Hört auf, um David Bowie zu trauern, um Musikgeschmack vorzutäuschen

David Bowie ist tot. Spontan fällt mir ein: Was ist eigentlich mit David Byrne? Lebt der noch? Schau bei Google nach. David Byrne (1976-2002). Was, der ist auch tot? Schon so lange? Nein, 2002 haben sich die Talking Heads aufgelöst, nicht David Byrne. Bei Facebook dann die Überraschung: anscheinend kennen alle meine Freunde Davie Bowie, er war für sie sogar schon immer wichtig und bedeutsam. Auch etliche DJs und Bands betonen, wie inspirierend er für sie war. Musiker, die seit Jahren den immer gleichen Sound produzieren. Bei denen ich mich dann frage: Warum hab ich den Scheiss eigentlich mal geliked?

Alle sind zutiefst betroffen. Und wie immer wenn man vermeintlich betroffen ist, plant man direkt eine Gedenkstatue und eine David-Bowie-Straße. Doch betroffen ist man nicht wirklich, es geht nur um das eigene zur Schau stellen des Bescheidwissens, um die Steigerung des eigenen Egos. Denn wir sind hier ganz besondere Bescheidwisser. Niemand gibt hier generell zu, irgendwas nicht zu kennen oder nicht alles zu wissen, man hat seine Meinung schon vor der Betrachtung des Gegenstandes. Sei es an den Stammtischen auf dem Dorf oder in den Bars in Favoriten. Bei David Bowie denkt jeder, auch über seinen eigenen Horizont hinaus: Oh, wichtig! Warum, weiß ich gar nicht, aber Facebook sagt es!

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Leute, die Sets von DJs posten oder sie selbst fabriziert haben, in denen der immer gleiche Tech-House Track über 2 Stunden geloopt wird, reden von David Bowie als Inspiration. Leute also, die einen schlechten Musikgeschmack haben. Objektiv. Und diesen Gattungswesen war David Bowie eine Inspiration? Bowie sagte in einem Gespräch mit Max Dax 1997: „Ich möchte so weit gehen, daß es unsere Aufgabe war und ist, die Tiefen der Musik auszuloten und die Gestalt der Musik zu verändern.” An dieser Maxime orientieren sich zu wenige. Das gilt für Pop-Musik genauso wie für elektronische, auf die Bowies Einfluss sehr groß war. Trotz allem war Bowie kein Musiker, der sich Richtung 12-Ton-Musik bewegte, er liebte die großen Harmonien: „Wenn man meine Musik mit der Landschaftsmalerei vergleichen wollte, dann würde ich sagen, dass ich mein Festhalten an Melodien vom Kopf her womöglich ins neunzehnte Jahrhundert gehöre. Ich mag einfach gute Melodien, da kann man mir erzählen, was man will!”

Ich muss gestehen, ich habe mich noch nicht ausgiebig mit David Bowie beschäftigt. Ziggy Star Dust ist schon super. Aber sein Werk war immer sehr groß, vielfältig, fast erdrückend. Es steht definitiv auf meiner Liste weit oben, mehr von ihm anzuhören. Seine essentielle musikhistorische Bedeutung anzuerkennen, ist definitiv richtig. Und DJs wie The Black Madonna, aus deren Sets eine musikalische Abwechslung spricht, die der Bowies sehr ähnelt, haben wunderbare Tributes geschrieben. Ebenso Job Jobse. Fast alle anderen, besonders die Jüngeren, die vermeintlich durch Postings bei Facebook um ihn trauern—mit Ausnahme der Familie und der Angehörigen—haben nichts verstanden. Bowies Werk ist unsterblich, sein Tod sollte für alle ein Anlass sein, sich mit seiner Musik zu beschäftigen. Ich werde es jedenfalls tun.

Dieser Artikel ist zuerst auf THUMP erschienen.

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