Studierende können vieles. Richtig schlafen gehört leider nur selten dazu. Im Grunde gehört es aber zur authentischen Uni-Erfahrung dazu, regelmäßig bis in die frühen Morgenstunden zu feiern und sich dann verkatert sowie völlig übermüdet in die anstehenden Vorlesungen zu schleppen.
Forschungen haben immer wieder gezeigt, dass sich schlechter und unregelmäßiger Schlaf extrem negativ auf die körperliche und mentale Gesundheit auswirkt. Dennoch ist es quasi unmöglich, Erstsemester davon zu überzeugen, ihre Partys und Last-Minute-Lernmarathons gegen einen vernünftigen Schlafrhythmus einzutauschen. Vielleicht gehört es aber auch zu den wichtigen Lebenserfahrungen, zumindest temporär einen so ungesunden Lebensstil zu pflegen.
Videos by VICE
Falls das wirklich der Fall ist, müssen wir uns folgende Fragen stellen: Wie schafft man es mit so wenig Schlaf wie möglich durchs Studium? Lohnt es sich, während der Vorlesung ein Nickerchen zu machen? Und ist es möglich, das WG-Zimmer so einzurichten, dass eine gesunde Nachtruhe garantiert ist? Um Antworten zu finden, haben wir mit Schlafexperten gesprochen.
Auch bei VICE: Du willst nach deinem Studium Geld verdienen? Dann geh nicht auf die Kunsthochschule
Suzanne Booij arbeitet als Neurologin im Canisius-Wilhelmina-Krankenhaus in der niederländischen Stadt Nijmegen. “Die meisten jungen Menschen im ersten Studienjahr brauchen jede Nacht um die neun Stunden Schlaf”, sagt sie. Während der Pubertät entwickle man sich allerdings oft zum Nachtschwärmer, so Booij weiter. Falls das auf dich zutrifft, solltest du deine Lerneinheiten erst abends durchziehen. “Diese Leute gehen meistens erst spät ins Bett und stehen auch erst später wieder auf. Das heißt biologisch gesehen, dass Studierende im Normalfall abends produktiver, konzentrierter und aktiver sind.”
Marcel Smits, ein Neurologe am niederländischen Gelderland-Valley-Krankenhaus, stimmt dem zu: “Die natürliche Schlafphase von Studierenden beginnt erst später abends.”
Für den Alltag bedeutet das: Studierende müssen ihre späte Schlafenszeit im Hinterkopf behalten, wenn sie den nächsten Tag planen. Langfristig hilft das, Routinen zu etablieren und bestmöglich zu funktionieren. “Spät ins Bett zu gehen, ist kein Problem, wenn eine gewisse Regelmäßigkeit herrscht”, erklärt Booij. “Man sollte eben nicht am einen Tag um 2 Uhr morgen schlafen gehen, am nächsten dann aber schon um 21:30 Uhr.”
Alles ist besser als die U-Bahn
Falls du dich morgens trotzdem immer aus dem Bett quälst, ist es laut Smits hilfreich, so viel Tageslicht zu tanken wie möglich. “Fahrt mit dem Fahrrad oder dem Bus zur Uni. Oder lauft. Alles ist besser als die U-Bahn”, sagt der Neurologe.
Ebenfalls wichtig für deinen neuen, gesunden Lifestyle: zu regelmäßigen Zeiten essen und weniger Snacks zwischen den Mahlzeiten. “Wir sind Gewohnheitstiere”, erklärt Booij. “Wenn wir jeden Tag zu den gleichen Zeiten essen, werden wir auch zu den gleichen Zeiten hungrig.” Dir vor dem Schlafengehen noch schnell einen fettigen Snack reinzufahren, ist zudem sehr kontraproduktiv. “Der Körper verarbeitet im Bett dann die Pommes mit Mayo. Wenn das Verdauungssystem aktiv ist, schläft es sich nur schlecht.”
Manchmal geht es aber nicht anders, als spät abends noch etwas zu essen. In solchen Fällen ist es laut Booij wichtig, nicht zu viel auf den Teller zu laden.
Vergesst den Schlummertrunk
Natürlich spielt es bei der Qualität deines Schlafs auch eine große Rolle, wie viel Drogen und Alkohol du konsumierst. “Durch Alkohol schläft man zwar tatsächlich schneller ein, der Schlaf ist dafür umso unruhiger”, sagt Smits.
