Ich finde das Leben mit Mitte Zwanzig ziemlich blöd. Soweit jedenfalls. Ich bin keine Studentin mehr – eine Zeit, die für mich aus viel Alkohol und gelegentlichen Prüfungen bestand. Stattdessen arbeite ich Vollzeit und lebe in “der großen Stadt”, in die ich auf der Suche nach einem Medien-Job gezogen bin. Es ist kalt hier in Melbourne – für australische Verhältnisse. Es ist einsam. Ich schreibe, ich schlafe und ich weine. Ich gehe quasi nie aus und verlasse mich auf meinen Freund als emotionale Stütze.
Ich weiß, dass alles etwas leichter wäre, wenn ich ein Sozialleben hätte. Als Erwachsene neue Freunde zu finden, ist allerdings schwer. Ist es wirklich. Und ich würde mir wünschen, dass Menschen öfter darüber sprechen würden. Im Laufe des vergangenen Jahres habe ich vielleicht zehn Menschen kennengelernt. Mit etwa zwei von ihnen habe ich eine gewisse Freundschaftsebene erreicht, die jedoch auch nicht weit über einen bloßen “Bekanntenstatus” hinausgeht.
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Ich habe entschieden, daran etwas zu ändern. Hier ist eine ehrlicher Bericht über alles, was ich während meines Verzweiflungs-Monats auf der Suche nach einem neuen Freund oder einer neuen Freundin gelernt habe.
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Traum-Freundschaften
- Natürlich will ich am liebsten so eine Sex and the City-Gang aus Freundinnen haben, mit der ich Cocktails bechern kann. So ausarten wie in dieser Folge It’s Always Sunny in Philadelphia sollte es dann aber nicht.
- Dann möchte ich eine charmante Weltenbummlerin, bei der ich für umsonst auf der Couch übernachten kann, wenn ich meinen Nervenzusammenbruch habe und meine Weltreise buche.
- Außerdem: Jemand außerhalb meiner eigenen Denkblase, die oder den ich mit meinem überlegenen Intellekt bekehren kann.
- Jemanden, der brutal ehrlich ist und mir sagt, wenn ich Scheiße sage oder baue.
- Und eine Influencerin oder einen Promi, die oder der mir kostenlose Sneaker oder Eintritt zu Veranstaltungen besorgen kann.
Realistische Freundschaften
Im Grunde will ich einfach jemanden haben, den ich einen Freund oder eine Freundin nennen kann. Irgendjemanden. Etwa im gleichen Alter, mit ähnlichem Erfahrungsschatz. Idealerweise sollte diese Person auch ab und an mit mir abhängen wollen. Vielleicht können wir auch zusammen den neuen Avengers-Film sehen? Ich bin verdammt genügsam!!!
Was ich im Gegenzug anbieten kann
Hier meine ausführliche Liste mit meinen positiven Eigenschaften, die mich zumindest in der Theorie zu einer ziemlich guten Freundin machen:
- Ich besitze ein Auto, das vielleicht klein und voll mit Cheeseburger-Verpackungen ist, sich aber nichtsdestotrotz dazu eignet, Personen zum Flughafen zu bringen und abzuholen. Auch bei Umzügen einsetzbar.
- Ich habe kein Problem damit, ungefragt oder gefragt Ratschläge zu geben.
- Ich schaue mir begeistert Instagram-Stories an.
- Ich ghoste aus Prinzip nicht in Gruppenchats.
Gängige Methoden, um neue Freunde zu finden (1): Entwickle ein Hobby und lerne Gleichgesinnte kennen
Diesen Tipp hört man oft – und auf den ersten Blick scheint er auch ganz vernünftig. Aber er hat einen Haken. Was soll ein Hobby eigentlich sein? Erwachsene haben Hobbys, damit wir sie in unseren Online-Dating-Profilen auflisten können. Allerdings haben die meisten Menschen keine Freizeitaktivitäten außer Netflix, Fitnessstudio und atmen. Hobbys sind nur etwas für Kinder, die man nach der Schule bei Laune halten muss – und für Senioren, die man von der Zukunft ablenken muss. Wenn ich an Hobbys denke, dann kommen mir als erstes Briefmarkensammeln und Reiten in den Sinn. Nichts davon interessiert mich. Jedenfalls momentan nicht.
