Aus der Photo Issue 2016
Das erste Foto, das Val Wilmer von einer “wichtigen” Person schoss, war von Louis Armstrong, als er 1956 vom Flughafen London (heute Heathrow) nach Ghana reiste. Damals war sie 14. “Wer ganz oben anfängt, für den geht’s danach nur noch bergab”, sagt sie darüber. Bereits als zwölfjähriger Jazzfan entdeckte sie Künstler wie Duke Ellington und Count Basie für sich. Nach einem langen arbeitsrechtlichen Kampf spielten diese Amerikaner damals wieder in Wilmers Heimat Großbritannien.
Videos by VICE
Anfang der 60er interviewte und fotografierte sie schwarze Musiker für Magazine wie Jazz Journal und Melody Maker. Dabei interessierte sie sich insbesondere für die soziopolitische Lage ihrer Protagonisten und die Bürgerrechtsbewegung. Diese Themenauswahl beschreibt Wilmer als so offensichtlich, dass fast schon nicht mehr von einer Entscheidung die Rede sein kann. “Alle fanden es seltsam, dass ich über Jazz schrieb und mich für die schwarze Gesellschaft interessierte, aber für mich war das ganz selbstverständlich ein Teil meines Lebens. Das sind wichtige Dinge, die mich schon immer beeinflussen.”
Als sie bereits eine renommierte Autorin zu den Themen Jazz, Blues und schwarze Musikgeschichte war, gründete sie 1983 mit Maggie Murray die erste Fotoagentur für Frauen: Format. Die Agentur sollte sowohl Fotografinnen mehr Aufmerksamkeit einbringen als auch verbreitete Vorurteile bekämpfen, daher entwickelten die Frauen eine ganz spezielle Arbeitsweise. “Wenn jemand ein Foto von einer Person bei einer bestimmten Arbeit wollte, haben wir ein Bild von einer Frau geschickt, die diese Arbeit macht”, sagt Wilmer. “Wenn sie ein Foto wollten, wo sie von einer weißen Person ausgingen, schickten wir eins, in dem ein schwarzer oder asiatischer Mensch diese Handlung ausführt.”
Zwar erschwerte das Erscheinen von Mega-Agenturen wie Getty Images kleineren Agenturen wie Format das Geschäft, doch Wilmer sagt, es sei die Politik gewesen, die ihrer Firma ein frühes Ende setzte. “Die Leute erwarteten von uns, dass wir uns nur auf ‚Frauenthemen’ konzentrierten, was wir natürlich nicht taten. Wir waren zu acht und deckten eine großartige Bandbreite an Themen und Stilformen ab. Aber sie hatten diese Erwartung, genau wie sie von einer schwarzen Person erwarten, dass deren Fotoagentur sich nur mit schwarzen Themen beschäftigt—was natürlich lächerlich ist. Es ist immer dasselbe … Man tut sein Bestes, in den Köpfen etwas zu verändern, aber nach jedem Schritt vorwärts geht es wieder zwei zurück, wie bei so vielem im Leben.”