbar Jesus ist zurück: Half-Life 3 enthüllt

Moment, nein. Das ist gar nicht passiert. Verzeiht den bösen Tease. Was waren eure persönlichen Freuden- und Leidensmomente der E3 2015? Ich muss meine erstmal verdauen und freue mich auf Batman nächste Woche. Tschüss.

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