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Ich habe die Zukunft besucht, in der wir ohne Geld, Steuern und Besitz leben

TVP Stadtkonzept | Bild: The Venus Project

Der Futurist und Architekt Jacque Fresco spricht gerne in Parabeln. Wenn er sich zu sehr in seinen Erzählungen zu verlieren droht, springt seine langjährige Partnerin Roxanne Meadows ein und ergänzt sie um ein paar hilfreiche Fakten. Fresco hat kürzlich seinen 100. Geburtstag gefeiert und ist damit der älteste Star-Futurist der Welt.

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Sein Lebenswerk ist The Venus Project, ein 85.000 Quadratmeter großer Garten Eden in Florida mit weißen kuppelförmigen Gebäuden. Satte 35 Jahre brauchten er und Meadows, um ihr selbst entworfenes Domizil fertigzustellen. Der futuristische Komplex ist gleichzeitig auch ein Forschungszentrum, in dem Fresco bis heute jede Woche Seminare leitet. Zu den Veranstaltungen gehört auch eine Tour durch zehn der Gebäude, in denen hunderte futuristische Stadtmodelle ausgestellt sind. Sie sind Ausdruck einer Zukunftsvision, die von Technologie und sozialer Gerechtigkeit geprägt ist. Es ist die Zukunftsvision von Jacque Fresco.

Mein Besuch bei Fresco und dem Venus Project kam tatsächlich durch das leidige Thema Einkommensteuer zustande. Denn Fresco und ich haben eines gemeinsam: Wir halten nichts von Steuern und würden sie am liebsten komplett abschaffen. Bei meiner Online-Recherche zum Thema stieß ich eines Tages auf Frescos umfangreiches Werk: Artikel aus über 80 Jahren, Mitschnitte von Lehrveranstaltungen, Bücher, Dokumentationen, Modelle und Architekturentwürfe. Frescos Arbeiten haben ein zentrales Thema: eine ressourcenbasierte Wirtschaft, in der es weder Steuern gibt noch Eigentum oder Geld.

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Das klingt alles sehr realitätsfern, doch je mehr ich über Frescos Arbeiten und Ideen lese, desto neugieriger werde ich. Fresco ist ein Mann mit einer Vision, die meiner eigenen nicht ganz unähnlich ist. Und so kam das Treffen mit Fresco und Meadows für mich genau zum richtigen Zeitpunkt: Am Ende meines US-Präsidentschaftswahlkampfs als Kandidat der Transhumanistischen Partei wollte ich unsere 20-Punkte Plattform um eine noch offensivere futuristische Plattform erweitern. Diese sollte sich nicht nur auf die Themen der nächsten 10-20 Jahre konzentrieren, sondern sich damit auseinandersetzen, was in 50 Jahren oder sogar im nächsten Jahrhundert passieren könnte.

Meadows präsentiert eines der futuristischen Stadtkonzepte | Bild: Zoltan Istvan

Ich persönlich denke, dass in den nächsten 20 Jahren fast alle Jobs automatisiert werden. Und ich glaube nicht, dass der Kapitalismus das überleben wird. Daher setze ich mich dafür ein, Steuern langsam abzuschaffen und ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen—und somit Sozialhilfe, Sozialversicherungen und das Krankenkassensystem überflüssig zu machen. Geschieht dies nicht, denke ich, dass die soziale Ungleichheit immer größer wird und das Sozialhilfesystem noch undurchsichtiger wird, als es jetzt schon ist. Ich fürchte außerdem, dass Bürgerkriege und Revolutionen ausbrechen werden, wenn Roboter alle Jobs übernehmen und die Unternehmen und Regierungen das nicht kompensieren können und der Gesellschaft nicht genug bieten.

Ich befürchte, dass eine dystopische Gesellschaft voll von Gewalt und Chaos entstehen wird, wenn man den arbeitslosen Menschen nichts bieten kann. Und das letzte, was die USA—und auch die Wissenschaftscommunity gebrauchen kann—ist ein Bürgerkrieg.

Einige Experten sehen die Lösung im vollautomatisierten Luxuskommunismus; ein Begriff, den man immer häufiger hört. Der grundlegende Gedanke dieses Modells ist es, dass die Menschen in der Zukunft von der Technologie umsorgt werden sollen, und um das zu erreichen, müsse sich der Kommunismus endlich als Wirtschaftssystem durchsetzen. Fresco glaubt nicht an diese Theorie.

Er ist der Überzeugung, dass sich die meisten Probleme der Menschheit lösen würden, wenn wir nur Geld und Besitztum abschaffen könnten. Seiner Meinung nach kann das nur durch den Wechsel zu einer ressourcenbasierten Wirtschaft erreicht werden—eine Idee, an der er schon seit seinem 13. Lebensjahr arbeitet.

Frescos The Venus Project lässt sich am besten als ein futuristischer Garten Eden beschreiben | Bild: Zoltan Istvan

Die ressourcenbasierte Wirtschaft funktioniert im Prinzip so: In der Zukunft wird alle Arbeit von Robotern übernommen werden (sogar das Produzieren und Reparieren anderer Roboter). Wir müssen uns die Welt als eine öffentliche Bücherei vorstellen, in der man sich nach Lust und Laune jedes Buch ausleihen kann, ohne jemals eins zu besitzen. Fresco möchte, dass alle Unternehmen so funktionieren—egal ob es dabei um Lebensmittel, neue Technologien, Benzin oder Alkohol geht. Er möchte, dass alles kostenlos ist und uns eines Tages von Robotern, Software und Automatisierung zur Verfügung gestellt wird.

