Gender Food—das letzte Tabu?

Im letzten Jahrhundert haben es westliche Frauen in vielen Bereichen geschafft, sich in der Männerwelt zu emanzipieren. Der Hausfrauenkittel wurde gegen Hosen eingetauscht, der Kochlöffel gegen die Aktentasche und seit den 90ern dürfen Frauen sogar im schweizerischen Kanton Appenzell uneingeschränkt wählen. Dass Frauen aber in vielen Bereichen für die gleiche Arbeit nicht den gleichen Lohn bekommen, ist noch immer der Fall. Ob sich das je ändern wird? In naher Zukunft wahrscheinlich nicht.

Was sich in nächster Zeit ebenfalls nicht ändern wird, ist die Tatsache, dass Frauen eher mit Salat und Männer eher mit Steak in Verbindung gebracht werden, als umgekehrt.

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Warum ist das so?

Blickt man noch ein wenig weiter zurück in die Geschichte, sieht man Männer, die auf die Jagd gehen, um große wilde Tiere zu töten, mit denen sie ihre Familien versorgen. Die Frauen hingegen hüten die Kinder oder sammeln Beeren. Das größte Stück Fleisch bekommt nach der anstrengenden Jagd natürlich der Mann, dann die Kinder dran, damit sie wachsen, und die Frau darf dann an den Knochen nagen oder muss sich mit ihren Beeren begnügen.

Daran hat sich nichts geändert.

Man muss ja nur einmal den Fernseher einschalten, um zu sehen, dass sich diese Geschlechterrolle bis heute hartnäckig hält. In kaum einem Werbespot sind Frauen zu sehen, die genüsslich in einen saftig triefenden Burger beißen. Das ist nämlich so gar nicht ladylike. Frauen dürfen am Salatblatt knabbern oder spaßgebremste Fettfrei-Produkte bewerben. Bei Grillwürstchen sieht man im Fernsehen auch mal den Mann am Herd oder am Grill stehen. „Die Speisenzubereitung am Feuer hat etwas Archaisches, egal ob man rustikal oder auf Gourmetniveau grillt. Auch mit Grillkochbüchern werden vorwiegend Männer angesprochen”, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Eva Derndorfer, die auf Lebensmittelsensorik spezialisiert ist.

Der Grill ist das Territorium, das von Männern seit jeher umkämpft wird, denn das Feuer zu beherrschen, bedeutet Macht. Schon allein beim Geruch von glühender Kohle und Grillanzünder kann man jeden Mann dabei beobachten, wie er sich à la Tarzan mit den Fäusten auf die Brust klopfen will.

Ist das alles nun Sexismus oder fleischgewordene Realität? Wollen Frauen wirklich lieber ein kalorienarmes Süppchen kochen, statt für ein Steak am Grill stehen? Die traurige Wahrheit: Anscheinend schon.

Die Nationale Verzehrsstudie zeigt, Männer essen mit durchschnittlich 103 Gramm täglich etwa doppelt so viel Fleisch wie Frauen, die nur 53 Gramm Tier verspeisen. Und während Männer eher rotes Fleisch bevorzugen, am liebsten blutig, greifen Frauen eher zu magerem, hellen Fleisch wie Geflügel—schonend gegart statt gebraten. Alles, was proteinreich ist, wie beispielsweise Schweinefleisch, wird mit Potenz assoziiert. Der Schweinsbraten ist männlich.

Es stellt sich die Frage, ob die Geschmäcker von Mann und Frau wirklich so unterschiedlich sind. „Geschmackliche Vorlieben unterscheiden sich zwischen den Geschlechtern—aber das führt nicht immer zu gravierenden Unterschieden im Lebensmittelverzehr”, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. Gemüse essen Frauen täglich gerade mal 17 Gramm mehr als Männer. Das Salatblatt scheint hier den Kohl also nicht fetter zu machen. Auch bei Brot, Kartoffeln und Süßigkeiten ist der Unterschied nicht so gravierend wie bei Fleisch.

Laut Psychologen liegt dieses Verhalten vor allem an den Erwartungen des jeweils anderen Geschlechts. Kanadische Forscher der McMaster-Universität in Hamilton, Ontario, haben festgestellt, dass Frauen weniger essen, wenn ein fremder Mann am Tisch sitzt. Wo bleibt da die Emanzipation?

Frauen sollen sich zügeln und Männer dürfen zulangen? Wenn man einander gefallen will, schon.

Der Mann will die Frau ernähren können, aber doch bitte nicht zu sehr: Frauen sollen zierlich, sinnlich und graziös sein. Und das demonstriert eben der Doppel-Whopper nicht so gut wie ein Caesar Salad. Genauso soll der Mann vor Kraft strotzen und nicht unbedingt fettreduzierten Joghurt kaufen.

Diejenigen Frauen, die aber jetzt wegen der Männer weniger essen, sollen doch bitte ihren Genüssen freien Lauf lassen. Denn so zeigen Studien auch: Männer stehen auf Frauen, die beim Essen lustvoll zulangen können. Das signalisiert nämlich Lebensfreude und Sinnlichkeit.

Und man kann es auch so sehen: Steak und Salat passen gut zusammen.