„Guetta und Tiesto sind die Besten

Giorgio Moroders Geschichte ist die eines Jungen, der in einem Südtiroler Dörfchen groß wurde und zu einem der wichtigsten Musiker des 20. Jahrhunderts wurde. Sie liest sich wie das Storyboard dieses Kitschfilms, der jedes Jahr zur Ostern läuft-nur dass der Protagonist intelligenter und talentierter ist als Forrest Gump und tatsächlich existiert. Giorgio Moroder hat, ausgestattet mit Pioniergeist und einem außergewöhnlichem Gespür für Melodien, neue Genres geschaffen, mit nahezu jedem großen Namen der jüngeren Musikgeschichte zusammengearbeitet und wurde dafür unter anderem mit etwa 200 Gold- und Platinplatten und drei Oskars ausgezeichnet.

An dieser Stelle könnte Hans-Jörg sich eigentlich zurück lehnen, sich selbst auf die Schulter klopfen und hochzufrieden den Abspann ansehen, in dem Namen wie Elton John, Janet Jackson, Daft Punk oder The Rolling Stones irgendwo ganz klein in einer langen Liste vieler, sehr vieler, Namen über die Leinwand laufen würden. Wir sind hier aber nicht in Hollywood und Giorgio Moroder ist mit 74 Jahren noch nicht am Ende seines Schaffens angekommen. In wenigen Wochen veröffentlicht er sein erstes Soloalbum seit über 30 Jahren. Wir haben uns in München, der Stadt in der Moroders Karriere in seinen legendären Musicland Studios begann, getroffen. Wir haben Pralinen gegessen und mit ihm über die Vergangenheit und sein neues Album geplaudert.

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THUMP: Herr Moroder, ich würde gerne erst einmal zurückgehen in die Zeit als Sie 19 waren und Südtirol verlassen haben.
Giorgio Moroder:
Ich habe damals ein Angebot bekommen als Gitarrist in einer Band in einem Hotel in der Schweiz zu spielen. Nach zwei Wochen hat der Pianist der Band mir geraten, mit dem Gitarrespielen aufzuhören und stattdessen Bass zu lernen. Ich war wirklich nicht gut. Seither spiele ich Bass. So hat meine Musikkarriere angefangen.

Sahen Sie das als Chance aus Südtirol zu fliehen? Es waren ja extreme Zeiten dort. Die ladinische Minderheit, der Sie angehören, wurde vom italienischen Staat unterdrückt und es gab Aufstände.
Nein, als ich weg ging, war es relativ ruhig. Ich habe mich dafür auch nicht interessiert. Ich wollte Musiker werden und in Gröden kann man von der Musik nicht leben. Ich wollte unbedingt weg. Ich habe in der Schweiz gearbeitet, in Schweden, Dänemark, Holland, Deutschland, Frankreich. Ich war sieben oder acht Jahre auf Tour.

In dieser Zeit sind Sie auch im legendären Scotch Club in Aachen, der ersten Diskothek Deutschlands, gelandet.
Ja, ich bin dort als eine Art Mischung aus DJ und Sänger aufgetreten. Mein Manager, Herr Quirini, hatte eine Organisation, die DDO (Deutsche Disco Organisation) und wir waren überall: Hamburg, Hannover, Kassel … und abends sind wir wieder zurück gefahren, nach Aachen.

Oder Sie haben im Auto geschlafen, so wie Sie es in dem Daft Punk-Track erzählen. War das zu dieser Zeit?
Ja. Es war aber eigentlich schlimm. Ich habe ein Auto gehabt, einen Mustang Fastback. Da konnte man eine Klappe aufmachen und sich ausstrecken. Es war schon ein bisschen kalt.

Etwas später sind Sie hier in München hängengeblieben.
Ja, Berlin war mir zu weit weg von zu Hause. Ich hatte meinen ersten Hit in Berlin, “Mendocino”, der hat sich eine Million Mal verkauft und ich habe gut verdient. Aber hier in München hat es so richtig angefangen. Da hab ich ja auch die Donna Summer gefunden.

