Ich kann leider nicht kochen. Es ist mir mit 19 so richtig bewusst geworden, als ich für meinen damaligen Freund Fleischbällchen mit Kartoffelpüree machen wollte. Die Fleischbällchen waren innen roh und das Püree klumpig. Er dachte, es wäre eine Ausnahme, war es aber nicht. Wir sind übrigens nicht mehr zusammen, danke der Nachfrage. (Und nein, das hat nichts mit Geschlechterrollen zu tun, sondern damit, dass Menschen von ihren Liebsten generell eher ungern rohe Fleischbällchen serviert bekommen.)
Kochen kostet mich also meistens Geld, Zeit und Nerven und das Endergebnis schmeckt einfach immer beschissen. Wirklich immer. Ich habe noch nie etwas mit meinen Händen produziert, was man mit “tasty” labeln könnte (keine Witze über Handjobs, bitte). Unabhängig davon, ob ich ein Rezept peinlich genau verfolge oder nach meinem Gefühl koche. Das hat mich lange traurig gemacht, da ich auch Bobo-Freunde mit Food-Blogs habe, die einfach so am Nachmittag “Rhabarber-Zitronengras-Reiskuchen” auf Instagram servieren. Wenn ich für mich koche, dann koche ich Cornflakes mit Milch, Spiegeleier oder gerührte Eier. Manchmal auch gekochte Eier, aber die sind praktisch immer zu hart.
Videos by VICE
Ansonsten lasse ich mich von meiner Familie, meiner WG oder vom Lieferanten bekochen. Stolz bin ich nicht darauf, aber es ist mir zumindest egal geworden. Aber ich habe es mit 24 auch wirklich aufgegeben. Es gibt einfach diese Gruppe von Menschen, die in der Küche keinen Spaß haben, und ich gehöre zu ihnen. Ich schneide mich, mir fällt alles runter und mein “Abschmeck”-Gaumen ist dank meines Lebensstils ziemlich verkümmert. Und genau als ich Frieden mit mir und der Küche geschlossen habe, fängt Facebook an mir lustige und bunte Koch-Kurzclips namens “Tasty” zu zeigen.
In denen sieht man zwei Hände, die schneiden, anbraten und schlussendlich in Slow-Motion, in eine leiwande Speise hineinstechen. Eine Speise, die einfach, aber irgendwie nicht alltäglich ist. Also habe ich diesem ganzen Kochding noch eine Chance gegeben—vor allem, weil zwei Arbeitskollegen auch felsenfest davon überzeugt waren, dass jeder Vollidiot kochen kann und ich nicht auf mir sitzen lassen will, dass ich keiner dieser Vollidioten bin.
Es gab drei Regeln: Ich koche nur, was ich im Video sehe, weil diese Videos eben genau dafür da sind. Ich schaue die im Video vorkommenden Vokabeln nicht nach—wenn ich nicht weiß, was ein Wort bedeutet, mache ich es eben nach Gefühl. Und die letzte: Ich bemühe mich aufrichtig, es nicht zu versauen.
Breakfast Biscuit Fries
Zeit: 1 Stunde und 40 fucking Minuten. Für nichts.
Kosten: 25 Euro
Im Nachhinein habe sogar ich mich gewundert, warum ich ausgerechnet eine Speise, die “Frühstück” im Namen trägt und grundsätzlich aus fünf Kilo Fett besteht, als Vorspeise gewählt habe. Aber es sah eben irgendwie nach einem typisch “Tasty”-Videos aus und ich habe mich verführen lassen. Der Speck alleine hat mich 5 Euro gekostet. Ich bin mir auch relativ sicher, dass mein Versagen im Kochprozess grundsätzlich bereits mit dem Einkauf anfängt.
Ich war ehrlich überrascht, zu sehen, dass man kein Öl zum Anbraten von Speck braucht—da fing mein Misstrauen auch an. Es wurde auch nicht weniger, als ich einen “Cup” Mehl zu meinem verbrannten Speck-Fett geschüttet habe. Ein Häferl hat leider ziemlich viele verschiedene Größen, zumindest hier in Europa. Und Mehl hat bei uns offensichtlich so unterschiedliche Eigenschaften wie griffig oder glatt. Ich habe mich im Geschäft für “universal” entscheiden. Mit dem Universal-Mehl habe ich dann ein großes Häferl zur Hälfte gefüllt, weil mir das irgendwie intelligent vorgekommen ist. Hühnerbrühe habe ich fertig im Geschäft gekauft; 500 Milliliter für 5 fucking Euro.
Ich habe die Hühnerbrühe zum Mehl gegossen—so weit so gut. Von meiner Mama weiß ich, dass ich eine eigene Hühnerbrühe zirka fünf Stunden kochen müsste. Und dann passiert im Video etwas ganz Unerwartetes: Das verbrannte Speck-Fett mit dem beigemengten Mehl und der Suppe verschwindet einfach. Und kommt nie wieder. Es ist wie ein Handlungsstrang in einer Soap, auf den einfach vergessen wird.
