Für mich als dickere Frau kann die Welt des Online-Datings manchmal richtig brutal sein. So wurde ich bei Tinder schon als „fett” oder „fette Bitch” bezeichnet oder mir wurde erklärt, dass Männer nur aus Mitleid mit mir Sex hätten, weil man auf Menschen meines Umfangs gar nicht wirklich stehen könne. Eigentlich habe ich mit meinem Aussehen keine Probleme, aber als ich mich zum ersten Mal im Online-Dating versuchte, bereitete mir mein Gewicht auf eine ganz neue Art und Weise Sorgen: Ich hatte Angst, dass ich auf Fotos nicht so dick rüberkomme, wie ich eigentlich bin. Ich wollte einfach nicht, dass mir Männer vorwerfen, in Bezug auf meinen Körper zu „lügen”. Auf Dating-Seiten wie etwa OkCupid, wo man zuerst diverse Fragen zu den Themen Sex, Dating und Persönlichkeit beantworten muss, habe ich vor einer Konversation mit einem Typen immer zuerst präventiv nachgeschaut, wie er Fragen im Stile von „Würdest du eine übergewichtige Person daten?” beantwortet hat.
Dieses Verhalten legte ich schließlich auch irgendwann wieder ad acta, weil mir klar wurde, dass ich damit nur unnötige Probleme für mich selbst erschaffen hatte. Als ich dann jedoch von der neuen Dating-App WooPlus hörte, die quasi ausschließlich für dickere Männer und Frauen gedacht ist, war ich trotzdem neugierig. Laut Michelle Li, einer Mitbegründerin von WooPlus, kam die Idee zu dieser App auf, nachdem ein „Moralvideo” viral gegangen war, in dem die Reaktionen von Männern gezeigt werden, die erst mit falschen Tinder-Fotos geködert und anschließend mit einer viel dickeren Frau konfrontiert wurden.
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„Das ging uns einfach nicht mehr aus dem Kopf”, erzählte mir Li. „Nicht jeder Mann steht auf kleine, zierliche Frauen. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, eine Dating-Plattform für Menschen zu erschaffen, die auf breiter gebaute Leute stehen.”
In dem besagten Video wird auch eine Studie zitiert, die angeblich (ich konnte diese Studie nirgendwo finden) besagt, dass die größte Angst der Frauen beim heterosexuellen Dating darin besteht, an einen Serienmörder zu geraten—bei Männern herrscht hingegen vor allem die Angst vor, eine dicke Frau zu treffen. Falls das tatsächlich der Wahrheit entsprechen sollte, dann verstehe ich auch, wie eine App wie WooPlus auch so etwas wie einen Schutzraum darstellen könnte. „Wir wollen, dass sich die User hier in ihrer Haut wohlfühlen”, fügte Li noch hinzu.
Natürlich hat die ganze Sache auch ihre Schwächen: Rückt eine App wie WooPlus das Gewicht vielleicht zu sehr in den Vordergrund und lässt so charakterliche Eigenschaften unwichtig erscheinen? Werden dickere Frauen so fetischisiert? Zieht die App vielleicht auch Leute an, die einfach nur ihre Sexfantasie von einer voluminösen Partnerin befriedigen wollen? Und woher weiß man eigentlich, ob man für die App „dick genug” ist? Als ich Li genau diese Fragen stellte, antwortete sie mir: „Natürlich lassen sich solche Dinge nicht komplett vermeiden, aber wir haben bereits viele Features eingebaut, die zum Beispiel gewisse Ausdrücke wie etwa ‚Fetisch’ erkennen und die entsprechenden User dann direkt entfernen. Auf unserer Plattform werden solche Dinge nicht toleriert.”
Ich hatte also offensichtlich meine Zweifel, dachte mir dann jedoch: „Scheiß drauf, ich probier das Ganze jetzt einfach mal aus!”
Nach dem Download der App stand zuerst das Erstellen meines Profils an. Es gibt einen Abschnitt für Hobbys und Interessen, aber dort kann man komischerweise nur aus fünf festgelegten Antworten auswählen. Da ich keine Möglichkeit zur persönlichen Entfaltung hatte, wurde ich zu Alison Stevenson Basic. Alison Stevenson Basic steht auf westliche und chinesische Küche und hört vor allem Pop-, Rock’n’Roll-, Punk- sowie Jazzmusik. Sie trinkt gerne Cocktails und liebt sowohl Dokumentationen als auch Schnulzen-, Horror- und Comedy-Filme. Wenn sie nicht gerade westliche oder chinesische Gerichte verspeist oder von Filmen bzw. Musik verschiedenster Genres unterhalten wird, dann beschäftigt sich Alison Stevenson Basic auch gerne mit Tieren oder Kochbüchern. Ich hasste mein Profil, musste mich aber damit zufriedengeben.