Was mir wirklich gefällt? In einer Bar trinken, die auch gutes Essen serviert. Aber wie ich vor einigen Monaten auf die harte Tour lernen musste, ist das nichts, was man beim Vorstellungsgespräch erwähnen sollte.
Gängige Methoden, um neue Freunde zu finden (2): Lerne neue Menschen am Arbeitsplatz kennen
Haha. Nein danke.
Gängige Methoden, um neue Freunde zu finden (3): Sei umwerfend charismatisch
Ich halte mich keineswegs für eine uninteressante Person. Ich verfüge über ein gewisses Selbstbewusstsein. Aber: Ich scheine nicht das zu haben, was auch immer andere Menschen dazu bringt, einen automatisch zu mögen. Generell habe ich auch kein Problem damit, nur leider wurde mir schon früh in diesem Experiment klar, dass ich um Erfolg zu haben Menschen auf mich aufmerksam machen muss wie eine frischgeschiedene Frau mittleren Alters, die einen Neustart wagt.
Sich ein Ziel setzen
Als ich frisch in Melbourne war, habe ich rückblickend etwas extrem Peinliches gemacht. Ich habe eine Reihe cool aussehender Fremder bei Facebook angeschrieben, mit denen ich gemeinsame Freunde hatte, und sie gefragt, ob sie mit mir abhängen wollen. Es war quasi das Freundschafts-Äquivalent zu einem ungebetenen Schwanzfoto – und etwa genau so gut hat es auch funktioniert. Nämlich gar nicht.
Meine seelischen Narben abtastend ging ich in mich und versuchte, an Menschen zu denken, die in der jüngeren Vergangenheit ernsthaftes Interesse daran bekundet hatten, Zeit mit mir zu verbringen. Mein auserkorenes Ziel war Claire, eine Comedian aus Melbourne. Wir sind uns ein paar Mal über den Weg gelaufen, hatten zusammen rumgealbert und folgten uns gegenseitig auf allen wichtigen Social-Media-Plattformen. Gerade erst hatte sie mich gefragt, ob ich nicht auch zu dieser einen Party gehe. Claire war die perfekte Gelegenheit und ich schlug zu.
Später sollte Claire mir beichten, dass ich bereits die dritte Person war, die sie wegen der Party angeschrieben hatte – und die einzige, die zugesagt hatte. Aber wir hatten eine gute Zeit, machten ein paar gemeinsame Selfies und redeten über Jungs. Wir fühlten uns kompatibel und arrangierten ein weiteres Treffen.
Ausweitung des Spielfelds
Auch wenn mit Claire alles gut lief, schien es mir ratsam, mir weitere Optionen offenzuhalten. Einfach mal alles mitnehmen, was geht. Am einfachsten war das meiner Meinung nach mit ein paar Twitter-Posts getan:
Ich war ehrlich, dass ich darüber einen Artikel schreiben würde, um eine Wie werde ich ihn los – in 10 Tagen?-Situation zu vermeiden. Ehrlichkeit! Das ist noch so eine tolle Qualität! Mein Post hatte jedoch vorhersehbare Konsequenzen: Ein männlicher Twitter-User, dessen Avancen ich schon länger ignoriere, nahm die Gelegenheit sofort wahr, mich zu kontaktieren. Ich musste mich wohl etwas klarer ausdrücken:
Leider ist es ziemlich stressig, im Internet zu fragen, wer mit dir befreundet sein möchte. Selbst wenn du so wenige Follower hast wie ich.
Schließlich war ich so überfordert mit allem, dass ich einfach niemandem antwortete und mich ausloggte. Sorry, potenzielle Onlinefreunde.
Promi-Weisheiten
Nach dieser emotionalen Reizüberflutung brauchte ich etwas Motivation und Inspiration – ja, geistige Führung, wenn du so willst. Was Religion oder ein Netflix-Abo für die einen ist, ist Promi-Gossip für mich. Ich wollte wissen, was die Schönen und Reichen über Freundschaft zu sagen haben, also besuchte ich eine dieser Seiten, auf denen man für jedes Promi-Zitat weiterklicken muss.