Erst als ich mehrere Schritte weiter war, hatte ich die leise Vermutung, dass dieses Zeug der Teig für die Biscuits sein könnte. Ich habe für meine Biscuits einfach fertigen Blätterteig gekauft. Vor mir stand also eine verdammte Pfanne mit einem Inhalt im Wert von über 10 Euro, der eine ziemlich ekelhafte Konsistenz und einen noch widerlicheren Geschmack hatte.
Meine Laune hat ein bisschen darunter gelitten. Dann habe ich ungefähr einen Liter Öl in einen Topf getan und das erste Mal in meinem Leben frittiert. Haben meine Fries so schön ausgesehen wie im Video? Absolut nicht. Die Scheißdinger aus Blätterteig sind im Öl aufgegangen, waren an manchen Stellen braun und an manchen weiß. Aber hey: Es ist frittiert und es ist Blätterteig—das kann doch nicht so schlimm schmecken.
Dann kamen diese Patzen auf ein Blech. Dazu habe ich Speck getan. Dann kleine weiße Würstchen, die ich zerschnitten habe. Aber nicht gekocht oder angebraten. Wozu auch? Das Video hat mir diesen Schritt nicht gezeigt und es kommt nachher sowieso in den Ofen. Danach haben die magischen Video-Hände fertige Spiegeleier auf diese herzgefäßverengende Speise gelegt.
Ich war schon richtig angepisst, weil es über eine Stunde gedauert hat, bereits mein vierter Topf schmutzig war und ich die Scheiß-Spiegeleier auch noch machen musste. Dann habe ich wirklich komplett drauf geschissen und das Ganze mit unliebsamen Cheddar-Flocken in den Ofen geschoben. Beim Verkosten habe ich mich halb angespieben. Erstens waren die Würstchen roh, zweitens war auch die restliche Speise nicht wirklich essbar. Außerdem hatte das ganze Ding einen gefühlten Fettgehalt von 80 Prozent, was ja grundsätzlich ein Pluspunkt bei mir wäre. Aber es war ekelhaft und triefend. Wenn Fett ein Geschmacksträger ist, dann hat es in diesem Fall etwas weitergetragen, was nicht weitergetragen werden sollte.
Red Wine Spaghetti
Zeit: 30 Minuten
Kosten: Ungefähr 5 Euro—je nachdem, was man alles unter “Rotwein“ versteht.
So langsam habe ich den Dreh von “Tasty” rausbekommen. Hau einfach überall einen Kilo Käse rein, lass ihn ein bisschen schmelzen und mach eine Nahaufnahme—dann werden die Mäuler hungrig. Beim Spaghetti kochen habe ich herausgefunden, dass meine “Cups” wohl zu groß sind. Erstens war mein gesamter Wein weg und zweitens haben die Spaghetti den Rotwein nicht magisch aufgesogen wie im Video, sondern schwammen verloren umher. Ein bisschen so wie ich in der Küche.
Zur Sicherheit habe ich angefangen, mein Spaghetti-Wasser abzufüllen und zu trinken. Der Rotwein um 1,99 Euro war erstaunlich ekelhaft und vor allem bitter. Überhaupt: So fancy rote Wein-Spaghetti auch aussehen, so ekelhaft schmecken sie auch. Nicht, dass es irgendwie besonders unlogisch oder überraschend wäre—also zumindest für jemanden, dessen Hirn beim Kochen nicht kognitiv überfordert ist. Dass ein bitterer Wein wahrscheinlich nicht die beste Pasta-Sauce ergeben würde, hätte ich zumindest erahnen können.
Den Knoblauch habe ich angebrannt, weil ich mich offensichtlich in der Hitzestärke verschätzt habe und die Spaghetti dann auch schon fertig waren. Ich habe noch eine Packung geriebenen Emmentaler dazugetan, weil mir Käse nun auch wie die Rettung vorkam, und ein bisschen Grünzeug reingeschnippselt. Es war essbar. Aber Pizza vom Vortag ist auch essbar. Und ich war zirka genauso angetrunken wie bei Pizza vom Vortag.