Der nächste Schritt bestand darin, mein Äußeres zu beschreiben—was mich in eine mittelschwere Krise stürzte. Als Erstes musste ich meine Figur definieren und von „slim” bis „supersized” war bei den Auswahlmöglichkeiten alles dabei. Ich entschied mich für „chubby”, weil ich keine Ahnung hatte, was „skinny-fat” bedeuten soll, und mir eingestehen musste, dass die moderne Definition von „curvy” kein Bauchfett mehr beinhaltet (und das trifft auf mich nicht zu). Schließlich musste ich noch meine Körperform festlegen: Bin ich eine Sanduhr, ein umgedrehtes Dreieck (bitte was?!), ein Rechteck/eine Banane (haben diese beiden Sachen überhaupt die gleiche Form?), ein Kreis/Apfel oder ein Dreieck/eine Birne (wie bitte?!)? Nach kurzer Überlegung entschied ich mich für „Banane”, weil ich gerne Bananen esse und diesen Umstand vorher nicht angeben konnte.
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Ich rundete mein Profil noch mit einigen Bildern ab—zum Beispiel mit einem meiner wenigen Ganzkörperfotos und einem Selfie vor dem Spiegel einer Fastfood-Restaurant-Toilette—und machte mich dann ans Swipen.
WooPlus zielt derzeit nur auf heterosexuelle Männer und Frauen ab, aber laut Li soll sich das in naher Zukunft ändern. Ich hatte also zuerst einmal ungefähr zehn Männer zur Auswahl und musste danach fünf Minuten warten, bevor ich „weiterspielen” konnte. Als die fünf Minuten um waren, wurden mir wieder nur so wenig Singles angezeigt. Anschließend bekam ich die Nachricht, dass meine Swipes für diesen Tag aufgebraucht wären. Ein Match war übrigens nicht dabei.
Viele Elemente von WooPlus findet man bereits in anderen Dating-Apps, aber ein Feature war mir dann doch neu: die Geschenke-Option. Nicht mal 24 Stunden nach der Installation der App schickte mir ein User ein digitales Geschenk in Form eines Stück Kuchens (leider eben nur digital). Ich fragte meinen Sugardaddy, was er denn von WooPlus halten würde.
„Ich persönlich fände es gut, wenn es mehr solche Apps geben würde”, schrieb er. „Ich habe es schon mit anderen Dating-Plattformen probiert und sagen wir es mal so: Wenn man dort nicht die richtige Figur hat, dann macht es keinen Spaß.”
Ein paar Tage später unterhielt ich mich mit einem weiteren User, der sogar ein Match war, aber leider über 80 Kilometer von mir entfernt wohnt. Er meinte, dass er auf „dickere Frauen” stehen würde und es auch schon mit Tinder und Co. probiert hätte. Dann hat er jedoch WooPlus entdeckt und dem Ganzen einfach mal eine Chance gegeben. Einige Leute halten die App also offensichtlich für die Lösung eines Problems.
Nachdem ich WooPlus schließlich gut eine Woche lang ausprobiert hatte, stand für mich der größte Nachteil der App fest: die niedrige User-Zahl. Die Männer, mit denen ich in Kontakt trat, wohnten oft gar nicht in der gleichen Stadt oder sogar gar nicht mal im gleichen Bundesstaat. Dieser Umstand macht das Daten quasi zu einem Ding der Unmöglichkeit. Li hat mir zu diesem Thema eine Statistik zukommen lassen, die besagt, dass WooPlus seit der Einführung im November 2015 schon gut 10.000 Nutzer ansammeln konnte. Die meisten davon leben in den USA und fast zwei Drittel sind männlich. Trotzdem kam es mir nicht so vor, übermäßig viele Männer zur Auswahl zu haben.
Selbst wenn WooPlus noch weiter wachsen sollte, habe ich nicht das Gefühl, dass ich etwas am negativen Stigma dicken Leuten gegenüber ändere, wenn ich mich nur noch mit stolzen Verehren von beleibten Frauen abgebe. Viele Männer, die ich früher gedatet habe, meinten damals zu mir, dass ich ihre erste „dicke” Frau sei. Wenn ich also nur noch Plattformen wie eben WooPlus nutzen würde, hätte ich wohl nie wieder die Chance, die Meinung eines Mannes zu dicken Frauen zu verändern.
Ich will damit jetzt nicht sagen, dass WooPlus eine schlechte App ist. Li und ihr Team wollen tatsächlichen einen Schutzraum für füllige Menschen schaffen—das ist jedoch nur schwer zu erreichen, ohne uns vorher in irgendeiner Art und Weise zu marginalisieren. Und wenn man schon ein Geschenke-Feature einbaut, dann aber bitte auch mit echtem Kuchen.