Flunkyball, Handbrot, Sex – 10 Gründe, warum ich Festivals hasse

Dieser Artikel ist Teil des VICE Guides für Festivals, alle Texte findet ihr hier.

Viele Namen, ein Schicksal. Sich irgendwo im Staub von Wetter, Musik und Menschen bedrängen zu lassen. Menschen, mit denen man dieselben Songs teilt und auch darüber hinaus scheinbar so vieles gemeinsam hat – ja, am Ende sogar eine Szene darstellt. Ein wirklich zutiefst deprimierender Gedanke, blickt man in die runtergebrannten Eimergesichter rechts und links von sich. Hier sind zehn gute Gründe, warum der Besuch von Festivals unbedingt zu vermeiden ist:

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1. Je größer, desto schlimmer

Ich bin ja kein Idiot, natürlich hasse ich am meisten diese feisten Riesen-Events. Ein männerdurchseuchtes Line-up aus der Hölle beziehungsweise den “Alternative”-Charts der 90er. Gigantomanische Schwanzparade – wer sich in diesem Angebot wiederfindet, verdient vollstes Mitgefühl (lies: Verachtung). Dennoch: Auch kleine Festivals bestehen aus einer Summe an Abgründen. Lasst euch nicht täuschen von putzigen Motiven auf dem Jutebeutel, von handgeschriebenen Hinweisschildern oder von unbekannten Kackbands, die bei Rock im Park nicht mal den Zeltplatz aufräumen dürften. Alles halt so mini und familiär und natürlich so charmant und so einzigartig. Aber das sind Zombie-Gartenzwerge auch!

2. Zelten

Jeder, den es in die Zeltferien verschlagen hat, sollte sich fragen, ob er nicht ein bisschen zu wenig vom Leben verlangt. Wenn man nicht mehr 10 ist, ist das doch alles Quatsch. Streng genommen auch schon davor.

3. Flunkyball

Vorweg: Flunkyball ist für mich wie Doppelkopf oder Foxtrott. Ich verstehe die Regeln nicht.

Doch ist das nicht egal? Wenn man in all die bierigen Festivalgesichtchen ringsum dieses Treibens blickt? Wie sie so sabbern, lallen, rufen. Ein Ballett der Körper offenbart sich hier, es ist, als würden Mülltonnen den Meiereiberg herunterrollen. Ja, man wähnt sich gar mitten in einem Junggesellenabschied, der geradewegs vom Dorf in die Stadt geshuttelt wurde. Mit einem Bus der Caritas, oder so.

4. Fun, Fun, Fun

Karneval oder Animation am Pool? Völlig klar: furchtbar. Und Mario Barth? Dreck, das ist natürlich alles Dreck, Elends-Entertainment. Dann aber irgendein Heini laut muhend auf der Festivalbühne:

“Seid ihr alle gut drauf?!”

Die einzig richtige Antwort nun wäre:

“Ey, was laberst Du? Kriegst gleich Schelle auf dem Parkplatz!”

Doch bei einem Festival sind die Karten komplett neu gemischt – ja, und zwar von einem Affen mit bunter Windel. Man denkt also bei der Frage, ob man gut drauf sei auf einmal sowas wie:

“Ah, schön, wie sich der Shouter der fetzigen Rockgruppe Beatsteaks für mich und mein Leben interessiert. Dann werde ich ihm wohl mal antworten – mit einem fröhlichen ‘JAAAA!’”

Ganz ehrlich, so eine dramatische Persönlichkeitsverschlechterung kann doch nicht gesund sein.

5. Handbrot


Aber so ist es doch. Bis zu einem schicksalhaften Datum Ende der Nuller Jahre. Ein fliegender Festivaltruck-Händler erfindet das Handbrot. Plötzlich alle so: “Oh, Brot! Erzähl mehr!” Nun geht es rasend schnell. Handbrot, Blitzkrieg, Streetfood. Auf Festivals sieht man in jener Zeit größere Menschenmassen am Handbrot-Stand denn bei einem Auftritt der aktuellen Band der Gallagher-Brüder. Ich persönlich habe nie ein einziges gegessen, hatte aber wegen des schönen Wortklangs – Handbrot – immer Respekt.


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Doch heute ist Handbrot dead. Gekillt hat es der urbane Hipster. Sein regressiver Wille, aus vermeintlicher Urtümlichlichkeit prätentiöse und hochpreisige Produkte zu formen, machte auch vor Brot nicht Halt. Die Wiederentdeckung des “Butterbrots” in Läden mit sexy angeschrammtem Massivholz-Mobiliar ist doch nichts anderes als “kulturelle Aneignung” durch den Hipster. Oder der vollbärtige Bäcker, die tätowierte Bäckerin in Geschäften, die sowas heißen wie “Das Brot”, “Das gute Brot” oder auch “BrotBrot”. Dieser neoliberale Bio-Trend lässt nun auch den Handbrot-Truck in einem anderen Licht erscheinen.