Wie hoch hat Donna Summer die Latte für alle anderen Sängerinnen, mit denen Sie später gearbeitet haben gehängt?
Es gab auch noch eine andere Sängerin, Roberta Kelly. Sie hatte auch eine gute Stimme, aber bei Weitem nicht so wie Donna. Die beiden waren gute Freundinnen. Sie ist geblieben, die Arme, als Donna zwei Monate, nach dem Riesenerfolg von “Love To Love You Baby” mit mir rüber nach Amerika gegangen ist. Donna kam dann in Amerika groß raus.

Das Nachtleben Münchens in den 60ern ist legendär. Auf den bekannten Fotos von Freddie Mercury oder den Stones sind Sie aber nicht zu sehen. Waren Sie Teil der Szene?
Nein, nein. Ich bin kein großer Tänzer. Ich habe höchstens mal meine eigenen Sachen getestet. Wenn die Leute von der Tanzfläche gingen, wusste ich, kann ich die Aufnahme gleich in die Tonne werfen.

Aber jetzt sind Sie ja wieder voll dabei, im Nachtleben. Sie reisen um die ganze Welt und legen viel auf.
Das DJing ist jetzt sowas von anders! Seit etwa vier Jahren sind DJs genauso groß wie die Sänger. DJing ist außerdem leicht verdientes Geld. Man hat keine großen Spesen, immerhin kommt man einfach mit einem Memorystick irgendwo hin und der ganze Aufwand für Band und Equipment fällt weg.

Glauben Sie, dass der Personenkult um DJs zuträglich für die Musik ist?
Ich finde das gut, weil das eine ganz neue Richtung ist und die guten DJs sind auch wirklich gute Künstler. Sie haben die Anerkennung verdient. Es sind nur ganz wenige unter Abertausenden, die es zu Recht geschafft haben. Die, die jetzt in Top 20 unterwegs sind, sind nicht nur gute DJs, sondern auch gute Produzenten und Komponisten. Es ist nicht so leicht wie es aussieht.

Von wem würden Sie gerne ein DJ-Set hören, wenn Sie sich eines wünschten dürften?
Ich bin mit sowieso beinahe mit allen befreundet. Ich habe mit David Guetta gearbeitet, mit Tiesto. Die beiden sind die Besten. Calvin Harris und Skrillex auch. Und der Avicii.

Ich habe ein paar Demos von ihrem neuen Album gehört. Man merkt gleich, dass sie EDM-Fan sind. Es ist kein nostalgisches Album geworden.
Ja, ja. Die Firma wollte eigentlich, dass ich mehr Disco mache, aber ich wollte nicht so weit zurück.

Hat Sie das Anti-Disco-Movement in den USA so geprägt, dass sie nicht mehr zum Disco-Sound zurück wollten?
Nein, da war ich schon weg, das hat mich überhaupt nicht betroffen. Ich war damals längst bei der Filmmusik eingestiegen und Disco ist gestorben. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich die Aufstände gar nicht mitbekommen habe…

Seit kurzem machen aber alle wieder Disco, von Daft Punk über Justin Timberlake und Katy Perry, bis hin zu Arcade Fire.
Nun, die Tanzmusik an sich war ja nie weg. Das Wort Disco war vielleicht verpönt, aber im Grunde ist alles so weitergelaufen wie vorher. Man hat das dann Dance genannt und jetzt sagt man eben EDM. Moderne Tanzmusik wird es immer geben.

Ihr Motto dieser Tage ist ja “74 is the new 24”. Was würden Sie ihrem 24-jährigen Ich raten?
Mach alles genau wie du es gemacht hast! Wobei… ein paar Fehler, das weiß ich aber erst jetzt, hätten sich schon vermeiden lassen.

Fotos: Johannes Brugger

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