Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal erklärt uns ein Kellner, warum Brunch so schrecklich ist.
An alle Brunch-Fans,
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im Namen aller Angestellten in der Gastronomie möchte ich als Kellner, der oft beim Brunch arbeitet, hiermit einen offenen Brief an diejenigen richten, die sich jeden Samstag oder Sonntag von 10 Uhr morgens bis Wann-auch-immer-das-Fresskoma-einsetzt-Uhr ein großes Gelage, auch bekannt als „Brunch”, gönnen.
Während ihr euch vor dem Montagshorror noch einem letzten wochenendlichen Vergnügen hingebt, geht in den Köpfen des Servicepersonals einiges ab.
Wir haben keinen Spaß dabei und sind nicht so gut drauf wie ihr. Es ist nämlich so, dass all die Dinge, die ihr so sehr am Brunch liebt, diese Schicht für uns zur schlimmsten der ganzen Woche machen.
Obwohl ich viele Jahre lang in der Gastronomie gearbeitet habe, bin ich erst vor einigen Jahren zum Brunch gekommen. Ich komme aus einem fernen fremden Land, wo Brunch etwas ist, das Carrie, Miranda, Charlotte, Samantha und andere wohlhabendere, feinere Leute am Wochenende machen. Von außen sah es für mich immer wie ein angenehmer Zeitvertreib für kultivierte Gesellschaftsschichten aus. Aber erst als ich beim Wochenendbrunch gearbeitet habe, habe ich erkannt, dass Brunch ein ziemlich liederliches Vergnügen ist, das sich jeder Clown gönnt.
Ihr geht ganz langsam die Karte mit den euch eh schon bekannten Gerichten durch und habt bei jeder Bestellung einen Extrawunsch. Ihr wollt nur ein Getränk, lasst euch aber so oft nachschenken, wie es nur geht. Ihr wollt, dass wir eure Völlerei in den nächsten Stunden in vollen Zügen befriedigen, gebt aber das beschissenste Trinkgeld ever.
Zu eurer Verteidigung muss man sagen, dass einer der Klassiker, Eggs Benedict, von einem alternden, betrunkenen Börsenmakler namens Lemuel Benedict in den 1890er Jahren erfunden wurde: Eines Morgens im Waldorf Hotel in New York hatte der einen fürchterlichen Kater und bestellte irgendwelche wild zusammengewürfelten Zutaten.
„Ein getoasteter English Muffin, knuspriger Bacon, pochierte Eier, alles ertränkt in Sauce Hollandaise und zwar bitte schnell, ich sterbe!”, waren wahrscheinlich seine Worte.
In der Hoffnung, dass sein frankensteineskes Katermahl den Zorn des Alkohols irgendwie bändigen könnte, hat er so ein typisches Brunch-Gericht erfunden. Aber merkt ihr’s? Das ist nur entstanden, weil ein gieriger Arsch einfach haufenweise Extrawünsche geäußert hat, um seinen Kater irgendwie zu lindern.
Und damit sind wir wieder in der Gegenwart: Alles, was wir für die heutige Essenkultur erreicht haben, wird von euch zunichte gemacht. Die Vorstellung, dass der Koch mehr vom Essen versteht als ihr, wird verworfen, und ihr habt die wahnwitzigsten Ideen für Eier und Würstchen. Eier und Würstchen bekommt ihr auch selbst zu Hause hin, selbst wenn ihr nicht gerade die Hellsten in der Küche seid.
Wie darf das Rührei sein? Weich, mittel oder doch richtig angebraten? Soll es nur das Eiweiß sein? Käse? Wie wäre es mit Ziegenkäse, Gouda oder Cheddar? Bacon oder Würstchen dazu? Aus Schweinefleisch oder aus Hühnerfleisch? Ob wir Tofuwürstchen haben?
„Ich bin mir nicht sicher, aber ich frage mal nach.” Ja genau, als ob.
Frisches Obst, Pancakes? Joghurt dazu? Oder Toast? Helles Toast oder Vollkorn? Marmelade? Nutella? Beides? Mandelmilch? Zucker? Dankeschön.
„Ach, danke dass Sie mich noch mal an die Tofuwürstchen erinnern, ich guck gleich nach.” Pah.
Für euch sind wir der persönliche Diener für ein Buffet. Aber ihr wisst schon, dass es fast länger dauert, eure Extrawürste im Kassensystem einzutippen als das Essen zu kochen?