Schade, Handbrot. Alles ist vorbei!

6. Schlamm

Mutter Erde schenkt uns alles, was wir zum Leben brauchen. Mehr als Obst, Getreide und Wasser zu verlangen, wäre dabei einfach vermessen. Was aber der verdammte Schlamm auf Festivals immer soll, dazu gibt es keine Angaben von ihr. Vermutlich dürfte es sich bei dieser Zusatzleistung einfach um Schikane handeln.

7. Sex auf Festivals

Ernsthaft? Sex auf Festivals? Wer beim Gedanken an die Büsche hinter dem Zeltplatz Schmetterlinge in der Hose bekommt, muss wirklich mehr als eine Libido aus Drahtseil haben. Sprecht mit einer Ärztin oder einem Angehörigen darüber.

8. Drogen

Es sollte eigentlich jedem klar sein: Indoor = Beste. Zum Beispiel … Ein gutes Buch am Kamin lesen? Sehr würdevoll! Mit dem bauchigen Cognac-Glas die Flure beschreiten und dabei zu seiner Katze predigen? Hammerwürde! Oder wenn man mehr so der flippige Typ ist: Sich mit einer heißen Crackpfeife auf dem Badezimmerboden krümmen – es riecht nach Lösungsmittel und verbrannter Haut. Edgy aber immer noch würdevoll, eben typisch indoor!

Schon mal versucht, Bücher, Katzen oder Drogen auf einem Festival zu nehmen? … Mission Impossible! Katze drei Tage im Kofferraum bei 70 Grad? Das schädigt ihren Biorhythmus. Wird einem jeder Tierarzt bestätigen. Und gedankenverloren mit einem Buch in den Händen vor der Bühne verharren, während sich um einen herum gerade die Menge teilt und man ahnungslos dazwischen steht, wenn die ultimative Wall-of-Death aufeinander zu stürzt. Auweia! Aber am allerwenigsten gehen sich Festivals für Drogen aus. Wer schon einmal total drüber mit halbguten Zufallsbekanntschaften in einem Zelt hockte und versucht hat, Pulver im Tau des jungen Morgens aufzustreuen, der weiß, was gemeint ist. Die Drogen werden feucht, klumpen, zerfließen, ja verschwinden. Jetzt helfen nur noch Sturzbiere oder eine erlösende Ohnmacht. Aus diesem Grund wurden Drogen auf Festivals von Kanzlerin Merkel verboten. Die Ansage: Materialverschwendung.

Klar, Kiffen ist weiterhin erlaubt, das ist ja auch streng genommen keine Droge – sondern langweilig. Aber wo man diesem Stoff begegnet, erhöht sich natürlich auch die Gefahr, auf die Musik von Gestalten wie Gentleman, Samy Deluxe oder noch Schlimmere zu treffen. Und ernsthaft, welcher Rausch könnte das wert sein?!

9. Dixi-Klos

“Fun” Fact: Als ich den plastenen Fäkalsarg das erste Mal besuchte, meinte ich, in der Schalenvorrichtung gleich links neben der Tür das Waschbecken zu erkennen – und versuchte mir darin die Hände zu säubern.

Heute weiß ich, dass es sich dabei um ein Urinal handelt.

10. Überhaupt: Die Kackfrage

Die Kackfrage, sie stellt ja bereits für eine reguläre Urlaubsreise eine Belastung dar:

“Wo ist das Bad, wo steht das Klo?” – “Ach so, Luftlinie zwei Meter vom Doppelbett, nur abgetrennt durch eine halbhohe Schiebetür… aus Milchglas?”

Sag Hallo zur Hölle! Allerdings würde man sich auf Festivals nach so einem echten Klo direkt neben einem echten Bett doch noch alle zehn von Kolibakterien verseuchten Finger lecken. Groß gehen auf Festivals, ohne seine Würde zu verlieren – das klingt doch nicht nur wie Science Fiction, das ist halt einfach ebenso real wie Beamen oder fliegende Autos. Also, wie soll die Kackfrage auf einem menschengefluteten Acker nahe Zwönitz in Sachsen beherrscht werden? Die Antwort: absolut gar nicht! Keine Chance! Lass alle Hoffnung auf eure geliebte Verdauung fahren!

Ein Wahnsinn das alles.

Lediglich ein Life-Hack schafft Abhilfe. Zu Anfang der mehrtägigen Veranstaltung neben den obligatorischen E’s auch eine Handvoll Imodium-Akut-Tabletten schmeißen. Dadurch wird jegliche Darmtätigkeit eingestellt, man kann tanzen, feiern und trotzdem weiter Nahrung zu sich nehmen. Kleiner Wehmutstropfen: Nach dem Festivalwochenende muss man sich natürlich den versteinten Kot operativ entfernen lassen. Krankenkasse is not amused.

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