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Die Ära der globalen Antibiotikaresistenz ist angebrochen

Titelbild: imago/ imagebroker

Colistin war der letzte Strohhalm. Jetzt ist auch er weg. Das Antibiotikum aus der Familie der Polymyxine galt als Notfallhammer, das man Patienten bei hartnäckigen Infektionen mit multiresistenten Keimen gab, die nicht anders zu behandeln waren. Doch nun sind die Warnungen der WHO wahr geworden: Bakterien, auf die kein Antibiotikum mehr anschlägt, haben sich global ausgebreitet. Wie konnte das passieren? Die Spur führt in Richtung Massentierhaltung.

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Vor wenigen Wochen wurde bei einer Studie der landwirtschaftlichen Universität von Guangzhou in chinesischen Schweine- und Hühnerzuchtbetrieben ein Gen entdeckt, das in jeglichen Proben mit multiresistenten Bakterien zu finden war. Es handelte sich um das Gen mcr-1, welches in Verbindung mit einer ungewöhnlich resistenten Form des Darmbakteriums Escherichia coli (E. coli) auftrat. Jegliches bisher bekannte Antibiotikum zeigte sich wirkungslos gegen die Bakterien. Sogar das Reserveantibiotikum Colistin, welches zur Behandlung bei Resistenzen eingesetzt wird, schlug nicht an. Colistin und die Medikamentenfamilie der Polymyxine—der es angehört und welche gegen mcr-1 erschreckenderweise nicht anschlagen—werden aufgrund zunehmender Wirkungslosigkeit anderer Antibiotika häufig auf Intensivstationen verwendet.

„Die Geschichte zeigt, dass diese mobilen Resistenzgene sich schnell und lautlos auf der ganzen Welt verbreiten können und sich in Menschen, Tieren und Nahrung wiederfinden.”

Nun wurde mcr-1 auch im tausende Kilometer entfernten Dänemark gefunden, als Frank Aarestrup von der Danish Technical University in Gyngby nach der Entdeckung des Gens eine Datenbank bakterieninfizierter DNA von Menschen, Tieren und Nahrung durchforstete. Er konnte das Gen in einem Menschen identifizieren, der Anfang des Jahres an einer Blutvergiftung gelitten hatte, wie das Wissenschaftsmagazin New Scientist schreibt. Gleichzeitig fand er resistente Bakterien in fünf Hühnerfleischproben, die über Deutschland nach Dänemark importiert worden waren—der genaue Standort der Tierzucht ist nicht bekannt, das Fleisch könnte also auch außerhalb Deutschlands geschlachtet worden sein. Da das Fleisch in einem Zeitraum von 2012 bis 2014 in das Land eingeführt worden war, scheint mcr-1 bereits schon seit geraumer Zeit unter uns zu weilen.

Erst Ende November hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu einem verstärkten Kampf gegen eine Antibiotika-Resistenz von Bakterien aufgerufen. Zunehmend lassen sich Bakterien mit bestimmten Antibiotika nicht mehr eindämmen, da sie gegen die Medikamente immun geworden sind. Aufgrund solcher Resistenzen sterben in Deutschland jährlich 10.000 bis 15.000 Menschen, so eine aktuelle Studie des Bundesministeriums für Gesundheit.

Das E. coli-Bakterium unter dem Mikroskop. Bild: imago/Science Photo Library

Da mcr-1 auf Plasmiden, also mobilen DNA-Molekülen, sitzt, kann das Resistenz vermittelnde Gen leicht weitergegeben werden. Die Plasmiden replizieren sich selbständig, springen von Bakterie zu Bakterie und verbreiten somit die Resistenz. „Die Geschichte zeigt, dass sich diese mobilen Resistenzgene schnell und lautlos auf der ganzen Welt verbreiten können und sich in Menschen, Tieren und Nahrung wiederfinden”, so Lance Price vom Antibiotic Resistance Action Center der Milken School of Public Health in einem Statement gegenüber National Geographic. „Die Nachricht, dass mcr-1 in Dänemark entdeckt wurde, legt die Vermutung nahe, dass sich dieses Szenario gerade in Echtzeit abspielen könnte.”

Auch wenn die bakterielle Apokalypse noch nicht angebrochen ist, ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich mcr-1 bereits weltweit ausgebreitet hat. Der zunehmenden Antibiotikaresistenz liegt in erster Linie der intensive Medikamenteneinsatz in der industriellen Tierzucht zu Grunde, wo die Antibiotika zur Prävention gegen Krankheiten in den überfüllten, lebensfeindlichen Ställen und zur Wachstumsbeschleunigung verabreicht werden. mcr-1 entwickelte sich vermutlich in Tierhaltungen, wo Colistin als antibiotischer Wachstumsbeschleuniger verfüttert wurde.

Wo genau der Ursprung der Resistenz liegt, ist bisher nicht bekannt. Möglicherweise ist die Ursache in China anzusiedeln, wo die Fütterung von Antibiotika am weitesten verbreitet ist. In Europa wurde der Einsatz von Wachstumsantibiotika bereits eingestellt — ironischerweise gehörte Dänemark zu den Vorreitern dieses Verbots. Wir haben jetzt die Wahl, noch mehr neuartige Antibiotika schnell auf den Markt zu werfen und zu warten, bis auch sie unwirksam werden—oder global für eine Kehrtwende in der buchstäblich lebensgefährlichen Nahrungsmittelproduktion aus tierischen Produkten zu kämpfen.