Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der University of Texas at Austin hat ein plastikfressendes Enzym so verändert, dass es Kunststoff innerhalb weniger Tage zersetzen kann.
Die Forscherinnen und Forscher, die ihre Studie am 27. April in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten, suchten mithilfe von Machine Learning – also lernfähiger Algorithmen – nach Enzym-Mutationen, um ein Protein zu entwickeln, das Polyethylenterephthalat, besser bekannt als PET, besonders schnell in seine chemischen Bestandteile zerlegen kann. PET findet man in zahlreichen Produkten wie Plastikflaschen, Folien und Textilfasern. Der Kunststoff macht laut Studie zwölf Prozent des weltweiten Abfallaufkommens aus.
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Das neue Enzym löst den Kunststoff durch einen Depolymerisation genannten Prozess auf. Aus den dabei entstandenen Monomeren, also den Kunststoffbausteinen, kann man neues Plastik herstellen. Plastikzersetzende Enzyme sind nicht neu, aber das von den Forschern entdeckte ist das bislang schnellste.
Einer der Autoren der Studie ist der Chemietechniker Hal Alper. Am Telefon erklärt er die Vorteile der neuen Entdeckung. “Das Enzym zersetzt den Kunststoff in seine ursprünglichen Monomere. Sobald man diese Monomere hat, kann man daraus wieder neuen Kunststoff herstellen – mit dem Vorteil, dass man kein zusätzliches Erdöl braucht.”
Das habe große Vorteile gegenüber traditionellem Recycling: “Wenn man Plastik schmilzt und neu formt, verliert der Kunststoff mit jedem Recyclingdurchlauf an Stabilität. Wenn man es allerdings schafft, das Plastik zu depolymerisieren und dann chemisch zu repolymerisieren, kann man jedes Mal brandneuen PET-Kunststoff herstellen.”
Plastikfressende Enzyme wurden zum ersten Mal 2005 beschrieben. Seitdem seien 19 verschiedene davon entdeckt worden, heißt es in der Studie. Sie alle leiten sich aus Bakterien ab, die natürlich auf Kunststoffen vorkommen.
Viele dieser natürlichen Enzyme funktionieren allerdings nur gut in ihrer spezifischen Umgebung und sind sehr temperatur- und pH-Wert-empfindlich. Deswegen kann man sie laut der Studie an vielen Orten nicht einsetzen. Dazu gehören auch Recyclingzentren. Das Enzym, das Alper und sein Team entdeckt haben, kann dagegen 51 verschiedene PET-Arten in unterschiedlichen Temperatur- und pH-Umgebungen zersetzen.
Ihr Enzym tauften die Forscherinnen und Forscher FAST-PETase, kurz für “functional, active, stable and tolerant PETase”. Entdeckt hatten sie es mithilfe eines Machine-Learning-Algorithmus. Sie fütterten ihn mit 19.000 Proteinstrukturen und brachten ihm bei vorauszusagen, welche Aminosäurepositionen in einer Struktur nicht für ihre Umgebung optimiert sind. Mithilfe der Formel verbesserten sie auch die Positionen von Aminosäuren existierender PETase-Enzyme, identifizierten bessere Kombinationen und erhielten schließlich eine Struktur, die bei einer Temperatur von 40 Grad Celsius 2,4-mal aktiver als existierende PETase-Enzyme war und 38-mal aktiver bei 50 Grad Celsius.
“Was man in der Natur findet, ist wahrscheinlich schon ziemlich optimal, zumindest in der natürlichen Umgebung der jeweiligen Aminosäuren”, sagt Alper. “Wir können uns dann jede einzelne Aminosäure und ihre jeweilige Mikroumwelt in einem interessanten Protein anschauen und gucken, was passt und was nicht.”
Alper und sein Team hoffen, dass man ihr Enzym besser als andere im großen Maßstab anwenden und so ernsthaft die weltweite Plastikmüllkrise angehen kann. Auch wenn FAST-PETase bereits in verschiedenen Umgebungen gut klarkommt, muss sich jetzt noch zeigen, ob es im industriellen Maßstab transportierbar und bezahlbar ist.
Zuerst, sagt Alper, müssten er und sein Team FAST-PETase noch an einer Vielzahl von PETs testen, die häufig im Müllkreislauf vorkommen. Sollten die Forscherinnen und Forscher ein Enzym oder eine Gruppe von Enzymen finden, die robust genug für die praktische Anwendung sind, könnte das dabei helfen, die Milliarden Tonnen Plastikmüll in unserer Umwelt zu bekämpfen.
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