Frescos System geht tatsächlich über die Ideen von Kapitalismus oder Kommunismus hinaus, die seiner Aussage nach beide auf Ressourcenknappheit basieren. Fresco hingegen strebt ein System an, das auf Ressourcenfülle basiert. Er glaubt, dass die weltweiten Rohstoffe ausreichen, um die gesamte Menschheit um ein Vielfaches zu versorgen—und dem stimme ich zu.

Obwohl Fresco über 100 Jahre alt ist, ist sein Geist hellwach. Er spricht zwar langsam, bringt aber souverän Argumente für seine ressourcenbasierte Wirtschaft vor. Wenn man ihm zuhört, kommt man nicht umhin, ihn für einen spirituellen Menschen zu halten. Tatsächlich klingen seine Formulierungen schon beinahe religiös—für ihn stellt Geld die Quelle allen Übels dar.

„Jedes Mal wenn ich einen Christen treffe”, sagt Fresco, „frage ich ihn: Warum sollten wir hier auf der Erde Besitztümer haben, wenn es im Himmel keine gibt?”

Der Autor (rechts) mit Fresco und Meadows | Bild: Jennifer Huse

Doch Fresco ist nicht gläubig. Genau wie ich, ist er ein überzeugter Atheist. Und ebenso wie ich und Millionen andere auf der Welt, ist er überzeugt davon, dass man alle Probleme auf dieser Welt mit Vernunft und einer wissenschaftlichen Herangehensweise lösen kann.

Er setzt sich für ein System ein, in dem alle frei und gleichberechtigt sind. Er befürwortet, genau wie ich, offene Grenzen in einer Welt, die sich immer weiter vernetzt und in der Ländergrenzen verschmelzen—trotz des kürzlich beschlossenen Brexit.

Die Frage, die wohl jedem in diesem Moment auf der Zunge liegt, wurde bei meiner Tour durch The Venus Project von einem Unternehmer gestellt: „Das klingt ja alles sehr interessant. Aber wie können wir tatsächlich den Wechsel zu dieser neuen Gesellschaft und Lebensweise schaffen?”

Eine ressourcenbasierte Wirtschaft, in der eines Tages niemand mehr arbeiten muss, sondern alle im Wohlstand leben, könnte der Schlüssel sein, um ein Stückchen Himmel auf Erden zu schaffen.

Meadows antwortete auf diese Frage: „Wir müssen damit anfangen, eine Stadt zu bauen, um der Welt zu zeigen, wie das System funktionieren könnte.” Wenn die Menschen erstmal sehen würden, wie gut das futuristische System funktioniert, würden sie es bald auf der ganzen Welt fordern.

Finnland hat erst kürzlich ein Experiment mit bedingungslosem Grundeinkommen gestartet. Es gibt auch andere Gesellschaften, die mit alternativen Regierungsformen funktionieren, wie beispielsweise der Mareki Stamm auf der Vanuatu Insel, der ganz ohne Geld und Besitztum lebt—alles ist dort gemeinschaftsbasiert. Auch das kalifornische Seasteading Institute, für das ich als Botschafter arbeite, möchte den ersten echten liberalen Staat der Welt schaffen.

Es ist also durchaus möglich, neue Regierungsformen, Gesellschaften und Städte zu errichten. Fresco, der kürzlich von den Vereinten Nationen für seine Pläne zur nachhaltigen Entwicklung ausgezeichnet wurde, hat schon viele Designs für seine erste experimentelle Stadt entworfen.

Obwohl einige der prognostizierten Roboter- und Automatisierungstechnologien noch gar nicht existieren, glaubt Meadows, dass eine solche Stadt schon heute erfolgreich funktionieren könnte.

Weitere futuristische Architekturmodelle des Venus Projects | Bild: Zoltan Istvan

Sie schrieb mir: „Der Erfolg der Stadt hängt nicht von den Prognosen zur Automatisierung in den nächsten Jahre ab. Die meisten Aspekte können auch jetzt schon realisiert werden, auch wenn die Stadt dann nicht vollständig automatisiert wäre.”

Zudem könnten die Kosten für den Bau einer solchen Stadt weit unter denen für herkömmliche Städte liegen. Jennifer Huse, die Social Media Leiterin des Venus Projects, erklärte mir: „Frescos Stadtpläne wären in der Umsetzung wesentlich günstiger als alle anderen, da man nur ein Achtel der Stadt entwerfen muss—den Rest kann man dann einfach duplizieren.”

Frescos Stadtentwürfe zeichnen sich dadurch aus, dass sie leicht miteinander verbunden werden können. Da sie alle aus einem Guss stammen, können sie einfach und kostengünstig produziert werden.

Ich bin voll und ganz für den Bau einer solchen Stadt—wie spannend wäre es, eine solche Stadt zu besuchen. Niemand kann heute vorhersagen, ob eine Stadt nach Frescos Vorstellungen tatsächlich funktionieren würde. Um eine vollständig ressourcenbasierte Wirtschaft tatsächlich umzusetzen, müsste natürlich die gesamte Welt mitmachen. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir es versuchen und durch den Bau einer ersten Stadt ein leuchtendes Beispiel für die Zukunft setzen sollten.

Wir Menschen müssen dringend etwas daran ändern, wie wir mit der Erde und unseren Mitmenschen umgehen. Zu lange haben wir Krieg, Verbrechen, Sklaverei und Armut einfach toleriert. Frescos Vision bietet einen neuen Ansatz, um allen Menschen Gleichberechtigung und Wohlstand zu ermöglichen—und uns allen zu einem besseren und interessanteren Leben zu verhelfen. Eine ressourcenbasierte Wirtschaft, in der eines Tages niemand mehr arbeiten muss, sondern alle im Wohlstand leben, könnte der Schlüssel sein, um ein Stückchen Himmel auf Erden zu schaffen.