Hipsterköche sind keine guten Köche

Es ist heutzutage fast ein Ding der Unmöglichkeit, gute Köche zu finden. Das meine ich ernst. Es gibt eine scheinbar unendliche Zahl an Köchen, aber gute zu finden, das ist eine ganz andere Geschichte. Es gibt so viele junge Köche da draußen, die nicht bereit sind, die Mühe oder Zeit in eine anständige Ausbildung zu investieren. Es gibt junge Männer, die ein Jahr für ein halbwegs bekanntes Restaurant gearbeitet haben und jetzt Souschef in diesem neuen trendigen Restaurant im hippsten Bezirk deiner Stadt sind.

Sie wollen alle Küchenchefs sein, weil das der neue „coole” Job für Punks, Metalheads und mit Tattoos übersäte Hipster ist: sie haben kaum oder gar keine Ausbildung, aber Küchen stellen immer Leute an.

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Es entwickelt sich eine neue Kultur mit der Mentalität: „Hey, was soll’s! Ist doch nur Essen.”Anscheinend kann man heutzutage innerhalb weniger Monate Küchenchef werden. Alles, was man braucht, ist ein bisschen Leidenschaft, einen Internetzugang, das noma-Kochbuch, das EMP-Kochbuch, vielleicht noch das Fäviken-Kochbuch und ein paar Monate zum Üben und zum Lernen. Das Resultat? Sie sind privilegiert, elitär und können null kochen.

Ich musste während meiner Ausbildung ziemlich viel einstecken. Sie hänselten mich in der Küche und schlugen mich mit Geschirrtüchern, die sie zuerst in die Fritteuse getaucht hatten und die Striemen auf meinem Körper hinterließen. Obwohl ich diese Art von Ausbildung nicht gutheiße—ich gehe so ganz sicher nicht mit den Köchen in meinem Restaurant um—, hat sie schon ihren Zweck. Du findest es vielleicht militaristisch, aber man bekommt auf jeden Fall eine dicke Haut. Wenn man diese körperlichen und emotionalen Qualen und Traumata erlebt, ist man später als Küchenchef auf alles vorbereitet. Nichts macht dir mehr Angst.

Ich kenne keinen der jungen Köche, die die Titelseiten schmücken. Aber diese eitlen, unausgebildeten Hipster nerven mich. Das ist wie wenn man sich in Triogonometrie oder Infinitesimalrechnung versucht, obwohl man noch nicht einmal Multiplizieren und Dividieren gelernt hat.

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Foto via pixabay

Ich finde es großartig, dass Kinder ein Interesse an Essen und am Kochen haben. Dass sie aber im Fernsehen sind, ist albern—sie sollten in der Küche sein, nicht vor den Kameras, wenn sie wirklich neugierig aufs Kochen sind.

Egal ob Küchenchef oder nicht, im Grunde sind wir alle Köche. Irgendwann werden wir zu Küchenchefs, wenn wir die Kontrolle und Verantwortung übernehmen. Wenn du wirklich ein Küchenchef sein willst, musst du meiner Meinung nach viele Jahre in Küchen verbringen, bevor du überhaupt darüber nachdenkst, dein eigenes Restaurant zu eröffnen; mindestens zehn bis zwölf oder noch mehr. Denk mal darüber nach, wie lange es dauert, Sushi-Meister zu werden. Manche werden mehr als 20 Jahre ausgebildet. Die ersten fünf Jahre darfst du wahrscheinlich nicht einmal einen Fisch angreifen. Solche Ausbildungen werden aber immer seltener: Köche wollen die richtige Ausbildung überspringen und direkt an die Spitze. Und weißt du was? Es funktioniert.