“Die Nachteile eines durchzechten Abends: weniger REM-Schlaf und allgemein seichterer Schlaf”, bestätigt Booij. “So fühlt man sich am nächsten Tag kaum ausgeschlafen.”
Deinen Alkoholkonsum plötzlich drastisch zu ändern, ist aber auch nicht richtig. Dein Körper hat sich vielleicht schon daran gewöhnt. “Wenn man während des Studiums jeden Abend sechs Bier trinkt“, erklärt Smits, “sollte man am Tag vor der Prüfung nicht auf einmal damit aufhören. Schlechter Schlaf ist dann vorprogrammiert.” Bei sechs Bier täglich raten wir dir dennoch dringend, das Konsumverhalten zu überdenken. Gesund ist das nämlich nicht.
Mit Powernaps zum Erfolg?
Wie sieht es damit aus, komplett auf Schlaf zu pfeifen und die Nacht durchzumachen, um Deadlines einzuhalten? “Eine Nacht lang aufzubleiben, ist nicht so schlimm”, versichert Smits. “So lange es die Ausnahme bleibt! Es gilt weiterhin: An den Abenden vor wichtigen Deadlines und Terminen ist es immer besser, früh ins Bett zu gehen.”
Bezüglich schneller Nickerchen während der Vorlesungen gibt der Neurologe zu, dass das vorteilhaft sein kann. Dann fügt er aber schnell hinzu: “Das Verlangen nach einem Powernap deutet normalerweise auf einen ungesunden Schlafrhythmus hin.” Seine Kollegin Booji schlägt in eine ähnliche Kerbe: “Durch Powernaps kann man erholsamen Schlaf nachholen. Bei Menschen mit normalem Schlafrhythmus reichen da 10 bis 15 Minuten. Menschen, denen Schlaf fehlt, müssen hingegen oft 30 bis 45 Minuten schlummern.”
Zudem ist es entscheidend, zwei Stunden vor dem Zubettgehen mit allen anstrengenden mentalen und körperlichen Aufgaben abzuschließen. “Der Übergang zwischen aktiv und viel weniger aktiv dauert”, sagt Smits. “Deswegen sollte man klug vorausplanen und sich nicht alles erst im letzten Moment aufladen.”
Die Rolle der eigenen vier Wände
Dein Wohnraum während des Studiums wird in Sachen Schlaftauglichkeit wahrscheinlich nicht ideal sein: Großstädte sind laut, WG-Mitbewohner oft noch lauter. Du kannst trotzdem gewisse Vorkehrungen treffen. “Eine gute Matratze und lichtundurchlässige Vorhänge sind extrem wichtig. Außerdem sollte die Nachtruhe nicht durch irgendwelche Geräusche gestört werden”, sagt Smits. “Unsere biologische Uhr reagiert vor allem auf Licht und Dunkel. Deswegen sollte man den Laptop, den Fernseher und auch das Smartphone ausschalten, um erholsam zu schlafen. Die Bildschirme dieser Geräte strahlen blaues Licht aus, was dem Gehirn Tageslicht signalisiert und es so in den Aufsteh-Modus versetzt.”
Angenommen, du übernachtest bei einer anderen Person. Wie wirkt sich das auf den Schlaf aus? “Viele Leute müssen sich erst an die neuen Geräusche und das andere Licht gewöhnen. Das erschwert es, normal einzuschlafen”, erklärt Booij. “Die linke Seite des Gehirns ist dann aktiver und man ist wie in Alarmbereitschaft.” Eine wichtige Prüfung steht an, aber du musst deiner Meinung nach trotzdem feiern? Dann schau zumindest, dass du nach der Party wieder bei dir landest.
Dir ist es wirklich wichtig, während des Studiums einen gesunden Schlafrhythmus zu etablieren. Gleichzeitig befürchtest du, dass dieses Vorhaben dich daran hindert, deine neue Freiheiten voll auszukosten. Da hat Booji den richtigen Hinweis parat: “Gar nicht mehr feiern oder keinen Tropfen Alkohol mehr trinken, ist gar nicht nötig. Wie so oft liegt auch hier der Schlüssel darin, alles in Maßen zu genießen.”
Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.