Für euch sind wir der persönliche Diener für ein Buffet. Aber ihr wisst schon, dass es fast länger dauert, eure Extrawürste im Kassensystem einzutippen als das Essen zu kochen? Das geht so weit, dass ein vollbesuchter Brunch eine sonst ziemlich stresserprobte Küche in die Knie zwingen kann. Und deshalb landet das Essen am Ende zu spät auf euren Tischen—und es ist auch noch das falsche.
Wenn euch der Teller dann vor die Nase gesetzt wird, beobachten wir euch besorgt, während ihr überprüft, ob auch wirklich jede Kleinigkeit, die ihr bestellt habt, da ist. Dann schnellt ihr mit dem Kopf hoch und haltet wuterfüllt—und mit einem leicht passiv-agressiven Grinsen—nach einem Kellner Ausschau. Irgendwas muss schiefgelaufen sein und wir sind schuld daran. Toll gemacht, damit habt ihr gerade dafür gesorgt, dass alle anderen Gäste noch länger auf ihr Essen warten müssen.
Damit ist jetzt auch der richtige Zeitpunkt gekommen, um euch eins klarzumachen: Beim Brunch arbeitet selten das beste Personal, meine lieben Freunde. Das sollte euch nicht überraschen, wenn ihr die letzten Absätze über diese schreckliche Schicht richtig gelesen habt: Gute Kellner arbeiten nicht beim Brunch. Sie haben am Tag vorher bis spät in die Nacht gearbeitet und richtig Umsatz gemacht und schlafen noch seelenruhig mit ihrem fetten Trinkgeld unter dem Kopfkissen, wenn ihr noch vor dem Mittag bei uns einfallt und stinkt wie ein Iltis. Fühlt euch jetzt nicht beleidigt: Das Personal, das euch bedient, ist meist die unfähigste Idiotenbande, die das Restaurant auftreiben kann.
Und um der ganzen Sache noch einen draufzusetzen: Weil euer Festmahl so elendig lange dauert, können wir keine neuen Gäste an den Tisch setzen—und das ist leider nun mal eines der wichtigsten Dinge für ein Restaurant.
Wenn man bei der Brunch-Schicht mehr verdienen würde, würden sicher auch die besseren Kellner dort arbeiten wollen. Das Problem: Das Essen ist viel zu billig, um damit wirklich Gewinn zu machen, also seid ihr auch nicht ganz unschuldig daran.
Ein Teller beim Brunch kostet ungefähr die Hälfte einer Vorspeise auf der Abendkarte. Dazu gibt es einen Getränk, das wie von Zauberhand immer wieder nachgefüllt wird—zu Lasten unserer Nerven und mit Blasen an den Füßen als Folge. Eine ordentliche Ladung Sekt mit O-Saft und Omelett kosten dich vielleicht ein bisschen was über 20 Euro ohne Trinkgeld, ein Lammkarree und zwei Gläser Merlot können da schnell teuer werden. Und jetzt kommt’s: Je weniger ihr ausgebt, desto weniger verdienen wir.
Und um der ganzen Sache noch einen draufzusetzen: Weil euer Festmahl so elendig lange dauert, können wir keine neuen Gäste an den Tisch setzen—und das ist leider nun mal eines der wichtigsten Dinge für ein Restaurant.Egal wie besonders euer Treffenauch sein mag, ihr seid nur ein paar Arschgesichter aus vielen, die jeden Tag an diesen Tischen sitzen. Ihr sitzt da vielleicht stundenlang mit Freunden, lächelt ab und zu und winkt mit euren leeren Sektgläsern. Wir warten nur darauf, dass ihr geht, die Hälfte eures Essens stehen lasst und wir abräumen können.
Und wenn wir euch dann endlich die Rechnung bringen, wird einer in eurer Runde, der vor Ewigkeiten mal drei Monate lang in einem Restaurant gearbeitet hat, komisch lächeln und uns bitten, die Rechnung zwischen 14 Leuten aufzuteilen. Ich glaub, es hackt.
Wir sagen euch das alles nicht, nur um einfach gemein zu sein. Ihr könnt euch sicher sein, dass ihr und euer Glück, insbesondere euer Geld—so wenig es auch sein mag—, uns sehr am Herzen liegen. Wir wollen euch einfach nur helfen, eine bessere Zeit beim Brunch zu haben, denn wenn wir glücklicher sind, werdet ihr ganz sicher auch glücklicher sein. Gebt mehr Trinkgeld und ihr bekommt bessere Kellner. Und mit besseren Kellnern wird auch der Service besser.
Wenn das immer noch nicht reicht, stellt euch einfach vor, wie es wäre, mit euch und euren verkaterten Freunden zu der Tageszeit klarkommen zu müssen.
Es ist grausam.
Ganz liebe Grüße!
Alle aus der Gastronomie