Im Grunde sind Fidget Spinner das Gleiche wie Jo-Jos oder Beyblades: ein simples, kleines Spielzeug, das von Fünf- bis Zehnjährigen aus unbekannten Gründen total abgefeiert wird. Anfangs wurde das Gerät noch als Mittel zum Stressabbau und als Hilfe für Menschen mit ADHS und Angststörungen angepriesen. Aber dann kamen die ganzen Kinder mit ihrem Taschengeld um die Ecke.
Trends kommen und gehen. Oft gibt es keine Erklärung dafür, warum und wie sie ihren Höhepunkt erreichen, bevor sie wieder aus dem kollektiven Bewusstsein verschwinden. Bei Fidget Spinnern ist das nicht anders. Derzeit reiben sich die Verkäufer die Hände und ich habe keine Ahnung, was ich von den Teilen halten soll – weil ich sie nicht verstehe.
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Ich beschließe, mich auf in die Rye Lane im Süden Londons zu machen – also die Heimat von Hunderten Gebrauchthandyläden, wo nun Massen an Fidget Spinnern über die Theke wandern. Hoffentlich stoße ich dort auf des Rätsels Lösung.
Zuerst mache ich aber einen kurzen Abstecher zum nächstgelegenen Spielplatz, denn wenn jemand Trends versteht, dann ja wohl Mütter. Die junge Dame links im Bild erzählt mir, wie Fidget Spinner im sozialen Umfeld ihres fünfjährigen Sohns total angesagt seien. Wenn er mit seinem Spinner spielt, dann wirke er wie “verzaubert”, so die Mutter.
“Keine Ahnung, warum er so versessen darauf ist”, sagt sie. “Er kann das Teil ja nicht mal richtig drehen. Trotzdem ist er total darauf fokussiert.” Wie kann einen etwas fesseln, das man nicht richtig benutzen kann? Die junge Frau schüttelt nur den Kopf. Und wie können wir Erwachsenen das Spielzeug besser verstehen? “Das werden wir nie”, antwortet sie pessimistisch. “Zum Glück ist das alles bald wieder vorbei.”
Liebe junge Mutter, sei da mal nicht zu vorschnell. Es sind nämlich nicht nur die Schulen und Spielplätze vom Fidget-Spinner-Virus infiziert, sondern auch hippe Millenial-Pärchen wie Tom und Hannah. Die beiden spinnen jetzt schon seit gut drei Wochen.
“Ich war letzte Woche auf dem Primavera-Festival und alle meine Freunde haben sich wunderschöne Fidget Spinner aus Metall gekauft. Das hab ich dann auch. Es handelt sich hier also um einen internationalen Spinner”, erzählt Hannah, während sie das Spielzeug in meine Richtung dreht.
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“Beim Field Day-Festival”, fügt Tom hinzu, “hat jemand vor mir mit einem leuchtenden Fidget Spinner gespielt. Das hat mich mehr fasziniert als die superteure Lichtshow von Aphex Twin.”
Aber wie lange kann ein simples Spielzeug erwachsene Menschen tatsächlich unterhalten? “Noch bin ich nicht gelangweilt”, sagt Tom. “Ich denke immer, ich wäre es … aber dann drehe ich den Spinner doch wieder.”
Es scheint also keine Grenzen für den Trend zu geben. Haben die Fidget Spinner auch schon Einzug im Schlafzimmer gehalten? “Nein, haben sie nicht”, antwortet Hannah. “Ich habe aber schon eine Werbung für einen Fidget Spinner mit daran befestigtem Buttplug gesehen.” Tom macht derweilen einen etwas verlegenen Eindruck. Komm, raus mit der Sprache!
“Letztens habe ich versucht, das Teil auf meinem Schwanz zu drehen”, gibt er zu. “Hannah war da aber nicht zu Hause.” Hat sein Versuch geklappt? “Nein. Das sagt jetzt aber wohl mehr über mich aus als über den Spinner.”
Fidget Spinner besitzen offensichtlich eine unerklärliche Kraft: Sie ziehen uns an, sie hypnotisieren, sie verzaubern. Aber ist es überhaupt möglich, das Spielzeug zu verstehen? “Ganz simpel”, sagt Tom und hält seinen Fidget Spinner an. “Einfach drehen!”
Drehen? Ist es wirklich so einfach? Lässt sich die Welt eines naiven Journalisten tatsächlich mit einer Drehung auf den Kopf stellen?
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf komme ich endlich in der Rye Lane an und kaufe mir einen Fidget Spinner. Das Gleiche hätten diesen Monat schon 200 oder 300 Kinder gemacht, so der Ladenbesitzer.
Als ich mein neues Spielzeug etwas ratlos in den Händen halte, stellt sich mir eine Frage: Was genau ist jetzt so toll daran?
Ich erinnere mich an die Worte der jungen Mutter und von Tom. Und plötzlich fällt es mir wie Schuppen vor den Augen.
Um Fidget Spinner zu verstehen, …
… muss man …
… selbst zum Fidget Spinner werden.
Erst dann kann man wirklich herausfinden, welchen Einfluss diese Teile auf unsere Welt haben.
Es heißt ja, dass Fidget Spinner Stress abbauen und man mithilfe des Spielzeugs die Herausforderungen des Alltags besser meistert.
Eine simple Drehung soll einem den Tag versüßen.
Das mag vielleicht stimmen. Aber wie bereits gesagt, gibt es nur einen Weg, Fidget Spinner wirklich zu verstehen: Man muss sie drehen.
Die Kinder schreien mir “Fidget Spinner” entgegen, hängen sich an mich und zerstören dabei fast mein Kostüm. Währenddessen stehen ihre Eltern im Hintergrund und filmen das Spektakel mit ihren Smartphones. Ich fühle mich wie im Rausch, der – wie zu erwarten – plötzlich wieder abnimmt. Quasi das Pokémon Go der Plastikspielzeug-Industrie.
Alles Gute hat sein Ende. Das ist auch bei Trends nicht anders. Dementsprechend wird die Welt mit Sicherheit bald auf einen ganz anderen Zug aufgesprungen sein, der sich nicht dreht.
Durch mein Dasein als Fidget Spinner habe ich jedoch eine Sache gelernt.
Egal ob nun durchtrainierte Muskelpakete, die ihr Lachen unterdrücken, oder Schüler, die Fotos machen, alle Menschen, denen ich begegnet bin, haben sich bei meinem Anblick unglaublich gefreut. Kinder haben nicht die mondgesichtige Person hinter dem gigantischen Spinner gesehen. Nein, sie haben mich ständig nur mit “Fidget Spinner” angeredet, so als ob ich ein Konzept sei. Ein Konzept, das es an jeder Straßenecke für wenig Geld zu kaufen gibt.
Was ich damit sagen will: Fidget Spinner sind ein Trend für die breite Masse. Das Spielzeug macht Spaß, ist leicht verständlich und kostet nicht viel – die besten Voraussetzungen, um die Leute zu vereinen. Also zumindest für die kommenden Wochen. Dann ist nämlich wieder irgendein neues Ding der letzte Schrei.