Da heutzutage durch das Internet und Social Media alles permanent zugänglich ist, kann man seinen Bürojob kündigen und innerhalb eines Monats oder zwei Koch werden, wenn man es wirklich will. Was bedeutet das aber für den Rest von uns, die viel Zeit und harte Arbeit investiert haben und ihre Fähigkeiten in der Küche verfeinert haben? Bedeutet das, wir haben unsere Zeit verschwendet? Den meisten Leuten ist das egal. Wenn man ein Gericht zubereitet, das—in ihren Augen—interessant aussieht oder klingt (auch wenn du es eins zu eins aus einem Buch kopiert hast) und es nicht einmal eine besonders gute Interpretation ist, ist alles andere egal, weil die Leute das Original ohnehin nicht kennen. Das ist sehr schwierig und ich möchte, dass die jungen Köche das verstehen. Wolfgang Puck, beispielsweise, ist einer der originellsten und bekanntesten Celebrity-Köche der Geschichte. Er hat sein ganzes Leben als Koch gearbeitet und wurde erst später zur Persönlichkeit, die er heute ist. Und wisst ihr was?

Das Leben als Koch ist nicht einfach. Man muss es wirklich wollen.

Als ich noch ein Kind war und anfing, mich für Essen zu interessieren—damals in den 90ern—hatten wir noch kein Internet. Die AOL-Modems waren gerade herausgekommen. Ich hatte keinen Zugang zu Dingen, die den Köchen von heute zur Verfügung stehen: Ich wusste nicht, welche Restaurants es auf der Welt gibt, ich wusste nicht, wo ich nach Zutaten suche, und es gab keine anderen Quellen als Enzyklopädien und eine kleine Auswahl an Kochbüchern. Mein erstes Kochbuch, The French Laundry Cookbook, las ich 1.000 Mal. Ich lernte alle Rezepte auswendig. In der Schule bekam ich Ärger, weil ich während der Stunde nicht aufpasste, sondern las, wie man Béarnaise macht. Die meisten Zutaten kannte ich nicht einmal. Ich hatte Wirsing, Foie gras oder Bries noch nie gesehen, aber ich wusste, wie man sie verarbeitet.

Kreativität—dieses Wort fällt heutzutage sehr häufig, wenn man junge Köche beschreiben will. Mein Mentor, Thomas Keller, würde euch sagen, dass das Kochen kaum oder gar keiner Kreativität bedarf. Es ist ein gefährliches Wort, das sehr oft missbraucht wird und Leuten einen falschen Eindruck von Seriosität und Professionalität vermittelt. Als ich als Kind das TFL-Kochbuch las, fing ich an, zum Spaß Speisekarten zusammenzustellen. Manchmal sah ich mir Bilder von Gerichten an und wusste nicht genau, was es überhaupt war oder woraus es gemacht wurde. Also fing an, die Gerichte auf meine eigenen Art zu entschlüsseln: Ich möchte das visuell nachahmen, wie mache ich das?

Etwas zu kopieren, das so schon existiert oder es leicht abzuändern ist nicht kreativ: Es ist nichts anderes als eine Kopie. Während wir alle schon mal großartige Köche kopiert haben, waren wir uns allen bewusst, was wir machen und es war uns klar, dass wir nicht kreativ sind. Wenn ich zurückdenke, habe ich früher die eigenartigsten Gerichte erfunden. Heute würde man sie vielleicht als modern ansehen, aber vor 15 Jahren hatte ich ja keinen blassen Schimmer. Ein Gericht bestand beispielsweise aus Taubenlebermousse, Aprikosensorbet und Lavendelkaramell. Für mich klang das ziemlich cool, aber im Grunde hatte ich keine Ahnung, was ich da eigentlich machte.

Das Leben als Koch ist nicht einfach. Man verliert Freunde, Beziehungen gehen zu Bruch und in bestimmten Situationen wird man zu einem Soziopathen. Manche Leute brechen wegen des Stresses zusammen. Man muss es wirklich wollen. Wenn du ein Koch sein willst, aber nur mental, weil es so cool oder interessant oder was auch immer ist, aber nicht, weil auch dein Herz dafür schlägt, ist es eine sehr harte Lebensentscheidung und ein körperlich und geistig zermürbender Job. All diese Zeit und diese Mühe hineinzustecken und dann ein paar Jahre später zu entscheiden, dass es nicht das Richtige für dich ist, ist eine riesige Zeitverschwendung. Und man verdient nicht besonders viel Geld. Wenn du es nicht lebst, dann halte dich davon fern.

Aufgezeichnet von Kirsten Stamn