Fluffy Pancake Soufflé (Kaiserschmarren) as made by Wolfgang Puck
Zeit: 1 Stunde
Kosten: 10 Euro
Da ich mich nicht sonderlich gerne mit der Welt des Kochens beschäftige, weiß ich auch nicht viel über Köche. Hier habe ich gelernt, dass Wolfgang Puck offensichtlich ein berühmter Österreicher ist, der gerne von seiner Kindheit in Austria erzählt und es damals keinen Strom gab, wo er herkommt. Also in “Ostria”. Auch, wenn das schon ein paar Jahre her sein dürfte, lässt es irgendwie ganz Österreich wie ein ziemlich zurückgebliebenes Hinterwäldler-Land wirken—aber das tut so ein Norbert Hofer ja auch, also schon OK. Weniger OK sind in meiner Welt die zwei Packerl Crème fraîche, die seiner Meinung nach in den Kaiserschmarrn gehören. Ich bin mir eigentlich relativ sicher, dass man Kaiserschmarrn nicht so macht. Ich könnte jetzt aber auch nicht sagen, wie man es sonst macht. Statt Zwetschken hat er sich für Erdbeeren entschieden, weil er Erdbeeren lieber mag. Wolfgang Puck ist offenbar ein Mann mit Charakter und eigenem Willen.
Erdbeeren wachsen sowieso nur einen Monat lang in Österreich. Deshalb essen wir Zwetschken zu unserem Schmarren. Ob in New York oder Arkansas die Erdbeeren länger wachsen, halte ich für fraglich. Aber meine Erdbeeren-Expertise beschränkt sich sowieso auf Pokémon-Games, deshalb halte ich jetzt inne. Übrigens: Beim Nachkochen von “Tasty”-Videos sieht man jedes Video während der gesamten Kochzeit im Loop.
Ich habe alles wie am Video gezeigt befolgt—bis zu dem Punkt mit dem Orangensaft und den Erdbeeren. Ich hatte vorher nicht gesehen, dass ich Orangensaft brauche. Ich war jetzt auch zu faul, um extra nochmal einkaufen zu gehen, also habe ich Vitaminwasser benutzt. Dieses Mineralwasser mit Zucker. Im Endeffekt ist ja Orangensaft auch ein Vitaminwasser. Also Wasser mit Zucker. Und Vitaminen.
Und wisst ihr was: Es war wirklich, tatsächlich und wahrhaftig scheißegal. Weil gekochte Erdbeeren mit Vanille und Zucker einfach immer gut schmecken—völlig egal, ob man einen Schuss Orangensaft oder Vitaminwasser nimmt. Dann kam das Eier schlagen.
Weil es schon die dritte Speise und mein Kontingent an zu gebenden Fucks eher erschöpft war, habe ich einfach die Pfanne mit dem Weinwasser dafür benutzt. Meine Motivation, zur Meisterköchin zu avancieren, war noch nie geringer.
Die getrennten Eier befanden sich auch eher im “Es ist kompliziert”-Status, als jetzt wirklich und wahrhaftig getrennt zu sein. Dann kam das eigentliche Schlagen. Nach 6 Minuten habe ich die Geschichte aufgegeben, weil meine Arme schon schmerzten und sich die letzten 5 Minuten nichts an der Eier-Konsistenz geändert hatte. Außerdem wollte ich wie gesagt einfach nur noch fertig sein.
Trotzdem: Mein Fluffy Pancake Sufflé war mit Abstand das Beste, was meine Hände je geschaffen haben. Der Kaiserschmarren selbst konnte geschmacklich seine zwei Crème fraîche nicht verleugnen, dafür die Erdbeeren aber sehr wohl ihr Vitaminwasser. Ich war stolz. Glücklich. Und dann wieder sehr verzweifelt—Küche aufräumen zählt nicht zu meinen Hobbys.
Fazit
Hat mir “Tasty” Kochen beigebracht? Nein. Ich kann noch immer keine Eier schlagen oder trennen. Ich verstehe Größenangaben wie “Cup” nicht. Die erste Speise war eine absolute Geld- und Zeit-Verschwendung und ich denke, es hätte nicht mal geschmeckt, wenn ich es richtig gemacht hätte. Die zweite Speise war eher fancy als essbar. Wenn ich das Rezept eventuell noch selbst verfeinern würde—ein süßlicherer Rotwein um 2,99 statt 1,99 Euro—, könnte es zumindest auf die Stufe von OK aufsteigen.
Erst die dritte Speise war wahrhaftig essbar. Das lag vielleicht an mir, oder auch an dem halben Kilo Zucker. Aber auch hier, liebes “Tasty”: Crème fraîche in den Kaiserschmarrn? Neben der österreichischen Küche leidet auf dieser Seite auch ganz oft die italienische. Hier werden Rezepte irgendwie schlechter gemacht. Nicht viel oder merklich—aber auf jeden Fall oft genug.
Bei einem Blick in die Kommentare wird man sehen, dass vor allem Italiener genauso empfinden. Positiv: Ich dachte, alle drei Speisen kosten mich 100 Euro—ich bin mit angenehmen 45 Euro ausgestiegen. Auch positiv: Ich verstehe jetzt eindeutig die visuell-psychologische Wirkung von geschmolzenem Käse. Werde ich in Zukunft wieder kochen? Vielleicht. Die Zeit wird es zeigen. Jetzt brauch ich aber erst mal eine Pause. Und ein paar Bilder vom geschmolzenem Käse zur Beruhigung.
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