“Egal, wie müde ich bin, mindestens einmal die Woche habe ich Abendessen mit meinen Freundinnen. Oder wir übernachten beieinander. Ansonsten besteht mein Leben nur aus Arbeit.” – Jennifer Lawrence, Schauspielerin, über Freundschaft
“Freunde sind der beste Zufluchtsort, wenn du einen schlechten Tag hast.” – Justin Bieber, Sänger, über Freundschaft
“Die meisten von uns hatten eine weniger perfekte Kindheit, also wirst du für deine Freunde fast zum Elternteil und zum Bruder oder Schwester – die eigene Wahlfamilie. Es gibt nichts, was mit einem wirklich loyalen, zuverlässigen, guten Freund mithalten kann. Nichts.” – Jennifer Aniston, Schauspielerin und Star einer Serie über Freundschaft, über Freundschaft
Hach, Ratschläge von stinkreichen Menschen sind doch immer wieder tröstend.
Am Ball bleiben
Ich fühlte mich wie neugeboren, also entschied ich mich dazu, mich bei Claire noch eine Ecke mehr ins Zeug zu legen. Ich begann, bewusst ihre Social-Media-Posts zu liken, hier und da einen Kommentar zu hinterlassen – nicht jeden Tag, sondern gerade genug, um bei ihr präsent zu bleiben.
Der ganze Prozess erinnerte mich an Flirten, worin ich auch nicht besonders gut bin. Aber je mehr gemeinsame Erfahrungen wir machten, desto einfacher wurde es. Unseren Durchbruchsmoment hatten wir, als wir aufgrund mehrerer Bier-bezogener Umstände in einer Karaoke-Bar landeten. Hast du schon einmal in einer fast leeren Absteige australische New-Wave-Klassiker gesungen? Nein? Vielleicht solltest du das mal mit neuen Bekanntschaften versuchen. Trauma verbindet.
Ich bat Claire um eine ehrliche Bewertung des Stands unserer Freundschaft. Ihr Urteil machte mich glücklich:
Wie Claire richtig bemerkt, haben wir gemeinsam diverse Meilensteine einer zeitgenössischen Frauenfreundschaft erreicht:
- Gemeinsames Besäufnis;
- eine Reihe ehrlicher Nachrichten, Austausch über schädigende Beziehungen, die wir mit emotional unzugänglichen Musikern aus Australiens alternativer Szene hatten;
- und sie hat mir exklusive Bilder ihrer ausufernden Snapback-Sammlung gezeigt.
Fazit
Die Zeit, die ich damit verbracht habe, verzweifelt eine freundschaftliche Verbindung mit Fremden aufzubauen, um später einen Artikel darüber zu schreiben, war nicht gerade ein großer Spaß. Ist es vielleicht wirklich so, dass Freundschaften … harte Arbeit erfordern? Verdammt, ist das nervig. Aber auch wenn ich mich durch dieses Projekt in mir drinnen sehr leer und traurig gefühlt habe, war es technisch gesehen ein Erfolg. Ich habe genau eine neue Freundin und wir werden bald wieder miteinander abhängen. Glaube ich.
Ich mag ein besonders mitleidserregender Sonderfall sein, aber es ist relativ normal, mit Mitte 20 viele Freunde zu verlieren, wenn du nicht mehr zur Uni gehst und dir die Wochenenden in Clubs und Bars um die Ohren schlägst. Beim Schreiben dieses Artikels dachte ich dann auch, eine gigantische Marktlücke entdeckt zu haben, die ich unbedingt ausbeuten wollte. Ich würde ein Freundschafts-Äquivalent zu Tinder erfinden, mit dem ich so viel Geld mache, dass Menschen mich um Freundschaften anbetteln, damit sie auch auf meine legendären Sommer-Megayacht-Partys eingeladen werden.
Blöderweise habe ich von meinem Redakteur erfahren, dass es diese App schon gibt. Wahrscheinlich sollte ich also einfach allen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, empfehlen, besagte App zu verwenden, anstatt sich von irgendeinem der obengenannten Ereignisse inspirieren zu lassen.