Die CSU weiß, wer der Babo ist

Die CSU hat eine mysteriöse Beziehung zu HipHop. 2011 machte der Sohn des bayerischen Innenministers, Jakob Herrmann, unter dem Pseudonym Jackpot mit Tracks wie „Jede Frau bückt sich“ Schlagzeilen. Und seit ein paar Tagen staunt das Internet über ein CSU-Wahlplakat aus dem mittelfränkischen Roth: Dort kandidiert der 23-jährige Jurastudent Fabian Giersdorf für die Kommunalwahlen am 16. März. Sein Slogan „Chabos wissen, wer der Babo ist“ stammt von Haftbefehl, der bisher nicht durch christsoziale Lyrics aufgefallen ist. Seither überfluten Posts einschlägiger Meme-Seiten die sozialen Netzwerke. Es gibt eine Fanseite, Tweet-Fluten, das übliche virale Programm also.

Giersdorf scheint sich der Shitstormrisiken seines Plakats jedoch bewusst zu sein—er steht mir Rede und Antwort. Ich erreiche Fabian an einem Sonntagnachmittag, den er zum Schachspielen genutzt hat, statt Hunderte Hass- und Spottkommentare auf seiner Facebook-Seite zu beantworten. In freundlichem Fränkisch erklärt er mir die ganze Geschichte:

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VICE: Herzlichen Glückwunsch: Du hast nicht nur den ersten Shitstorm gegen einen CSU-Politiker im Jahr 2014 ausgelöst, sondern bist derzeit auch der bekannteste nordbayrische Kommunalpolitiker im Netz. War das von langer Hand geplant?
Fabian Giersdorf: Ich erkläre das mal so: Kommunalwahlen haben immer eine niedrige Wahlbeteiligung. Das Problem war also: Wie kann man junge Leute ansprechen? Ich gebe ein Tutorium an der Uni, weil ich in Jura den Stoff ganz gut vermitteln kann. Da haben mir meine Studenten immer gesagt: „Du hast es drauf, du bist der Babo.“ So bin ich auf den Spruch gekommen. Mir war durchaus klar, dass er kontrovers diskutiert werden kann. Selbst wenn junge Leute zur Wahl gehen, um mich nicht zu wählen, wäre schonmal einer mehr zur Wahl gegangen. Ich hänge in Roth übrigens nur an zwei Stellen als einer von dreißig CSU-Kandidaten. Jeder hat einen Spruch, ich wollte etwas anderes machen, das habe ich auch mit den Leuten vor Ort besprochen.

Auf Facebook bläst dir eine Menge Zorn entgegen. Gibt es auch positive Rückmeldungen?
Per Privatnachrichten, SMS und Whatsapp bekomme ich unglaublich viel Zuspruch, auch von mir unbekannten Leuten.

Der Spruch kommt aus einem Track, der mit dem katholischen CSU-Programm nicht viel gemein hat. Zum Beispiel: „Du weißt, dass ich Babo bin, weil ich deine Mutter fick’ / Du bist wie mein Schwanz beim Wichsen – Ich spuck auf dich“.
Ich glaube, dass der Spruch schon so bekannt ist, dass er nicht mehr mit dem Lied von Haftbefehl verknüpft wird. Der Text ist nicht mein Geschmack, ich finde nicht gut, was er beschreibt. Aber abgesehen davon versteht man ihn gar nicht, wenn man das Lied hört. Ich wollte nicht den Song promoten, von dessen Inhalt ich mich deutlich distanziere. Sondern mit einem kontroversen Zitat den Blick auf die Kommunalpolitik lenken. Jeder hat auf seinem Plakat etwas Hochgestochenes stehen – da schreibe ich lieber etwas Augenzwinkerndes drauf.

Hast du Angst, dass du deshalb Ärger mit höheren CSU-Gremien bekommst?
Es war meine Idee, nicht die der CSU. Ich bin nicht die CSU. Ich bin ich.

Braucht die CSU mehr HipHop?
Die CSU als große Volkspartei muss für jeden Menschen da sein, egal ob er HipHop oder Volksmusik hört. Deshalb müssen wir uns in der Welt der Jugendlichen auskennen. Ich selber komme aus der katholischen Jugendarbeit, war Jugendsprecher im Schachclub. Für viele junge Leute ist die CSU wieder interessant, wir haben eine Wählerbanane – bei den Erstwählern schafft die CSU die absolute Mehrheit, bei den Leuten zwischen 30 und 40 läuft es am schlechtesten, bei den Älteren wieder besser.

Braucht die CSU mehr Shitstorms?
Diese Aktion wirkt vielleicht so, als hätte ich kein Programm. Aber wer sich einmal mit meinem Programm auseinandersetzt, weiß, dass ich mehr habe als nur Provokationen im Kopf.

Ein Kommentator meinte: Horst Seehofer ist der Babo von Bayern. Hat Haftbefehl Seehofers Herrschaft in einem Satz zusammengefasst?
Horst Seehofer hat zumindest das Ohr am Menschen, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Wie verstehst du den Spruch, was für ein Babo bist du?
Meine Kumpels wissen, wer ich bin, wovon ich rede, wie ich denke. Meine Kumpels wissen, dass ich früh Papa geworden bin und mich trotzdem um meine Kleine kümmere.

Du gibst an, dass du in der katholischen Kirche bist. In Haftbefehls Track geht es um Drogenhandel, Sexpraktiken und andere Dinge, die Jesus nicht tun würde—gab es von kirchlicher Seite schon Naserümpfen?
In der Kirche sind ja meistens ältere Leute, die kein Facebook haben, daher haben sie das noch gar nicht mitbekommen. Es sei denn, die Bildzeitung ruft morgen an. Kirche muss Realitäten, wie sie sind, erkennen und bei den Menschen sein. Da hat die katholische Kirche manchmal Nachholbedarf.

Während unseres Gesprächs google ich erfolglos nach einer Visualisierung für die von Fabian erwähnte „Wählerbanane“. Ein wunderschönes Bild für die demographische Verteilung der CSU-Wähler—also hiphopaffines Publikum unter 30 und Volksmusikfans ab 60.

Unterdessen hat Haftbefehl auf Facebook seinem Ärger über die ungefragte Verwendung seines Slogans Luft gemacht:

 

Per SMS hake ich bei Fabian Giersdorf nach, was er unternehmen will, sollte Haftbefehl Rechtsansprüche geltend machen. Zu juristischen Punkten will er sich allerdings nicht äußern. Das Duell Haftbefehl vs. CSU bleibt spannend.